SZ-Adventskalender:Wenn der Krebs das Weihnachtsfest zerstört

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Lukas Schachtschneider führt für die Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München in Inning ein Beratungsgespräch. Auch Miriam D. wird von der Stiftung betreut. (Foto: Arlet Ulfers)

Miriam D. hat vor wenigen Wochen die Diagnose Eierstockkrebs bekommen, nun muss sie die Chemotherapie durchstehen. Ihre größte Sorge aber ist: Kann sie noch für ihre Tochter da sein?

Von Carolin Fries, Herrsching

"Im Moment fühlt es sich so an, als würde Weihnachten ausfallen", sagt Miriam D. (Namen und Wohnort von der Redaktion geändert). Zu viele andere Dinge und Fragen schwirren in ihrem Kopf herum: Wie wird es sein, wenn sie aus dem Krankenhaus zurück nach Hause zu ihrer Tochter kommt und die Chemotherapie beginnt? Kann Sie dann überhaupt noch für die 13-Jährige da sein?

Noch keine vier Wochen ist es her, dass die Lehrerin aus Herrsching von ihrer schweren Krebserkrankung weiß. In den Herbstferien war sie beim Gynäkologen, der einen Tumor an den Eierstöcken entdeckte. "Er meinte, der würden in meinem Alter bestimmt gutartig sein", erzählt die 48-Jährige. Dass die Krebszellen sich bereits in ihrem ganzen Unterleib ausgebreitet und auch schon andere Organe betroffen waren, erfuhr sie erst, als sie im Starnberger Krankenhaus nach der Operation aus der Narkose erwachte. Seitdem sei sie im "Funktionsmodus", erzählt die alleinerziehende Mutter am Telefon. "Nur einmal kurz habe ich heulen können am Telefon mit meiner Schwester."

Miriam D. hat bereits schwere Krankheiten überstanden und ist zu 50 Prozent schwerbehindert. Sie kann nur in Teilzeit arbeiten, weshalb ihre finanziellen Mittel begrenzt sind. Der Vater ihrer Tochter ist vor zehn Jahren gestorben. Weil sie nicht verheiratet waren, bekommt Miriam D. keine Witwenrente. "Es geht schon immer irgendwie", sagt sie. Doch viele Medikamente oder spezielle Nahrungsmittel, die sie braucht, zahlt die Krankenversicherung nicht. Für ein Weihnachtsgeschenk für die Tochter ist deshalb gerade kein Geld da, weshalb der Adventskalender der Süddeutschen Zeitung einspringt.

Als die Mutter für etwa zwei Wochen im Krankenhaus war, war die 13-jährige Nadine alleine zu Hause, der Patenonkel hat sie versorgt. Jeden Morgen um 6.30 Uhr und abends gegen 21 Uhr haben die beiden telefoniert und sich über Video gesehen. "Sie trägt's mit Fassung", berichtet die Mutter. Einerseits erzähle das Mädchen, wie cool es daheim ohne die Mutter sei, "doch dann kämpft sie doch mit den Tränen". Barbara Schachtschneider, Leiterin des Kinderhospizzentrums der Stiftung AKM in Inning, kennt dieses Phänomen. "Kinder schützen ihre Eltern nach außen und sagen, es gehe ihnen gut." Nach innen aber dominierten Ängste und Sorgen, auch Wut. Die Stiftung begleitet im südwestlichen Oberbayerns etwa 120 Familien, in denen entweder Kinder oder auch Erwachsene von einer schweren und lebensbedrohlichen Erkrankung betroffen sind.

(Foto: SZ)

Die Mitarbeiter beraten und unterstützen die Angehörigen etwa in sozialrechtlichen Angelegenheiten, wenn haufenweise Anträge gestellt werden müssen. Für Miriam D. hat Schachtschneider zum Beispiel eine Haushaltshilfe zum Start der Chemotherapie organisiert. Auch den Bedarf einer pflegerische Unterstützung prüfen die Berater derzeit.

Zugleich kümmern sich Familienbegleiter um die Tochter, bieten Gespräche an und Unterstützung im Alltag, wenn die Mutter krankheitsbedingt nicht da sein kann. Auch Psychologen hat die Stiftung bei Bedarf an der Hand.

Miriam D. sagt, sie liebe Weihnachten, "eigentlich". Zusammen mit der Familie ihrer Schwester und ihrer Mutter hätten sie immer gefeiert. Doch dieses Jahr werde es anders. Ihre Mutter ist vor einem Jahr gestorben, sie selbst ist schwer krank. Wird sie ihre schulterlangen braunen Haare noch haben, wenn sie am Christbaum sitzt?, fragt sie sich. Wird sie nach den Medikamenten-Cocktails, die auf den Magen schlagen, das Essen genießen können? Vor allem aber: Wird sie überhaupt die nötige Kraft haben, das Fest zu gestalten? Sie will es in jedem Fall versuchen. "Ich danke jeden Tag dafür, dass ich ein gesundes Kind habe." Ihr größter Wunsch ist es , selbst wieder gesund zu werden.

© SZ vom 21.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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