Kunst im Herrschinger Kurpark:Gewollte Vermüllung

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Der Kulturkreis Ammersee widmet sich im Herrschinger Kurpark auch der Vergänglichkeit von Kunst - hier die Installation "Kreislauf" von Daisy Fischer mit pinkfarbenen Schuhen. (Foto: Georgine Treybal)

Der Künstlerkreis Ammersee möchte mit "Intermezzo" ein neues Format etablieren: Die Objekte der aktuellen Ausstellung "Recircling" an der Uferpromenade wurden aus Verpackungsmüll gefertigt.

Von Katja Sebald, Herrsching

Die Idee war toll: Die Kunst hängt an einem lauen Sommerabend in den Bäumen, die Besucher sitzen auf der Wiese darunter und picknicken, eine Band spielt. Als "Intermezzo" bezeichnet der Künstlerkreis Ammersee das neue Format im Herrschinger Kurpark. Aber: "Das zufällige Publikum ist das härteste Publikum der Welt", musste auch die Vereinsvorsitzende Eva Zenetti bei der Vernissage am vergangenen Samstag einräumen.

Der Herrschinger Kurpark und die angrenzende Seepromenade gehören bekanntermaßen zu den touristischen Hotspots der Region. Die Vernissage und das Konzert mussten sich dort unter anderem gegen den mit viel Getöse an- und abfahrenden Dampfer und eine Junggesellenabschiedsparty behaupten. Das zufällige Publikum schlenderte vom Biergarten zum Nachtmarkt und zurück. Doch wer stehen blieb, der fragte eher nach den Toiletten als nach der Kunst.

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Das Motto der Ausstellung lautet "Recircling". Alle Kunstwerke wurden aus Verpackungsmüll gefertigt - und auch das hat etwas mit dem Kurpark als touristischem Hotspot zu tun: In der Vergangenheit gab es dort immer wieder Vandalismus. Der Herrschinger Kulturverein veranstalte deshalb im Kurpark keine Ausstellungen mehr, erläuterte Zenetti.

Die jetzt von Künstlerkreis Ammersee gezeigten Objekte, die zumindest keinen Materialwert haben, werden so weit oben wie möglich in den Bäumen präsentiert. Sie habe trotzdem allen beteiligten Künstlern geraten, sich von ihren Arbeiten zu verabschieden, sobald sie aufgehängt sind, sagte Zenetti.

Wo geht es bitte zur Toilette? Künstler und Gäste freuten sich über die Eröffnung von "Recircling", das "zufällige Publikum" dagegen blieb eher unbeeindruckt. (Foto: Georgine Treybal)
Ist gespannt, was zum geplanten Ende der Ausstellung in Herrsching noch übrig ist von den Kunstwerken: die Kunstkreis-Vorsitzende Eva Zenetti. (Foto: Georgine Treybal)

Wer weiß, ob das zufällige Publikum die bunten Objekte in den Bäumen überhaupt als Kunst wahrnimmt oder sie eher für die übrig gebliebene Dekoration von bereits gefeierten Partys hält? Die rote Linie, die Eva Zenetti aus den angeschwemmten und vom Wasser geformten Bruchstücken von Ziegelsteinen am Kiesstrand gelegt hat, wird vermutlich kaum bis zum Ende der Ausstellung überdauern - es sei denn, jemand hat weitere rote Ziegelstücke gesammelt und sie fortgesetzt.

Um die Schlange aus weißen Joghurtbechern, die sich um einen Ast schlängelt, wäre es jedenfalls schade, wenn sie der Zerstörungswut des "zufälligen Publikums" zum Opfer fallen würde. Auch bleibt zu hoffen, dass niemand ein Paar der pinkfarbenen Schuhe braucht, die den "Schuhkreislauf" von Daisy Fischer bilden, einen mit Leuchtfarbe besprühten Reifen, der sich besonders effektvoll vor dem Abendhimmel abhebt.

Kunst am Baum: Ein roter Kunststoffstreifen lässt die Betrachter über die tiefere Bedeutung dieser Installation rätseln. (Foto: Georgine Treybal)
Ela Bauer steuert ihre Installation "Totem" zur ungewöhnlichen Ausstellung in Herrsching bei. (Foto: Georgine Treybal)

Auch in eines der kunstvoll bunt bemalten Hemden, die auf einer Leine zwischen den Bäumen wie zum Trocknen hängen, könnte sich womöglich jemand nach einer rauschenden Party spontan verlieben. Aber dann wäre wenigstens das Ziel von "Recircling" erfüllt - nämlich Ausrangiertes und nicht mehr Benötigtes einer neuen Bestimmung zuzuführen.

In diesem Sinn sind auch die bemalten Leinwände zu verstehen, die Jeanne Dees in Streifen geschnitten und um die Bäume gewickelt hat. Einige andere Malerinnen haben ebenfalls Bilder in ihren Ateliers aussortiert und sie an eine oder an mehrere Kolleginnen zum Übermalen weitergegeben. Die Ergebnisse dieser "Hommage" an den großen Übermaler Arnulf Rainer werden nun an Zäunen und an einem Bootshaus an der Promenade präsentiert.

Verschlussdeckel von Flaschen in der künstlerischen Zweitverwertung im Herrschinger Kurpark. (Foto: Georgine Treybal)
Aussortiert und übermalt: An einer Bootshütte finden sich Werke von Ernst Bachmeier, Isabelle Crétienne-Brocker, Edith Steiner und Angela Verdi. (Foto: Georgine Treybal)

Ebenso haben sich gleich mehrere Ammerseekünstler von dem Bildhauer El Anatsui aus Ghana inspirieren lassen, der mit seinen aus Flaschenverschlüssen und anderen gefundenen Materialien gefertigten monumentalen Werken vor einigen Jahren auch im Haus der Kunst Furore machte. Im Idealfall bleiben alle Objekte bis zum 27. August in den Bäumen des Kurparks hängen.

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