150 Jahre Alpenverein:Dünne Luft in Gilching

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Beim Aktionstag zum Jubiläum üben die Besucher der Kletterhalle, wie man Lawinenopfer ortet und sich selbst aus einer Gletscherspalte rettet. Die Sportler erklimmen die eigens angelegte "Bürgermeisterroute".

Von Patrizia Steipe, Gilching

"Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet zum Berg gehen", frei nach dieser Redensart hat das Gilchinger Kletter- und Boulderzentrum des Deutschen Alpenvereins (DAV) das Hochgebirge quasi ins 553 Meter hohe Gilching geholt. Anlässlich des 150-jährigen DAV-Bestehens genossen die Besucher hochalpines Flair und Hüttenzauber.

Mit rot-weißem Flatterband hatten die Helfer einen simulierten Lawinenkegel abgegrenzt. In diesem Bereich galt es bei der Trockenübung einen Verschütteten zu finden. Vorsichtig schritt eine kleine Besucherin das Areal ab und blickte dabei auf das Display ihres "Pieps" wie das Suchgerät für Lawinenverschüttete genannt wird. "Über 90 Prozent der Verschütteten leben nach dem Lawinenabgang, aber nach 15 Minuten sinken die Überlebenschancen dramatisch", berichtete Gerd Merkel. Der Fachübungsleiter für Skihochtouren demonstrierte auf der Kiesfläche neben der Kletterhalle, wie der Ernstfall geübt wird.

Der junge Kletterer Markus erklimmt beim Jubiläumsfest des Alpenvereins in Gilching die Pendelroute mit schwingenden Trapezen. (Foto: Nila Thiel)

Das Mädchen hatte das Opfer, das in diesem Fall nur aus einem Sendegerät bestand, bald bis auf 70 Zentimeter Nähe geortet. Um die Lage des Opfers einzugrenzen, wurde mit einer Sonde - einer Art überlanger Skistock ohne Teller - kräftig in das Erdreich gestoßen. Am Übungstisch konnten die Besucher spüren, wie es sich anfühlt auf Stein, einen Rucksack oder einen Helm zu treffen. "Ein Körper federt", erklärte Merkel. "Tut das nicht weh?", wollte ein Besucher wissen. Angesichts der Alternative unter den Schneemassen zu ersticken, sei dieser Schmerz zu vernachlässigen, meinte Merkel.

Ein paar Schritte weiter konnten die Besucher die Selbstrettung aus einer Gletscherspalte üben. In Gilching kletterten sie mangels Spalte einfach vom Boden aus das Sicherungsseil empor. Zwei Prusikschlingen, die sich unter Belastung zuziehen und bei Entlastung lockern, wurden als Steighilfe eingesetzt und immer weiter nach oben geschoben.

Mehr als 60 000 Kletterer aus der ganzen Region besuchen jährlich die Kletterhalle, berichtete Serviceleiter Maximilian Walk. Vor 13 Jahren wurde die Halle der DAV-Sektion München eröffnet. Um Abwechslung zu bekommen, werden die rund 200 Routen auf den 13 Meter hohen künstlichen Felswänden in- und außerhalb der Halle alle drei Monate abgeändert. "Es ist eine Kunst, interessante Routen zu schrauben", erklärte Max Krammer. Der Student hat sein Freiwilliges Soziales Jahr im Kletterzentrum absolviert und ist als "Routenschrauber" geblieben. Dabei reichen die Schwierigkeitsgrade der Routen bis zehn. Seine Ideen bekommt Krammer übrigens aus Youtube-Videos von Kletterwettbewerben.

Da Sportklettern im nächsten Jahr erstmals olympische Disziplin sein wird, werde die Sportart allgemein mehr beachtet, hat er festgestellt. Beim Jubiläumsfest hatten sich lange Schlangen an den Kletterangeboten gebildet. Zum Beispiel beim eigens für diesen Tag angelegten Klettersteig, bei der "Bürgermeisterroute", benannt nach dem Gilchinger Manfred Walter, der die Siegertrinkflaschen für diesen Wettbewerb gestiftet hatte oder bei der Pendelroute, bei der es galt, in schwindeliger Höhe von einem Trapez zum nächsten zu schwingen. Menschen mit sehr langen Armen hätten einen Vorteil, verriet Marlies Urban, die das Jugend- und Kinderklettern in der Halle leitet. "Affenindex" nenne man das, erklärte Krammer und lachte.

© SZ vom 30.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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