Im Rathaus:Ein fast vergessener Künstler

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Kunsthistorikerin Julia Reich (links) und Archivarin Regine Hilpert-Greger haben die Ausstellung zu Alfred Leithäuser gemeinsam kuratiert. (Foto: Arlet Ulfers)

Der Maler Alfred Leithäuser hätte ein Star in der deutschen Kunstszene werden können. Doch der Durchbruch blieb aus. Zu seinem 125. Geburtstag widmet ihm die Gemeinde Gauting eine Ausstellung.

Von Ann-Marlen Hoolt, Gauting

Wer genau hinschaut, kann Gauting noch erkennen. Die Unterführung in der Ammerseestraße zum Beispiel oder die ehemalige Brennerei Pentenried. Doch die meisten Gemälde von Alfred Leithäuser zeigen ein Gauting, das schon lange nicht mehr existiert. Statt dem kleinen Bahnwärterhäuschen, steht an den Schienen heute ein modernes Stellwerk, die Gewächshäuser der Gärtnerei Arnold sind längst abgerissen. Leithäuser hat sie festgehalten. In leuchtenden Farben und festen Umrissen.

Ortskundige erkennen hier die Unterführung in der Ammerseestraße in Gauting. (Foto: Arlet Ulfers)

Seine Gemälde sind zurzeit im Rathaus in Gauting ausgestellt, anlässlich seines 125. Geburtstags. Alfred Leithäuser hat zu seinen Lebzeiten viel gemalt: seine Heimat Wuppertal, seine Studienstadt Paris, Palma de Mallorca, das Chiemgau und dann natürlich Gauting. Hier lebte er seit den Fünfzigern bis zu seinem Tod 1979. Weil seine Witwe später seine Bilder der Gemeinde vermachte, besitzt Gauting die größte zusammenhängende Sammlung mit Spätwerken von Alfred Leithäuser: Mehr als 70 Gemälde und mehr als 200 Zeichnungen. Nun sind sie zum ersten Mal für die Öffentlichkeit zugänglich.

Mehrere Jahre Vorbereitung

"Ich finde seinen Farbeinsatz unglaublich", schwärmt Archivarin Regine Hilpert-Greger mit Blick auf ein Gemälde an der Wand: Rosa-blauer Himmel, türkisgrüne Wiesen, rötliche Berge - ein Bild, das von Kontrasten lebt. "Das hat etwas Wagemutiges, wie er die Bilder baut, wie er Linien legt." Hilpert-Greger kennt Leithäusers Bilder inzwischen gut. Zusammen mit der Kunsthistorikerin Julia Reich hat sie den Bestand des Gautinger Archivs katalogisiert und die Ausstellung organisiert. "Man merkt seinen Bildern an, dass er genau beobachtet hat. Aber er zeigt doch seinen eigenen Blick."

Im Ölgemälde "Junge Katzen" (1957) hat Alfred Leithäuser auch eine verblichene Ausgabe der Süddeutschen Zeitung gemalt. (Foto: Arlet Ulfers)

Häufig hat Leithäuser Landschaften gemalt, zunächst noch beeinflusst vom französischen Maler Paul Cézanne, später dann im Stil der Neuen Sachlichkeit und des Magischen Realismus. Im Rathaus in Gauting sind aber auch Portraits und Stillleben ausgestellt. Und wer ganz genau hinschaut, kann in zwei Stillleben sogar die Süddeutsche Zeitung entdecken, zusammengerollt auf einem Schränkchen und zerknickt unter einem Kochtopf.

Wie funktioniert Vergessen?

Und noch etwas anderes fällt auf. Es wurde ungewöhnlich viel Aufwand betrieben für diese Ausstellung, für die noch nicht einmal Eintritt verlangt wird. Die Gemeinde Gauting hat rund 20 000 Euro investiert, um die Bilder zu restaurieren und zu rahmen. Reich und Hilpert-Greger haben Leihgaben von Privatsammlern geliehen und einen Ausstellungskatalog geschrieben. Er hat mehr als 200 Seiten. Außerdem war viel Recherche nötig, um die teilweise nicht datierten Werke im Archiv zeitlich einordnen zu können.

"Das hat sich teilweise wie eine Schnitzeljagd angefühlt. Und es gibt immer immer noch unglaublich viele Fragen, die zu klären sind", erzählt Julia Reich. Sie forscht schon länger zu Alfred Leithäuser. Dabei beschäftigt die Kunsthistorikerin besonders eine Frage: Wie konnte dieser Maler in Vergessenheit geraten? Denn Alfred Leithäuser war in den späten Zwanzigern auf dem besten Weg, ein Star der deutschen Kunstszene zu werden. Er war gut vernetzt, stellte überall in Deutschland aus, bekam gute Kritiken.

Der Nationalsozialismus als Zäsur

Doch dann kam der Nationalsozialismus. Große Teile von Leithäusers Netzwerk brachen weg. Er durfte zwar weiter ausstellen, doch er passte sich an. Für Julia Reich verliert seine Kunst in dieser Zeit an Profil: "Seine Bilder wirken blasser, als sei er geschrumpft. Man merkt, dass er sich weniger frei gefühlt hat."

Ein Selbstporträt Leithäusers aus dem Jahr 1966. (Foto: Arlet Ulfers)

Leithäuser hat sein Leben lang gemalt. Er war aktiv in der Münchner Kunstszene und das Wuppertaler Von der Heydt-Museum ehrte ihn kurz vor seinem Tod für sein Lebenswerk. Doch an seinen Erfolg in den Zwanzigern konnte der Künstler auch nach dem Krieg nicht mehr anknüpfen. Obwohl Bilder von ihm unter anderem im Lenbachhaus und in der Pinakothek der Moderne in München hängen, kennen heute nur noch wenige Menschen seinen Namen.

Julia Reich und Regine Hilpert-Greger hoffen, dass die Ausstellung in Gauting dabei helfen wird, die Werke Alfred Leithäusers wieder bekannter zu machen. Als Titel für die Ausstellung haben sie einen Satz des Kunstkritikers Egbert Delpy gewählt: "Ein Künstler mit eigenem Profil". So nannte Delpy Leithäuser 1929 in einem Artikel in einer Leipziger Tageszeitung. Und er beschrieb Leithäuser als einen "Mann, den kennenzulernen sich verlohnt". Wer die Ausstellung im Rathaus in Gauting besucht, hat nun dazu die Chance.

Die Ausstellung "Alfred Leithäuser - Ein Künstler mit eigenem Profil" ist noch bis zum 15. Dezember zu den Öffnungszeiten des Rathauses in Gauting zu sehen. Der Eintritt ist frei. Zu Sonderöffnungszeiten am ersten Dezemberwochenende gibt es Führungen durch die Ausstellung.

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