Essen und Trinken:Mit Wintergärten gegen die Personalnot

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Mit dem neuen Wintergarten können in der Alten Villa in Utting nun doppelt so viele Gäste bewirtet werden wie bisher. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Alte Villa in Utting ist erweitert worden und kann nun doppelt so viele Gäste bewirten wie früher. Das vor Kurzem eröffnete Restaurant ist nicht das einzige am Westufer des Ammersees, in dem Umbauten als Mittel gegen den Fachkräftemangel angesehen werden. So ist ein Ganzjahresbetrieb möglich.

Von Astrid Becker, Utting

Mit dem neuen Wintergarten können in der Alten Villa in Utting nun doppelt so viele Gäste bewirtet werden wie bisher. (Foto: Arlet Ulfers)

Zugegeben: Es gehört schon Mut dazu, in Zeiten wie diesen eine berühmte Traditionsgaststätte mit einem 900 Menschen fassenden Biergarten zu pachten. Elias Lobewein hat im Herbst 2021 diesen Mut bewiesen und zusammen mit zwei Partnern, Martin Putz und Christian Wawacek, die "Alte Villa" in Utting übernommen. Im Mai vergangenen Jahres starteten sie mit dem Betrieb des Biergartens, seit Kurzem ist nach einer umfänglichen Sanierung nun auch das Restaurant im Inneren der Alten Villa geöffnet. Besonders ins Auge sticht dabei der neue Wintergarten, der an das 1898 errichtete Gebäude direkt am Ammersee angebaut worden ist und der, ganz abgesehen vom Ausblick, eine weitere wichtige Funktion erfüllt: Dem festen Team der drei Wirte dort eine ganzjährige und dauerhafte Beschäftigung zu sichern.

Knapp 60 Gäste finden hier Platz. (Foto: Arlet Ulfers)

Wintergärten oder überhaupt die Erweiterung der Bewirtungsfläche für Gäste scheinen derzeit im Landkreis Landsberg als probates Mittel zu gelten, der Personalnot in der Gastronomie entgegenzuwirken. Tatsächlich hat sich die Lage in der für den gesamten Tourismus existenziellen Branche seit der Pandemie überall massiv verschärft. Durch Lockdown und Kurzarbeit traten für viele Beschäftige die ohnehin vorhandenen Nachteile eines Jobs in der Gastronomie noch stärker in den Vordergrund: etwa die schlechte Bezahlung bei hohen Lebenshaltungskosten im Fünfseenland, ohnehin keine oder nur auf eine Saison befristete Arbeitsverträge, die ausufernden Arbeitszeiten, die fehlende Wertschätzung seitens der Wirte und seitens der Gäste gleichermaßen.

Es gibt verschiedene Gründe, warum sich viele Mitarbeiter in Corona-Zeiten mit neun Monaten Lockdown und Kurzarbeitergeld aus der Gastronomie verabschiedet haben und in andere Branchen abgewandert sind: etwa in Test- und Impfzentren, in Gesundheitsämter, Callcenter, Lieferdienste, Einzelhandel und zur Deutschen Bahn, wie Thomas Geppert, der Landesgeschäftsführer des Bayerischen Hotel-und Gaststättenverbandes (Dehoga) im vergangenen August auf eine Anfrage der SZ sagte.

Allein zu diesem Zeitpunkt mitten in der Hochsaison sollen dem statistischen Landesamt zufolge im bayerischen Gastgewerbe etwa 5000 feste Stellen unbesetzt geblieben sein. Viele Wirte in der Region berichten derzeit von einem eklatanten Wandel im Auftreten der Wenigen, die sich in der Gastronomie überhaupt noch um eine Stelle bewerben: "Früher hast Du beispielsweise einem Koch, der sich beworben hat, gesagt, wie viel Du ihm zahlen kannst. Heute sagt der zu Dir, wie viel er von Dir erwarten, um überhaupt bei Dir anzufangen", bringt es ein Branchenkenner auf den Punkt, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Für Arbeitgeber kommt erschwerend hinzu der Mindestlohn, der im Oktober auf zwölf Euro angestiegen sei. Einerseits richtig, meint er, sonst bekomme man gar keine Aushilfe mehr. Andererseits: "Das sind ja nicht die einzigen gestiegenen Kosten, die wir irgendwie erst einmal erwirtschaften müssen."

Im Landkreis Landsberg scheint man sich der Probleme der Branche bewusst zu sein, zumal man dort mit noch mehr touristischem Zulauf in den nächsten Jahren rechnet. Doch all diese Gäste müssen bedient, bekocht und beherbergt werden. Personal muss also her, und das möglichst in unbefristeten und dauerhaften Arbeitsverhältnissen. Was der Landkreis dazu beitragen kann? Er schafft offenbar die Voraussetzungen dafür - etwa, in dem er Erweiterungswünsche von Wirten berücksichtige, wo es baurechtlich möglich sei, sagt Wolfgang Müller, Sprecher des Landsberger Landratsamts.

Der Wintergarten des Seerestaurants St. Alban wird derzeit für einen ganzjährigen Betrieb saniert. (Foto: Arlet Ulfers)

Beispielsweise im Seerestaurant St. Alban in Dießen. Der Landkreis ist der Eigentümer des Lokals, das in den Siebzigerjahren vor allem zur Versorgung des angeschlossenen Campingplatzes sowie des angrenzenden Badegeländes entstanden war. Unter dem jetzigen Wirt Simon Pavic hat sich die Restauration zu einem kulinarischen Hotspot am Ammersee gemausert, der allerdings ein entscheidendes Problem hat: Der angebaute Wintergarten mit seinem 100 Plätzen ist für einen Betrieb in der kalten Jahreszeit bislang nicht geeignet. Grund ist die Einfachverglasung des Anbaus und eine Luft-Gebläse-Heizung, die nicht gerade wohlige Gefühle bei Gästen erzeugen würde. Die Folge: Das gesamte Lokal bleibt bisher den Winter über geschlossen. Nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass es ohne Nutzung des Wintergartens gerade mal über 16 Plätze verfügt. Wohl kaum wirtschaftlich zu betreiben.

Wirt Pavic soll dies dem Vernehmen nach dem Landkreis auch verdeutlicht haben. Ein Saisonbetrieb eigne sich nicht dafür, gutes Personal zu halten, soll er argumentiert haben. Mit Erfolg: Das Seerestaurant wird derzeit bis März umgebaut, um so, anders als bisher, einen Ganzjahresbetrieb zu ermöglichen.

Über Erweiterung und Umbau aus ähnlichen Gründen wird derzeit auch an anderen Stellen im Landkreis Landsberg nachgedacht: Etwa am "Strandhaus" in Eching und in Finning an der "Windachsee-Alm", die beide ebenfalls dem Landkreis gehören. Auch in der Gemeinde Utting gibt es Vergrößerungspläne: Dort wünscht sich der Pächter des Pavillons am See einen Ganzjahresbetrieb. Sein Name ist Bernd Pickl, der zusammen mit seiner Frau Martina vier Jahre lang vor Lobewein, Putz und Wawacek die Alte Villa in Utting gepachtet hatte.

Ebenfalls insgesamt 60 Gäste können im alten Trakt der Alten Villa Utting bewirtet werden. (Foto: Georgine Treybal)

Sein ehemaliges Restaurant am Westufer des Ammersees besitzt nun auch etwas, ohne das es in diesen Zeiten offenbar nicht geht: einen Wintergarten mit noch einmal knapp 60 Plätzen. Damit könnten in der Alten Villa nun doppelt so viele Gäste bewirtet werden wie früher, sagt auch Elias Lobewein. Die Idee dazu hätten sie als Betreiber zwar nicht selbst gehabt, aber: "Der Wintergarten ist für uns wichtig, um wirtschaftlich arbeiten und so unser zehnköpfiges Team auch das ganze Jahr über halten zu können."

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