Internationale Verbindungen:Eine ganz besondere Freundschaft

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Eine Starnberger Delegation unter Leitung des damaligen Landrats Karl Roth (5. v. re.) hat Taiwan 2018 zuletzt besucht. (Foto: Astrid Becker)

In diesem Jahr ist Taiwan wieder Gastland beim Fünfseen-Filmfestival. Aus gutem Grund: Mit Neu Taipeh City und der Provinz Hualien pflegt der Landkreis Starnberg eine enge Verbindung. Der Konflikt des Inselstaats mit China berührt daher Cineasten wie Kommunalpolitiker zutiefst.

Von Justus Niebling , Starnberg

Wenn Altlandrat Karl Roth (CSU) in der Zeitung über die angespannte Situation an der Taiwanstraße liest, ziehen Sorgenfalten über seine Stirn. Nicht nur , weil der Inselstaat seit vielen Jahren Gastland beim Fünfseen-Filmfestival ist, heuer bereits zum elften Mal. Sondern weil der Landkreis seit mehr als 40 Jahren eine enge Freundschaft mit Neu Taipeh City pflegt, dem einstigen Landkreis Taipei. 2018 war zum bisher letzten Mal eine Starnberger Delegation nach Taiwan geflogen. Roth erinnert sich noch gut an diese Reise, bei der auch eine neue Freundschaft zum Landkreis Hualien besiegelt wurde: "Das war eine unglaubliche Gastfreundschaft, die wir dort erlebt haben." Man sei von taiwanischer Seite auch sehr erpicht auf die offizielle Freundschaft gewesen. "Wir wollten Hualien eigentlich nur einen Besuch abstatten, und dann hieß es am ersten Abend, wir würden am nächsten Tag ein Fest feiern und eine offizielle Urkunde überreicht bekommen."

Grund für dieses Bestreben der Taiwaner mag wohl die schon damals schwierige Beziehung zur Volksrepublik China gewesen sein. Roth und seine Mitreisenden haben schon damals den schwelenden Konflikt mit Taiwans großem Nachbarn China zu spüren bekommen. In Taiwan, so erzählt es der ehemalige Landrat, versuche man schon lange so viele Freundschaften in aller Welt zu schließen, wie nur irgendwie möglich. Das Säbelrasseln von China sei man dort jedoch schon seit Jahrzehnten gewohnt. Der Mitarbeiter des Auswärtigen Amts, mit dem er sich über die jetzige Lage austausche, vermittele den Eindruck, die Menschen dort sähen das da alles ganz locker, sagt er. Dass die Taiwaner ihre Freiheit aufgeben könnten, sei für ihn zwar unvorstellbar, "aber sie werden es wohl müssen."

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Auch Kreisrat Matthias Vilsmayer (Freie Wähler), mittlerweile Vize-Landrat, erzählt, dass er bei dem Besuch 2018 von vielen Seiten auf die Bedrohung durch China hingewiesen wurde. Er erinnert sich an den Zwischenstopp auf der Rückreise nach Deutschland in Peking. Der dortige chinesische Reiseführer habe großes Unverständnis dafür gezeigt, dass eine Starnberger Delegation ein Land wie Taiwan besucht habe und sogar Freundschaften zu einzelnen Regionen dort unterhalte. Eine gewisse Abneigung gegen die Insel muss demnach zu spüren gewesen sein. Die Propaganda in China gegen das freiheitsliebende Taiwan funktioniere dort einfach recht gut, meint er. Deshalb befürworte er die Unterstützung der USA für Taiwan, das gern als eigener souveräner Staat anerkannt werden würde. Bis heute ist der rechtliche Status nicht eindeutig geklärt. Trotzdem setzt Vilsmayer die offizielle Freundschaft des Landkreises mit den Taiwanern mit der mit anderen Partnerstädten und Partnerlandkreisen gleich. Wie Roth sagt auch er: "Solche Partnerschaften sind gerade für Taiwan sehr wichtig." Er zeigt sich besorgt über die derzeitige Lage.

Der jetzige Starnberger Landrat Stefan Frey will die Freundschaft mit Taiwan nicht nur weiterführen, sondern auch intensivieren. (Foto: Nila Thiel)

Auch der neue Generaldirektor der Taipeh-Vertretung in München, Ian-tsing Joseph Dieu, betont, wenn es um die Spannungen zwischen Festlandchina und Taiwan, die Wichtigkeit der engen Bande zu Taiwans Partnern. "Wir erleben eine Rivalität der Systeme, Demokratie gegen Autokratie. Die Demokratien erkennen jetzt, dass sie näher zusammenrücken müssen", sagt er. Dieu verweist auf die Vorbereitungen in der Zivilbevölkerung auf einen Angriff der Volksrepublik China, die Stimmung sei mancherorts angespannt. Trotzdem sehe er den Konflikt mit China mehr als eine Chance für Zusammenarbeit und weniger als Bedrohung. Den Willen zur Zusammenarbeit zeigten allein die Aktionen im Rahmen der Freundschaft mit Starnberg. Er nannte als Beispiel die Sendung medizinischer Schutzausrüstung aus Hualien nach Starnberg während der Pandemie oder den geplanten Export des deutschen dualen Ausbildungssystems in die Partnerregionen in Taiwan. Diese und andere Projekte, sowie der Schüleraustausch zwischen dem Schullandheim Kempfenhausen und der Senior Highschool in Neu Taipeh Stadt, lägen derzeit aber auf Eis. Nicht wegen der politischen Lage, sondern wegen der Pandemie, wie er betont. So seien auch dieses Jahr die taiwanischen Schüler beim internationalen Jugendcamp in Possenhofen nicht vertreten gewesen.

Dieu wird aber auch dieses Jahr wieder auf Fünfseen-Filmfestival zu einem Taiwan-Empfang einladen. "Wenn jemand dort die politische Situation ansprechen will, kann er das gerne tun." Den Abend selbst wolle er jedoch nicht zu einer politischen Aktion machen. Vielmehr solle es um die Filmgeschichte Taiwans gehen. Der Empfang sei als Akt der Freundschaft zu verstehen. So sieht es auch Matthias Helwig, Leiter des Fünf-Seen-Film-Festivals: "Natürlich soll der Abend nicht zu einer politischen Aktion werden, doch in Zeiten wie diesen setzen wir ein Zeichen für die Freundschaft mit Taiwan." So werde er es auch in seiner Ansprache beim Empfang formulieren. Helwig betont, dass er dabei natürlich nicht für ganz Deutschland sprechen könne, sondern lediglich für das Film-Festival.

Auch Charlotte Han, die Ehrenpräsidentin des sogenannten deutsch-chinesischen Wirtschafts- und Kulturverbands, bedauert, dass sie nicht zum Empfang erscheinen könne. Und auch, dass sie schon seit zwei Jahren nicht mehr von ihrer Heimat Taiwan aus nach Starnberg gereist sei: "Ich vermisse die Landschaft, die netten Menschen und die guten Restaurants." Doch sie werde versuchen, im Herbst wieder nach Deutschland zu kommen. "Ein Freund ist ein Freund", sagt sie, und das habe sich nicht geändert.

Diese Freundschaft wolle man nun laut Landrat Frey wieder aufleben lassen. "Wir haben beim Antrittsbesuch Dieus bei uns bekräftigt, unsere Freundschaft weiterzuführen, auch im Angesicht der politischen Lage", sagt er. Doch Taiwan liege "leider nicht um die Ecke", man könne also nicht einfach mal eben zu Besuch kommen, wie in der offiziellen Partnerregion Bad-Dürkheim in der Pfalz. Doch der kulturelle Austausch sei immer stark gewesen, wie jedes Jahr beim Fünfseen-Filmfestival. Doch dabei soll es nicht bleiben. Er hielt es auch für möglich, künftig einen ökonomischen Austausch von Know-How oder sogar Experten über die Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung im Landkreis Starnberg (GWT) zu fördern - und zwar ganz unabhängig davon, welchen rechtlichen Status Taiwan auf internationaler Ebene hat. Da sind sich alle Beteiligten einig.

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