ÖPNV im Landkreis Landsberg:Dießen steigt beim Anrufsammeltaxi aus

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In allen Kommunen im Landkreis Landsberg werden künftig solche AST-Haltestellenschilder zu finden sein - außer in Dießen. (Foto: Johannes Simon)

Neben den regulären Buslinien verbindet künftig ein Bedarfsangebot im Stundentakt die Gemeinden Utting und Schondorf mit Landsberg. In Dießen aber lehnt eine Mehrheit der Gemeinderäte die Beteiligung an den Netzkosten ab - und steht damit im Landkreis Landsberg alleine da.

Von Armin Greune, Dießen

Vom 1. April an wird am Westufer des Ammersees das öffentliche Verkehrsangebot ausgeweitet: Künftig sollen Anrufsammeltaxis (AST) das bestehende Busangebot ergänzen, die Kreisstadt Landsberg wäre im Stundentakt zu erreichen, von 6 Uhr früh bis Mitternacht, an 360 Tagen des Jahres. Das neue ÖPNV-Angebot gilt am Ammersee allerdings nur für Eching, Schondorf und Utting. Der Dießener Gemeinderat hat die Teilnahme am zweijährigen Probebetrieb mehrheitlich abgelehnt - im Gegensatz zu allen übrigen 30 Kommunen im Landkreis Landsberg.

In den vergangenen Jahren wurde dort das AST-Netz immer weiter ausgedehnt. Wer seine Beförderungswünsche mindestens eine Stunde zuvor mitteilt, wird anhand eines vorgegebenen Fahrplans an einer Haltestelle abgeholt und bis zum Ausstiegspunkt chauffiert. Auch die Nachfrage ist stetig gewachsen. Im November 2022 wurden erstmals mehr als tausend Fahrten monatlich mit dem AST zurückgelegt. Deshalb ist nun eine Ausweitung des ÖPNV-Angebots auf das gesamte Kreisgebiet geplant, für die der Landkreis die Verantwortung übernehmen muss. Bislang hatten die Stadt Landsberg und der Markt Kaufering einen örtlichen Taxiunternehmer mit dieser Aufgabe beauftragt.

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Vorerst ist für zwei Jahre ein Probebetrieb auf insgesamt 18 landkreisweiten AST-Linien vorgesehen, danach müssten die Erfahrungen daraus in einer europaweiten Ausschreibung verarbeitet werden. Zur Fahrpreisermittlung wird ein Wabensystem verwendet: Die erste Wabe kostet für Einzelnutzer drei, jede weitere einen Euro. Ein zweiter Fahrgast muss nur noch 2,50 Euro pauschal entrichten, der dritte und vierte fahren gratis mit. Maximal vier Personen können befördert werden.

Ein AST kann erst angefordert werden, wenn seit der letzten Busfahrt auf der Strecke eine Stunde vergangen ist. Von Dießen bis Landsberg (sechs Waben) würde der erste Fahrgast neun Euro, eine vierköpfige Gruppe aber nur 11,50 Euro bezahlen. Kinder unter sechs und Schwerbehinderte sind frei, für einen Sonderausstieg abseits der Haltestellen wird ein Euro berechnet. Der Landsberger Kreisausschuss votierte vergangenen Montag in nicht öffentlicher Sitzung einstimmig für das Projekt.

Hier fährt das Anrufsammeltaxi. Dießen ist im Plan nicht mehr dabei. (Foto: Taxi Kaufering/oh)

Zu diesem Zeitpunkt war Dießen allerdings schon ausgeschert, dort hatte der Gemeinderat jüngst beschlossen, auf die Teilnahme zu verzichten. Zur Begründung kamen in der Sitzung einige Einwände zur Sprache. Kritisiert wurde - neben den schwer abzuschätzenden Kosten für die Kommune - der geringe Nutzen des AST für die entlegenen Ortsteile: Laut Fahrplan kann auf dem Weg von Landsberg nach Dießen nur noch aus- und nicht mehr zugestiegen werden. Umgekehrt lässt sich zwischen Dießen und Hofstetten stets ein- aber nicht aussteigen.

Für die Anbindung von Riederau stand anfangs eine eigene Westufer-Linie zur Debatte, was aber die Nachbargemeinden mit Verweis auf die bestehende Zugverbindung abgelehnt hatten. "Dass mit der AST-Linie 13 deshalb im Grunde nur die Verbindung von und nach Landsberg am Lech gestärkt, keinesfalls aber eine Verbesserung des lokalen Nahverkehrssystems erreicht wird, stößt bei zahlreichen Marktgemeinderatsmitgliedern auf Missfallen", ist im Sitzungsprotokoll wörtlich zu lesen. Der Landkreis wiederum sieht in der Anbindung der Gemeindeteile eine Aufgabe für das Dießener Ortsbusnetz.

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Kommentar von Armin Greune

Für Fahrten mit dem AST wird dem Landkreis vom Taxiunternehmen je nach Strecke ein Pauschalbetrag in Rechnung gestellt. Nach Abzug des von Kunden entrichteten Tarifs erhält der Betreiber einen Ausgleichsbetrag, dessen Kosten Landkreis und Gemeinden zu gleichen Teilen bestreiten. Pauschal fallen etwa für eine Fahrt von Dießen nach Landsberg 75 Euro an, bei einem einzelnen Fahrgast verbliebe also ein Defizit von 66 Euro - auf Dießen kämen also im Beispielsfall 33 Euro zu. Auch wenn die Belastung für den kommunalen Haushalt von der noch unbekannten Nachfrage abhängt, rechnet die Dießener Verwaltung mit einem überschaubaren Aufwand: In der Sitzungsvorlage wurde zunächst mit vier Fahrten pro Woche kalkuliert, was sich im zweiten Quartal 2023 auf 1500 bis 1700 Euro summieren würde. Zum Vergleich: Für den Ortsbus muss die Marktgemeinde zehn Mal so viel berappen, das jährliche Defizit dafür beträgt 150 000 Euro, auch davon trägt der Landkreis die Hälfte.

Dessen ungeachtet standen im Gemeinderat den vier pro-AST-Stimmen von Holger Kramer und Miriam Anton (Grüne), Hannelore Baur (SPD) und Petra Sander (fraktionslos) 13 Ablehnungen gegenüber. Im Uttinger Gemeinderat sah hingegen Bürgermeister Florian Hoffmann das AST als "erstmalige Chance mitzumachen". Im Gemeinderat gab es nur eine Gegenstimme. Die Linie 14 verbindet die Gemeinde über Achselschwang, Finning, Westerschondorf und Schwifting mit Landsberg, auch Abstecher nach Hechenwang und Entraching sind eingeplant. Die Route von Schondorf aus nimmt ab Achselschwang den gleichen Verlauf. Dort votierte der Gemeinderat einstimmig für das neue Nahverkehrsprojekt.

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