Dießen:Symbiose zwischen Kunst und Raum

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Anna Zimmermann bei der Ausstellungseröffnung im Seerichterhaus. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Künstlerin Anna Zimmermann zeigt organisch anmutende Geschöpfe aus Ton und Porzellan im Seerichterhaus. Erstmals seit fünf Jahren ist das historische Gebäude wieder für eine Ausstellung geöffnet.

Von Armin Greune, Dießen

Sie sind wieder da: Caroline und Armin Willy, die vor zehn Jahren das historisch bedeutsame Seerichterhaus an Dießens Hauptverkehrsader erworben und es seitdem behutsam renoviert haben. Und mit der Heimkehr der Besitzer nach vier Jahren ist auch die Kunst im ehrwürdigen Gemäuer zurück: Mit einer Ausstellung der kostbaren Keramikskulpturen von Anna Zimmermann nimmt die "Galerie Seerichter" erneut den Betrieb im Erdgeschoss des Hauses Prinz-Ludwig-Straße 5 auf.

Eine in sich stimmige Entscheidung, denn Ambiente und Arbeiten scheinen sich ideal zu ergänzen und miteinander in Wechselwirkung zu treten. Die nur mit ausgesuchten Möbeln spärlich eingerichteten, archaisch schlichten Räume geben den Werken Zimmermanns den passenden Rahmen; rohe Klinkerwände und lebhaft gemusterte Holzdielenböden stehen im Dialog mit den oft organisch wirkenden Keramikskulpturen. "Einige sind schon Bestandteil des Hauses geworden", sagte Caroline Willy bei der Eröffnung der Ausstellung, die noch bis zum 2. Juli zu sehen ist.

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Zimmermann, die ihre Kunst bislang in einigen Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen präsentiert hat, sah sich in Dießen mit der ungewohnten Situation konfrontiert, statt einer leeren Galerie eine Wohnsituation vorzufinden. Und doch seien die etwa 20 Skulpturen in Zusammenarbeit mit Caroline Willy in zwei Stunden aufgebaut gewesen: "Jede Arbeit wusste schon ziemlich bald: Da gehör' ich hin", sagte Zimmermann. Hilfreich war bestimmt auch, dass sie das Haus schon zuvor "beim Wachsen beobachtet" hatte.

Kennengelernt haben sich Hausherrin und Künstlerin in Düsseldorf, wo die Willys durch den Beruf des Mannes bedingt die vergangenen fünf Jahre gelebt haben. Dort hatte auch die Galerie Seerichter, die zeitgenössische Kunst und Möbeldesignklassiker der Moderne vermittelt, vorübergehend Quartier bezogen. 2018 war am Rhein eine Ausstellung Zimmermanns zu sehen: in der renommierten Galerie von Felix Ringel, die zuvor die Meisterklassen der Professoren der legendären Kunstakademie Düsseldorf gegenüber beherbergt hatte. Die Künstlerin, die aus der Fachschule für Keramik-Gestaltung in Höhr-Grenzhausen hervorgegangen ist, war zwölf Jahre von 1996 bis 2008 freie Mitarbeiterin in Niels Dietrichs "Werkstatt für Bildhauerei", die Gestaltungsideen von Richard Deacon, Rosemarie Trockel, Heinz Mack und Otto Piene umsetzte.

"Spiegelfeld" aus gebranntem Ton und glasiert. (Foto: Arlet Ulfers)
Ihre filigranen Porzellan-Arbeiten tragen meist keine Namen. (Foto: Arlet Ulfers)
Die Musterung der Glasur dieser floralen Skulpturen auf nachtschwarzem Grund erweckt den Eindruck von Miniatur-Universen. (Foto: Arlet Ulfers)

Zimmermanns eigene Geschöpfe aus Porzellan oder gebranntem und aufwendig glasiertem Ton lassen sich in drei Kategorien einordnen. Da sind florale Gebilde, deren Form an Rafflesien erinnert, die riesigen Schmarotzerpflanzen des tropischen Regenwaldes. In ihrem Inneren aber erweckt die Musterung der Glasur auf nachtschwarzem Grund den Eindruck von Miniatur-Universen. Und die filigranen Strukturen der kleineren Porzellan-Arbeiten suggerieren Blütenblätter, die aber nicht pflaumenweich sind, sondern harte Kanten aufweisen. Die zweite Gruppe von Arbeiten umreißt Willy mit "Tierskulpturen": Sind es sich paarende Nacktschnecken mit schuppiger, genoppter Haut? Wohl beleibte Würmer im Paarungstanz? Auf jeden Fall scheinen sie in Bewegung zu sein, sie seien "an ein Zentrum gebunden, aber doch frei", findet Willy. Und dann gibt es auch noch geometrisch geordnete "Spiegelfelder", die sich waagerecht oder senkrecht arrangieren lassen. Gemeinsam ist allen von Zimmermanns Werken, dass darin Reflexion und Transmission des Lichts eine bedeutende Rolle spielen.

Im 20. Jahrhundert diente das Gebäude als Café

Geprägt wird die Ausstellung aber auch vom historischen Gemäuer: Die Geschichte des Hauses und vormaligen Sitzes der Dießener Seerichter reicht mindestens bis 1580 zurück. In der Denkmalliste wird auf das Jahr 1735 Bezug genommen, als Seerichter Franz Ferdinand von Helmberg in der Prinz-Ludwig-Straße mehrere Anwesen zusammenlegen ließ und dem Bau die barocke Ausstattung verlieh, deren ornamentaler Prunk vor allem im Obergeschoss erhalten blieb. Im 20. Jahrhundert diente das Gebäude als Café, Architekturbüro und Modedesignstudio - doch zur jüngsten Jahrhundertwende drohte andauernder Leerstand. Damals stand auch eine öffentliche Nutzung zur Debatte, was aber an den begrenzten finanziellen Mitteln der Gemeinde scheiterte. Schon die seinerzeitige Kreisheimatpflegerin Heide Weißhaar-Kiem fasste zusammen: "Ich bin überzeugt, dass es für die Kunst und die Kultur ein ideales Objekt ist."

Auch die jetzigen Eigentümer wollen einen "inspirierenden Ort für eine Art Salonkultur voller interessanter Veranstaltungen" schaffen, hieß es anlässlich der ersten Ausstellung 2017, als der Dießener Ben Goossens im Seerichterhaus vier großformatige fotografische Arbeiten vorstellte. Die aktuelle Schau sei freilich eher ein Beweis für die These, "dass große Arbeiten auch in kleinen Räumen gut funktionieren," meint Zimmermann. Man darf also gespannt sein, welche Events dort noch auf die Besucher warten.

Die Ausstellung in der "Galerie Seerichter", Prinz-Ludwig-Straße 5 in Dießen, ist nur nach Vereinbarung per E-Mail an info@galerie-seerichter.de oder telefonisch unter 0170-8188831 zu sehen.

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