Coronavirus-Krise:Die Geldnöte der kleinen Selbständigen

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Goldschmiedin Anja Kuse braucht zur Überbrückung der Corona-Krise einen kleinen Dispokredit. Doch den habe ihre Hausbank in Krailling abgelehnt, sagt sie. Die Absage stehe im Widerspruch zu den Versprechen der Politik.

Von Astrid Becker, Krailling

Bis vor wenigen Wochen war das Leben von Anja Kuse noch vergleichsweise normal. Sie hat seit vielen Jahren eine kleine Goldschmiede-Werkstatt mit Laden betrieben, anfangs in Gräfelfing, dann in Krailling und seit etwa eineinhalb Jahren in Pasing. Neben den Auftragsarbeiten, die sie für schmuckbegeisterte Kunden übernimmt, bot sie über die Volkshochschule Planegg Goldschmiedekurse an - mit Erfolg. Zumindest theoretisch. Denn mit dem Corona-Virus änderte sich das Leben der 50-Jährigen dramatisch. Sie darf weder ihr Geschäft öffnen noch ihre Kurse abhalten. Die Folgen: Um Miete und die Fixkosten decken zu können, braucht Anja Kuse schnell liquide Mittel. Doch das ist nicht einfach.

Bei der Kraillinger Filiale der Kreissparkasse wollte die Goldschmiedin Anja Kuse einen Kredit. Doch sie habe eine Absage kassiert, sagt sie. (Foto: Privat)

Wie Anja Kuse dürfte es vielen Kleinunternehmern, Gewerbetreibenden und Freiberuflern gehen. Zwar haben Freistaat und Bund schnelle Hilfen versprochen, doch in der Praxis dauert es, bis Geld ankommt. "So etwas muss ja auch bearbeitet werden, und Anträge auf diese Soforthilfen stellt ja jeder", meint Anja Kuse. Weil sie ihren Vermieter nicht vertrösten will, wendet sie sich mit Hilfe ihres Mannes Rudolf Müller, einem Kaufmann und Betriebswirt, an ihre Hausbank, die Kraillinger Filiale der Kreissparkasse München-Starnberg-Ebersberg. Seit Jahrzehnten ist sie dort Kundin, erst privat mit etwa acht Jahren mit einem Sparbuch, seit 1992 auch als Freiberuflerin. Nie, so erzählt ihr Mann, der sich mittlerweile um die Finanzen seiner Frau kümmert, habe es größere finanzielle Probleme gegeben, das Geschäft seiner Frau sei über die Jahre hinweg immer stabil gewesen. "Darauf war ich auch immer stolz", sagt Anja Kuse. Einen Dispokredit habe sie nie in Anspruch genommen: "Das wäre auch sinnlos gewesen; so etwas hätte diese Bank Gewerbetreibenden wie mir doch sicher gar nicht bewilligt."

Aber jetzt, mit Corona und den damit verbundenen Liquiditätsengpässen, folgt das Paar dem Aufruf an Selbstständige, Soforthilfe zu beantragen und sich mit ihrer Hausbank in Verbindung zu setzen. Doch bevor die beiden den Wunsch nach einem Dispokredit in Höhe von 1000 bis 3000 Euro überhaupt vorbringen können, erhalten sie schon eine Absage, wie sie erzählen: "Schroff sagte man uns, das sei unmöglich, weil der Vorstand der Bank angeordnet habe, derzeit keine Kredite für Gewerbetreibende einzuräumen." Eine Haltung, die das Paar nicht nachvollziehen kann: "Das steht in komplettem Widerspruch zu den Ankündigungen und Leitlinien der Politik", sagt Müller. "Müssen damit jetzt alle Freiberufler rechnen?"

Die Goldschmiedin fertigt Schmuckstücke nach eigenem Design an. Ihr Laden ist derzeit geschlossen. (Foto: Nila Thiel)

Bei der VR-Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg angeblich nicht. Dort will man zwar die Konkurrenz nicht kritisieren und Einzelfälle via Ferndiagnose beurteilen, aber: "Bei uns wird jeder Fall individuell betrachtet", sagt Sprecher Johann Oberhofer. Konkret suche man nach schnellen Lösungen: "Das heißt: Wenn der Kunde sich an uns wendet, prüft man, was für ihn in Frage kommt. Etwa ein größerer Überziehungsrahmen als bisher, der später über die avisierten Soforthilfen wieder gedeckt werden kann", so Oberhofer. Denn es sei schon "ein bürokratischer Akt", bis dieses Geld bei den Betroffenen eintreffe. "Auch wenn wir derzeit keinen Schalterbetrieb haben und die Beratung telefonisch erfolgt, unterstützen wir unsere Kunden. Wir suchen ihnen die richtigen Formulare heraus und drucken sie auch aus", sagt er. Trotzdem: Vor Mitte April würden die Hilfen über die Kreditanstalt für Wiederaufbau kaum ausgezahlt werden. Aber natürlich müssten die Kunden die Zeit bis dahin finanziell überbrücken können: "Da sind wir Banken jetzt gefragt."

Bei Anja Kuses Hausbank, der Kreissparkasse, sieht man das ähnlich. Sagt zumindest eine Pressesprecherin. "Selbstverständlich suchen wir nach individuellen Lösungen", versichert Marion Neupert. Gerade Selbstständige und Freiberufler zählten dort zu den Kunden, es sei also gar nicht im Interesse der Bank, diesen Menschen nicht zu helfen, sagt sie. Von einer Anweisung vom Vorstand, Gewerbetreibenden keine Überziehungskredite zu gewähren, will sie auch nichts wissen: "So etwas gibt es bei uns nicht. Wenn das wirklich so gelaufen ist, ist das ein Fehler. Vielleicht ein Missverständnis." Ein Missverständnis, das der Goldschmiedin Anja Kuse aber die Existenz kosten könnte.

© SZ vom 27.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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