Bundesliga am Ammersee:Wie die Herrschinger ihre Volleyballer von Sieg zu Sieg jubeln

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Immer wieder kommen 1000 Zuschauer in die Nikolaushalle, um die Klatschpappen zu schmettern. Der selbst ernannte "Geilste Club der Welt" bietet ihnen eine große Show.

Von Astrid Becker, Herrsching

Wenn der König kommt, tobt das Volk. In voller Montur marschiert er auf, ausgestattet mit den Insignien seiner Macht: der Krone, die er stolz auf dem Kopf trägt, einem roten Polyestermäntelchen um die Schultern und - statt eines Zepters - einem Mikro in der Hand. Denn ohne dieses Gerät wäre der König nicht zu hören. Zu laut ist es in der Nikolaushalle in Herrsching, wenn die Fans ihre Klatschpappen auspacken und diese im Takt des Regenten in die Hände schmettern. Der König ist der Hallensprecher: Alexander Tropschug heißt er mit bürgerlichem Namen und verdient sein Geld im wirklichen Leben als Leiter einer IT-Abteilung bei einem Telekommunikationsunternehmen. Seine Passion jedoch ist die Bundesliga-Volleyballmannschaft der Herren im TSV Herrsching - oder schlicht "Der geilste Club der Welt (GCDW)".

In die Nikolaushalle in Herrsching passen nur 1000 Fans. (Foto: Nila Thiel)

Tatsächlich nennt sich diese Mannschaft schon seit mehr als einem Jahrzehnt so. Den König aber gibt es erst seit das Team nach einem Durchmarsch in der ersten Bundesliga gelandet ist. Also seit 2014. Angefangen hatte das mit einem einzigen Gag, "weil aber der Mensch etwas Wiederkehrendes braucht", setzt er sich immer noch die Krone auf, sagt Tropschug, der auch im Ammerseer Bauerntheater spielt. Mit dem König in der Halle hat er jetzt eine Hauptrolle im Herrschinger Volleyball-Märchen übernommen. Der 47-Jährige trägt maßgeblich zur Berühmtheit der Mannschaft in der Liga bei - und bestimmt auch ein bisschen zum Erfolg.

Der "Geilste Club der Welt" hätte gern eine größere Arena, um seine Siege zu feiern. (Foto: imago/Sebastian Wells)

Denn nur wenige Vereine heizen die Stimmung in ihren Hallen so an wie die Herrschinger. Beispiel Friedrichshafen, der nächste und bisher ungeschlagene Gegner des GCDW am Samstag. Obwohl der Verein die Tabelle anführt und über einen Etat von zweieinhalb Millionen Euro verfügt, wird dort einfach nur Sport getrieben. Beim Sechstplatzierten Herrsching hingegen, mit einem Budget von 250 000 Euro ein Winzling in der Liga, wird genau das groß geschrieben.

Zum Erfolg trägt auch Hallensprecher Alexander Tropschug als König und Anheizer bei. (Foto: TSV Herrsching/OH)

Fans hat der "Geilste Club der Welt" eine ganze Menge, auch wenn er gar keinen eigenen Fanclub hat. Das braucht er aber gar nicht. Längst gilt ein Heimspiel in der 10 000-Einwohner-Gemeinde als gesellschaftliches Megaevent. Die Nikolaushalle mit 1000 Plätzen ist regelmäßig ausverkauft. Die Hälfte von ihnen hat von Volleyball gar keine Ahnung, sagt André Bugl, der fürs Marketing zuständig ist. Für Tropschug sind es sogar noch mehr: "Ich schätze an die 70 Prozent." Das merke er an der Reaktion des Publikums zum Beispiel auf Schiedsrichterentscheidungen, die er als Hallensprecher nicht kommentieren darf: "Das wäre ja unfair." Wobei er sich manchmal schon fragt, wo bei der Stimmungsmache die Grenze zwischen Fairness und Unfairness verläuft. Denn für die Gegner dürfte die Show durchaus einschüchternd wirken, zumal sie bisweilen selbst zur Zielscheibe des Spottes werden.

PR-Mann André Bugl im Fanshop des Vereins. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Hachinger Alpenvolleys zum Beispiel. Beim Derby am Ammersee vor drei Wochen zog der König den österreichischen Kaiser in einem Käfig hinter sich her. Der Gefangene musste ein Schild hochhalten, auf dem "Tausche Punkte gegen Bier" geschrieben stand. Gleich mehrere Anspielungen verbargen sich hinter dem Gag. Beim jüngsten Pokalspiel in Unterhaching war nach kurzer Zeit das Bier ausgegangen. Dann ist da die Besonderheit der Hachinger, die genau genommen eigentlich Innsbrucker sind, aber mit einer sogenannten Wildcard in der deutschen Bundesliga spielen dürfen. Im Fußball wäre das undenkbar, im Volleyball und im Basketball ist es mittlerweile möglich - und wohl auch mit Geld verbunden.

Um die Finanzen geht es wohl aber auch bei den Herrschingern. Da ist nicht nur die neue, für die Bundesliga taugliche Halle, die sie sich wünschen, aber vorerst wohl nicht bekommen werden. Da ist der Etat, den sie gern von 250 000 Euro auf eine halbe Million verdoppeln würden - was wahrscheinlich nur mit Hilfe neuer Sponsoren gelingen dürfte. Da sind der ein oder andere Spieler, den man gern für ein höheres Gehalt als bisher verpflichten würde. Und da ist die Hoffnung, vielleicht auch einmal ein wenig Geld zurückzubekommen, das in den "Geilsten Club der Welt" privat investiert wurde. Immerhin gibt es seit 2014 auch eine "GCDW Home of Volleyball GmbH" mit mittlerweile drei Gesellschaftern: dem Volleyball-Abteilungsleiter beim TSV, Friedrich Frömming, dem Bundesligatrainer Maximilian Hauser und dem PR-Mann André Bugl. Insgesamt 25 000 Euro haben die Drei investiert, um die Spiele zu organisieren, zu veranstalten, zu vermarkten, Lizenz- und Rechteverhandlungen zu führen, Spieler einzukaufen und Verträge auszuhandeln. "Bisher jedoch verdienen wir damit nichts", sagt Bugl, der kreative Kopf des Ganzen. Der Marketingmann kümmert sich um die Trikots - der "Geilste Club der Welt" tritt in einem Lederhosen-Outfit an - oder um Fanartikel wie Magnesium zum Sprühen oder um die Frage, welcher Geschichte die Show sich diesmal annimmt. "So etwas fällt uns dann nachts um eins kurz vor dem Spiel ein", erzählt auch Alexander Tropschug.

Was er am Samstag anstellen wird, verrät er nicht. "Das wissen ja nicht mal die Spieler". Aber eines sagt er dann doch: Es werde auf den Sieg gegen den Deutschen Meister Berlin Bezug genommen, bei dem der Verein ins Pokal-Halbfinale eingezogen ist. Natürlich wird sich Tropschug dafür wieder das Mäntelchen umlegen und die Krone aufsetzen. Ehrenamtlich übrigens. "Auch wenn manche glauben, ich würde damit einen Reibach machen: Als Lohn gibt es nur ein Bier und eine Wurstsemmel." Und mit Sicherheit wieder tosenden Applaus.

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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