Vielleicht ist der Salat schuld daran. An dem Gedanken, dass etwas anders ist als zuvor. Bestellt ist ein Caesar-Salat mit Huhn, Parmesan, Croûtons und Kirschtomaten. Auf den Tisch kommen ein paar Blätter Kopfsalat und etwas Salatgurke mit ein paar Würfeln Roter Bete und Hähnchenfleisch. Immerhin das Huhn fehlt nicht. Ansonsten hat die gesunde Kost für 15,40 Euro mit Caesar-Salat herzlich wenig gemein. Nach den Feiertagen sei der Salat ausgegangen und neuer bisher nicht geliefert worden, sagt die junge Frau mit den rotblonden Haaren und gibt als Entschuldigung einen Espresso aus. Sie habe vergessen, darauf hinzuweisen.
Das dürfte ihr eigentlich nicht passieren. Ihr Name ist Christina Bernklau. Zusammen mit Gianni Tessmer hat sie das "Strandhotel Berg" am Starnberger See übernommen, wie sich allerdings erst später herausstellt. In der Gastronomie im Fünfseenland ist Bernklau keine Unbekannte: Sie führt beispielsweise seit 2020 das Casino des Bayerischen Yachtclubs in Starnberg und ein Catering-Unternehmen namens "Essens Engel Gastronomie GmbH". Seit Ende November ist sie Wirtin im "Strandhotel Berg"; zusammen mit Gianni Tessmer, dem Sohn von Andreas Tessmer, der das Lokal erst im Februar zusammen mit Thomas Frey von der "Seestub'n Percha" eröffnet hatte.
Die beiden Männer hatten das Haus in Berg direkt am Seeufer von der Augustiner Brauerei gepachtet, die es mitten in der Pandemie im Jahr 2021 übernommen und dann aufwendig saniert hatte. Eine gastronomische Perle sollte es werden, so die Vorstellung der Brauerei. Doch schon der erste Versuch ging schief: Die Fürstenfeldbrucker Mahavi Group hatte das einstige "Hotel Schloss Berg" nach nur etwas mehr als einem Jahr wieder abgegeben. Und auch unter der neuen Führung seit Februar 2023 von Frey, Tessmer und ihren Ehefrauen Nathalie Frey und Angelique Tessmer lief es offensichtlich nicht rund.
Donnerstagmittag am Starnberger See. Bis auf die Sache mit dem grünen Salat statt des Caesar Salats wirken die Gäste zufrieden. Der Service ist aufmerksam und freundlich, das Essen, etwa der Schweinebraten, der vorbeigetragen wird, sieht appetitlich aus. Immer wieder öffnet sich die Tür, Hungrige und Durstige kommen herein. Viele Tische sind besetzt, Christina Bernklau und Gianni Tessmer finden aber für jeden Gast noch einen Platz. Das Lokal mit seinen vier separaten Stuben und etwa 280 Sitzplätzen ist schließlich groß genug. Auf der Terrasse im ersten Stock stehen im Sommer noch einmal etwa 350 Plätze bereit. Das Geschäft soll auch gut gelaufen sein, heißt es.
Trotzdem: Am 7. November geht beim Amtsgericht in Weilheim der Antrag auf Insolvenz der Betreiberfirma des Strandhotels Berg ein, der Gastroamsee GmbH. Gestellt wird der Antrag aber nur von einem der beiden Geschäftsführer, von Thomas Frey. "Ich musste die Reißleine ziehen", sagt er. Schon im Sommer habe er aussteigen wollen, weil es nicht so gut gelaufen sei. Und das klingt so, als ob er damit nicht nur finanzielle Aspekte meint. Mit seinem Geschäftspartner, so sagt er dann noch, habe er sich darüber nicht einigen können: "Daher dann der Antrag im November".
Kurz vor Weihnachten, am 22. Dezember, bestellt das zuständige Gericht in Weilheim den Rechtsanwalt Michael Verken zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Er müsse erst einmal drei Dinge prüfen, erklärt Verken: Ob überhaupt ein Insolvenzgrund bestehe, ob das Unternehmen, also die Gastroamsee GmbH fortgeführt werden könne und ob die Kosten für ein eröffnetes Insolvenzverfahren gedeckt seien: "Wäre das nicht der Fall, würde die Insolvenz mangels Masse abgelehnt", sagt Verken, der für die bundesweit tätige Kanzlei Anchor arbeitet.
Über die von Frey in seinem Antrag angeführten Insolvenzgründe äußert er sich naturgemäß nicht. In der Gemeinde Berg indes scheint man sie bereits zu kennen: Dort kursieren Gerüchte, Frey und Tessmer hätten die hohe Pacht, angeblich 28 000 Euro, kaum aufbringen können. Bei Augustiner hingegen ist man voll des Lobes: "Die haben ihre Sache gut gemacht", sagt Brauerei-Geschäftsführer Martin Leibhard. Auch von guten Umsätzen spricht er. "Was sonst noch zwischen den beiden war, da mischen wir uns nicht ein."
Nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass Augustiner ja bereits mit den ersten Pächtern ihres Strandhotels Berg Pech hatte und nun nur ein Interesse haben dürfte: Den weiteren Betrieb des Hauses möglichst durchgängig sicherzustellen. Eine aus ihrer Sicht naheliegende Lösung hat die Brauerei auch bereits gefunden. Sie hat der bisherigen Betreibergesellschaft nach Freys Insolvenzantrag fristlos gekündigt und einen Vertrag mit neuen Pächtern abgeschlossen. Das Strandhotel führen nun eben Christina Bernklau und Gianni Tessmer, der Sohn von Freys Ex-Geschäftspartner Andi Tessmer: "Der Papa ist aber auch noch mit dabei, er ist so etwas bei uns wie unser Gesicht für die Gäste", sagt der neue, junge Wirt, der sich nur eines vorgenommen hat: Das Haus wieder zu seinem einstigen Glanz zurückzuführen, wie er sagt. "Unter dem früheren Wirt Erich Hirt, in Schlosshotel-Zeiten, ist es ja super gelaufen."
Thomas Frey indes will sich jetzt wieder ganz auf seine "Seestub'n" in Percha konzentrieren. Mit den aktuellen Entwicklungen in Berg dürfte er allerdings nicht so ganz einverstanden sein. Mit Augustiner jedenfalls hat er seine geschäftlichen Beziehungen beendet. Sein neuer Bierlieferant in Percha ist das Herzoglich-Bayerische Brauhaus Tegernsee.