Bahn:Um Monate verspätet

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In Stockdorf ist der Bahnhof ausgebaut worden. Barrierefrei ist er aber noch lange nicht, obwohl das im Oktober gefeiert wurde. Wann der dafür nötige Aufzug kommt, ist unklar.

Von Michael Berzl

StockdorfEigentlich sollte die Schlepperei nun ein Ende haben. Bequem sollte es mit einem neuen Aufzug vom neuen Zugang hinauf auf den Bahnsteig in Stockdorf gehen. Doch wo der Eingang zum Lift sein sollte, befindet sich immer noch eine Bretterwand. Und so schleppt die zweifache Mutter Jasmin Unger aus Stockdorf weiter, wie sie es seit Jahren gewohnt ist. Diesmal packt sie gleich den Kinderroller zusammen mit ihrem zweijährigen Sohn Leopold und trägt sie die Treppe hinunter. "Heute geht es ja noch", sagt sie, "sonst bin ich mit zwei Kindern unterwegs. Dann darf ich hier drei Mal rauf und runter rennen, bis die Kinder mit ihren Gefährten herunten sind." Umso mehr empfindet sie es geradezu als Hohn, dass die Barrierefreiheit des Bahnhofs schon im Oktober groß gefeiert wurde. Damals hat die Bahn angekündigt, dass der Aufzug zum Bahnsteig im Januar in Betrieb gehen soll. Doch daraus wird nichts.

Der angekündigte Termin für die Inbetriebnahme sei nicht zu halten, teilte ein Bahnsprecher am Donnerstag der SZ mit. Es liege keine verlässliche Zusage des Aufzug-Herstellers für einen Liefertermin vor. "Deshalb verzichten wir darauf, einen neuen Inbetriebnahmetermin zu veröffentlichen", erklärte er. Derlei Probleme gebe es derzeit auch an zahlreichen anderen Bahnhöfen. Deutschlandweit gebe es nur wenige Herstellerfirmen, die wegen des derzeitigen Baubooms in Lieferschwierigkeiten kämen. Daher müssen die Stockdorfer noch länger auf einen Aufzug zum Bahnsteig warten.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Eine Holzwand verschließt den Aufzugschacht.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ein Schild preist die Barrierefreiheit.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Provisorisch wirkt ein aus Brettern zusammengeschraubter Handlauf.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Fahrradständer reichen nicht aus.

"Das ist schade und ärgerlich", sagt dazu die Gautinger Bürgermeisterin Brigitte Kössinger, die erst durch die SZ-Recherche davon erfahren hat, dass es zu einer weiteren Verzögerung kommt. "Wenn man eine Zusage macht, muss man sie doch auch einhalten", erklärt sie. Im Rathaus gehen Anfragen wegen des Aufzugs in Stockdorf ein, auch von Menschen, die darauf angewiesen sind, weil sie in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Die muss die Bürgermeisterin nun erneut vertrösten.

Im vergangenen Sommer ist der Bahnhof in Stockdorf umgebaut worden. Die Baufirmen mussten sich sputen und oft auch nachts arbeiten, um die Beeinträchtigungen für den S-Bahnverkehr möglichst gering zu halten. Der Bahnsteig ist nun etwas höher als bisher, damit Passagiere leichter in den Zug einsteigen können. Es gibt einen neuen Zugang von der Alpenstraße her, und eigentlich sollte schon lange ein Aufzug eingebaut sein. "Zum Fahrplanwechsel am 13. Dezember sollen die Fahrgäste stufenfrei den Mittelbahnsteig erreichen", kündigte die Bahn im vergangenen April an. Seitdem verschiebt sich der Termin immer weiter. Als "Einweihung des barrierefreien Bahnhofs" wurde eine Feier mit kirchlichem Segen und Live-Musik im Oktober angekündigt, obwohl damals von Barrierefreiheit keine Rede sein konnte. Der Aufzug solle im Januar in Betrieb gehen, hieß es in einer schriftlichen Mitteilung, Bahnhofs-Manager Heiko Hamann sprach in seiner Rede dann schon vom Februar. Dem Bauamt im Gautinger Rathaus wurde nun Ende März als Termin genannt.

Anspruch und Wirklichkeit: Während ein Schild die Barrierefreiheit preist, muss Jasmin Unger Kind und Roller die Treppe hinunter schleppen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

"Den hätte man doch bestellen können, als man mit dem Bauen begonnen hat", meint ein 71-jähriger Kraillinger, der sich am Donnerstag den Stockdorfer Bahnhof angesehen und die Stelle gesucht hat, wo der Eingang zum Aufzug einmal sein soll. Bisher ist dort nur eine Spanplatte zu sehen, die den Schacht verschließt.

Das ist nicht die einzige Stelle, die fast vier Monate nach der feierlichen Einweihung unfertig aussieht. Da ist zum Beispiel ein provisorisch aus Holzbrettern zusammengeschraubter Handlauf an einer Mauer neben einer Treppe am Vorplatz. So etwas passt zu einer Baustelle, aber nicht zu einem für mehr als vier Millionen Euro modernisierten Bahnhof. Ebenfalls an eine Baustelle erinnern die rot-weißen Kunststoffabsperrungen, die neben dem Gleis eine Lücke im Metallzaun schließen.

Fahrradständer sind zwar installiert, die 40 Abstellplätze reichen aber nicht aus. So stehen die Räder insbesondere an Werktagen kreuz und quer auf dem Vorplatz und lehnen an Mauern. Mehr als 30 weitere Fahrradständer sollen noch kommen, teilt das Rathaus mit. Eine Toilettenanlage lässt die Gemeinde bauen, aber auch das dauert noch. "Das wird viel teurer und schwieriger, als wir gedacht haben. Die Arbeiten müssen wir erst neu ausschreiben", sagt Bürgermeisterin Kössinger.

"Wir sind froh, dass wir jetzt so einen schönen Bahnhof haben", sagt die Stockdorferin Maria Wall versöhnlich, aber sie weiß auch: "Für alte Leute und mit Kindern ist es schon anstrengend." Fast jeden Tag schleppt die zweifache Mutter Jasmin Unger weiterhin Kinder und Roller. Sie ist oft mit der S-Bahn unterwegs - zum See oder zum Kindergarten in Gauting zum Beispiel. Am Donnerstag kam sie gerade mit ihrem Sohn vom Arzt. Vorerst geht die Schlepperei auf der Treppe weiter. Wie lange noch, weiß niemand ganz genau.

© SZ vom 26.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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