Fröhliches Gewusel im ehemals königlichen Berger Marstall. Der eine auf der Leiter, die andere mit allerhand Aufklebern von Bild zu Bild und die nächste ganz wichtig am Telefon. Vor allem aber: überall Nackte. An den Wänden und auf Sockeln, auf den Tischen ausgebreitet, auf Papiertüten gemalt und an Wäscheleinen wie zum Trocknen aufgehängt sind Akte als Zeichnungen, Gemälde und Skulpturen zu sehen. 17 Künstler, allesamt Teilnehmer der Aktzeichengruppe des Berger Kulturvereins, haben am Mittwochnachmittag ihre Werke für die Ausstellung "Aktion" abgegeben, eine "Hängekommission" rund um die unermüdliche Lucie Plaschka hat daraus eine vielfältige, bunte, fröhliche und manchmal recht kuriose Bilderschau gemacht. Am Freitagabend wird sie für das Publikum eröffnet.
Die Zeichner und Zeichnerinnen, die sich seit vielen Jahren jeden Montagabend treffen und die Kosten für ein professionelles Aktmodell teilen, dürften die wohl aktivste Sparte des Berger Kulturvereins darstellen. Die Nachfrage ist jedenfalls so groß, dass keine neuen Teilnehmer mehr aufgenommen werden können. Wie nun die aktuelle Ausstellung zeigt, ist aber auch der Ausstoß enorm: Eingereicht wurden deutlich mehr Bilder als Platz an den Wänden zur Verfügung steht. Manche Künstler mussten deshalb einige ihrer bereits fertig gerahmten Werke wieder abtransportieren. Der schönste Teil der Ausstellung besteht aber ohnehin in den unzähligen Zeichnungen, Skizzen und manchmal auch nur Kritzeleien, die an mehreren quer durch den Raum gespannten Drahtseilen präsentiert werden.
In der Aktzeichengruppe treffen sich Menschen mit höchst unterschiedlicher Vorbildung, von der ambitionierten Hobbykünstlerin bis zum professionellen Bildhauer ist alles dabei. Und so unterschiedlich die einzelnen Mitglieder der Gruppe sind, so unterschiedlich sind auch ihre ausgestellten Arbeiten und der Anspruch, den sie an sich selbst stellen. Beim Zeichnen und insbesondere beim Aktzeichnen gilt jedoch, dass das Ergebnis meist umso besser ist, je weniger der Künstler "erreichen" will. Oftmals sind gerade die spielerischen, die ganz und gar unprätentiösen Experimente am überzeugendsten. Wem es gelingt, mit einer Linie eine kleine Bewegung, eine bestimmte Körperhaltung, eine individuelle Besonderheit einzufangen, der sollte sich darüber freuen und ganz schnell den Stift weglegen. Es sind nicht unbedingt nur die großen Könner mit der ebenso sicheren wie lockeren Hand und der richtigen Technik, denen solche Glücksmomente gelingen, sondern manchmal auch die vorsichtigen Ausprobierer mit dem suchenden, zarten Strich.
Lucie Plaschka gestattet sich nur zehn Minuten pro Bild
Um sich selbst zu disziplinieren, gestattet sich etwa Lucie Plaschka pro Zeichnung nur genau zehn Minuten. Besonders reizvoll sind ihre Arbeiten, wenn sie auf bedruckten Buchseiten entstehen: Figuren entwickeln sich aus Vorhandenem, Übermaltem und Hinzugefügtem. Der Ammerlander Bildhauer Ernst Grünwald ist ein wunderbar versierter Zeichner, der mit sparsamsten Mitteln sehr individuelle Figuren einzufangen weiß. Ein wahres Vergnügen sind aber auch die ausgesprochen humorvollen Collagen von Cornelia Teubner, die ihre schönsten Akte ausschneidet und beinahe unbekümmert inmitten einer Kuhherde vor einer oberbayerischen Bilderbuchlandschaft platziert. Für eins der bezauberndsten Exponate in dieser Ausstellung aber hat Christiane von Beckerath mit ihrer "Aktion" gesorgt: Es heißt "Otto und Enno ziehen die Nackerten an" und vereint eine Reihe von Akten in feinem Tuschestrich, die von Kinderhand mit Wachsmalkreiden eine rote Hose, einen grünen Bikini, bunte Shorts und gestreifte T-Shirts bekommen haben.
Die Ausstellung "Aktion" wird am heutigen Freitag, 1.April, um 19 Uhr eröffnet und ist nur an diesem Wochenende am Samstag von 14 bis 19 Uhr und am Sonntag von 11 bis 18 Uhr zu sehen. Am Samstag um 15 Uhr gibt es im Rahmen der Ausstellung ein Interview mit dem professionellen Aktmodell Tanja Wilking.