Barrierefreiheit sei schon seit Langem ein Ziel von Regierung, Landkreisen und Kommunen, "sie wurde aber in der Regel nicht erreicht", sagt Hans Wannenmacher, Vorsitzender des neuen Herrschinger Inklusionsbeirat. Der ehemalige Ministerpräsident Horst Seehofer habe schon vor Jahren die Barrierefreiheit für ganz Bayern bis zum Jahr 2023 prognostiziert. Doch wie fern dieses Ziel ist, zeigt nun auch ein "Barriere-Check" in der Ammerseegemeinde Herrsching. Eine Liste mit mehr als 30 Punkten hat Wannenmacher am Ende der speziellen Ortsbegehung ausgemacht, an der 25 Bürger teilgenommen hatten, darunter Rollstuhlfahrer, Senioren mit Rollator sowie kleine Kinder auf dem Fahrrad.
Unebene Gehsteige sind auch in der Vergangenheit immer wieder angeprangert worden
Das erste Manko war ein Teilbereich des Bürgersteigs von der Christian-Morgenstern-Schule bis zur Kreuzung Seestraße: "Ein noch nicht sanierter Gehweg, meist uneben und oft ausgebessert sowie mit einer Engstelle versehen", notiert Wannenmacher. Der Gehsteig bis zur Kreuzung sei viel zu schmal, "zumindest nach der Schule, wenn dieser von Schülern überfüllt ist". Ein Thema, das auch in der Vergangenheit immer wieder angeprangert wurde, ist, dass in der Seestraße nicht alle Überquerungen eine Gehsteigabsenkung haben. "Die Absenkungen sind für Garagen- und Grundstücksausfahrten geregelt, der Fußgänger ist zweitrangig", bedauert Wannenmacher. An einer Stelle war ein Baum bis zur Hälfte in den Gehweg gewachsen. Um Platz zu schaffen, müsste nicht einmal gefällt werden. Man könnte den Gehweg zur Grundstückseite hin erweitern, schlägt Wannenmacher vor. Und dann fehlten an Geschäften und Arztpraxen die barrierefreien Zugänge. Ähnlich stellt sich die Situation am Landungssteg, der Bahnhof- und Luitpoldstraße, Mühlfelder Straße sowie rund um den Bahnhofsplatz dar.
In regelmäßigen Abständen werden solche Aktionen am Ort abgehalten. Vor 13 Jahren hatte der damalige Behindertenbeirat die Gemeinderäte und den Bürgermeister in Rollstühle gesetzt, damit diese die Schwierigkeiten des Alltags am eigenen Leibe spüren konnten. 2018 hatte der Behindertenbeirat einen Ratgeber herausgegeben, um auf barrierefreie Geschäfte oder Einrichtungen, die nur über Stufen erreichbar sind, aufmerksam zu machen. Der vorletzte Kontrollgang fand 2019 mit dem Behindertenbeauftragten des Landkreises, Max Mayer, statt.
Aller Bemühungen zum Trotz - von der generellen Barrierefreiheit im Ortszentrum ist Herrsching weit entfernt. Etliche "Altlasten" befinden sich immer noch auf der Mängelliste. Der Inklusionsbeirat möchte deswegen "Tempo machen für Inklusion - barrierefrei zum Ziel". Damit die Hindernisse endlich beseitigt werden, händigt der Beirat den Hauseigentümern und Mietern Infomaterial mit Tipps für einen Umbau aus. Gerade bei privaten Hausbesitzern, die oft die Kosten scheuen, muss nämlich Überzeugungsarbeit geleistet werden. Was für einen Fußgänger eine unbedeutende Stufe sei, könne für einen Rollstuhlnutzer eine unüberwindbare Hürde sein, mahnt der Beirat. Fehlende Rampen oder Bordsteinabsenkungen würden mobilitätseingeschränkten Menschen eine selbst bestimmte Teilhabe an der Gesellschaft erschweren.
Aber nicht alles ist schlecht. Einen grünen "Daumen hoch" verteilen die Teilnehmer für bereits abgesenkte Übergänge und an Geschäfte und Einrichtungen, die barrierefrei nachgerüstet wurden. Die Stufen zur Herrschinger Insel können nun mit einem Treppenlift überwunden werden und auch der S-Bahnhof ist mittlerweile barrierefrei. Das war 2012 bemängelt worden. Früher standen die Post und das Kino wegen ihrer Stufen in der Kritik. Beide Einrichtungen gibt es heute nicht mehr. Und bei der Touristeninformation gibt es zwar Stufen vor dem Eingang, aber jetzt können Rollstuhlfahrer durch ein "Kioskfenster" an der Seite bedient werden.
Immerhin: Etwas ist bereits geschehen. Zufrieden geben will sich Wannenmacher damit aber nicht. Er hat nun 2025 als Ziel für "eine gezielte Verbesserung der Barrierefreiheit" ins Auge gefasst.