Deutschlandticket:"Wenn die Finanzierung nicht mehr gesichert ist, steigen wir aus"

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Einfach einsteigen und mitfahren: Im Landkreis Starnberg ist das mit dem Deutschlandticket nach wie vor möglich. Doch der erste Kreis ist aus dem Ticketmodell ausgestiegen. Werden weitere folgen? (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Nachdem der Landkreis Stendal aus dem Ticketmodell ausgestiegen ist, ist erneut eine Debatte über dessen Finanzierung entbrannt. MVV-Chef Rosenbusch und Bayerns Verkehrsminister Bernreiter (CSU) rechnen mit höheren Kosten für die Fahrgäste.

Von Linus Freymark, Starnberg

Der Landkreis Stendal ist nicht gerade bekannt dafür, eine große Rolle in bundesweiten Diskussionen zu führen. Doch seit ein paar Tagen dominiert der größte Kreis Sachsen-Anhalts die verkehrspolitischen Schlagzeilen. Der Grund: Stendal wird zum 1. Januar aus dem Deutschlandticket aussteigen. Die Fahrkarte gilt dann nicht mehr in den sechs Buslinien in der Kreisstadt sowie den 35 Verbindungen im Landkreis. Fahrgäste müssen hierfür wieder zusätzliche Tickets kaufen. Die Kommunalpolitik begründet das mit den Kosten von rund 40 000 Euro, die der Kreis ab Januar bezuschussen müsste. Das sei wegen des wachsenden Schuldenbergs nicht mehr zu schultern. Zudem würde das Ticket gerade in dünner besiedelten Ecken der Region nicht genügend genutzt werden.

Der Schienenverkehr ist davon zwar nicht betroffen. Dennoch haben die Verantwortlichen in Stendal mit ihrer Entscheidung mal wieder eine Debatte über die Zukunft des Deutschlandtickets ausgelöst. Wie ist die Situation im Großraum München? Besteht auch hier die Gefahr, dass einzelne Landkreise aus dem Ticketmodell aussteigen? Und vor allem: Wird das Ticket ab Mai 2024 teurer?

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Starnbergs Landrat Stefan Frey (CSU) kann zumindest in einem Punkt Entwarnung geben. Aktuell sei das Deutschlandticket ausreichend finanziert, auch in den anderen Landkreisen des Verbundgebiets des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes (MVV) sei ein Ausstieg gerade kein Thema. Anders könnte das jedoch ab Mai 2024 aussehen.

Denn darüber hinaus ist die Finanzierung laut Frey nicht gesichert. "Wir fahren auf Sicht bis zum 30. April", sagt er. "Wenn die Finanzierung nicht mehr gesichert ist, steigen wir aus." Die Kommunen seien aufgrund der angespannten Haushaltslagen nicht in der Lage, Kosten zu übernehmen. "Wir können das nicht", erklärt der Landrat und sieht den Bund in der Bringschuld. "Wer so etwas initiiert, muss es letztendlich auch bezahlen", findet Frey.

Auch für MVV-Geschäftsführer Bernd Rosenbusch ist klar: Die Zukunft des Tickets steht und fällt mit dem Geld. "Bund und Länder müssen sich schnellstmöglich auf eine dauerhafte Finanzierung des Tickets einigen", erklärt er. "Die Kommunen haben dafür kein Geld." Die Defizite für die Verkehrsbetriebe, die von der öffentlichen Hand ausgeglichen werden müssen, seien enorm: Allein dem MVV würde durch das 49-Euro-Ticket ein dreistelliger Millionenbetrag fehlen, der zuvor über den Fahrkartenverkauf erzielt wurde.

"Wir fahren auf Sicht bis zum 30. April", sagt Starnbergs Landrat Stefan Frey (CSU) über die Zukunft des Deutschlandtickets. (Foto: Georgine Treybal)
Der Preis von 49 Euro ist aus Sicht von MVV-Chef Bernd Rosenbusch im kommenden Jahr nicht mehr zu halten. (Foto: Nila Thiel)

Würden weitere Landkreise dem Stendaler Beispiel folgen und aussteigen, würde dies die Grundidee des Modells konterkarieren. Zwar werde das Deutschlandticket "vor allem überregional auf der Schiene genutzt". Sei das Ticket aber in gleich mehreren Regionen nicht mehr gültig, sei "die gewünschte Einfachheit eigentlich obsolet", so Rosenbusch.

Die Sorge, dass weitere Landkreise aus dem Ticketmodell aussteigen könnten, teilt man im zuständigen Bundesverkehrsministerium nicht - und reagiert mit Unverständnis auf die Nachrichten aus Sachsen-Anhalt. Man könne "den geplanten Ausstieg des Landkreises Stendal aus dem Deutschlandticket nicht nachvollziehen", erklärt eine Sprecherin. Ähnliche Fälle seien nicht bekannt. Man wolle nun mit den Ländern sprechen und Lösungsansätze erörtern. "Ziel muss sein, dass beim Deutschlandticket kein Flickenteppich entsteht", so die Sprecherin. Weil Länder und Kommunen zuständig für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) seien, seien diese für die örtliche Umsetzung des Deutschlandtickets "besonders in der Pflicht". Bei der Finanzierung des Tickets sieht man in Berlin keinen Anlass für eine erneute Debatte. Man habe für den Ausgleich der Defizite bei den Verkehrsbetrieben für die Jahre 2023 bis 2025 jeweils 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, erklärt die Sprecherin und konstatiert: "Die Finanzierungsfragen zum Deutschlandticket sind geklärt."

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Gerade in Regionen wie dem Großraum München profitieren viele Menschen vom 49-Euro-Ticket. Deshalb darf das Modell nicht dem Streit um Zuständigkeiten zum Opfer fallen. Und: Es muss alles dafür getan werden, den aktuellen Preis zu halten.

Kommentar von Linus Freymark

Allerdings gibt es Zweifel, ob die bereitgestellten Mittel ausreichen - zum Beispiel in München: Für das kommende Jahr gelte es, "eine dauerhafte Lösung für die Finanzierung finden", sagt Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU). Viele Menschen, erst recht in den Ballungsräumen, würden von dem Ticket profitieren. Deshalb plädiert der Minister dafür, das Modell auch über den Mai 2024 hinaus anzubieten. Gleichzeitig müssten aber auch Investitionen in die Infrastruktur erfolgen. "Ein günstiges Ticket allein macht noch keinen guten ÖPNV", erklärt der Bernreiter. Allerdings käme man kaum darum herum, die Fahrgäste stärker an der Finanzierung zu beteiligen, meint der Minister und stellt mit Blick auf die Finanzierungsfrage klar: "Wir werden dabei auch über einen Preisanstieg diskutieren müssen."

Der bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) fordert eine "dauerhafte Lösung für die Finanzierung", um die Zukunft des Deutschlandtickets zu sichern. (Foto: Florian Peljak)

Auch MVV-Chef Rosenbusch blickt pessimistisch in die Zukunft. "Meines Erachtens ist der Preis realistisch nicht zu halten", sagt er. Zum einen seien durch die Inflation die Kosten für den ÖPNV gestiegen, zum anderen würden dem Bund die Mittel fehlen, um die Defizite ohne Preiserhöhungen für die Fahrgäste auszugleichen. Rosenbusch geht davon aus, dass "bis zu einer weiteren Milliarde Euro zur Finanzierung in 2024" fehlen.

Wird das Deutschlandticket im kommenden Jahr also tatsächlich teurer? Die Entscheidung darüber liegt beim Bundesverkehrsministerium. Doch genau zu dieser Frage will sich die Sprecherin nicht äußern.

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