SZ-Talentiade:"Aus dem wird was"

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Mit 27 Jahren ist Felix Schütz der einzige deutsche Profi in der osteuropäischen KHL. (Foto: Imago)

Seit 2001 hat die Süddeutsche Zeitung 100 Nachwuchssportler und Mannschaften mit dem Talentiade-Förderpreis ausgezeichnet. Träume hatten sie alle, für manche hat sich die Hoffnung sogar mehr als erfüllt. Vier Beispiele - und was aus ihnen geworden ist.

Von Stefan Galler, Andreas Liebmann, Johannes Schnitzler und Sebastian Winter

Nicht alle haben es so weit geschafft, natürlich nicht. Seit 14 Jahren zeichnet die Süddeutsche Zeitung schon besonders begabte, engagierte junge Sportler aus, und damit auch die Arbeit ihrer Vereine und Trainer. Und natürlich wollten die meisten der bislang 100 Preisträger irgendwann mal bei Olympia starten, internationale Medaillen erobern. Doch dieser Weg ist lang und voller Hindernisse, viel kann unterwegs schiefgehen. Umso schöner ist es zu verfolgen, dass doch immer mal wieder Athleten aus der Region in der Weltspitze ankommen. Hier vier kleine Beispiele, als Mutmacher für die nächste Generation.

Der Weltrekordler

(Foto: N/A)

So ganz genau kann Felix Schütz sich nicht erinnern an diesen Abend im März 2003, im alten SZ-Gebäude in der Sendlinger Straße. "Ehrlich gesagt: Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt dabei war", sagt Schütz. Die Jugend-Mannschaft des TSV Erding war deutscher Meister geworden, Alois Schloder, die Landshuter Legende, überreichte den Preis. Schütz war Dreh- und Angelpunkt des Teams. Aber an diesem Abend fehlte er - er hatte eine Einladung zur U17-Nationalmannschaft erhalten. Kurz darauf wechselte der Stürmer in die Mannheimer Nachwuchsschule und startete seine Profikarriere, die ihn von Landshut nach Nordamerika und über Ingolstadt nach Russland einmal quer über den Globus geführt hat.

Mit 27 Jahren ist Schütz der einzige deutsche Profi in der osteuropäischen KHL. Und auch wenn ihm die zweifellos schöne Erinnerung an die Talentiade 2003 fehlt, gibt es im Sportlerleben des Felix Schütz ein paar Momente, die ihn dafür entschädigen. Den 7. Mai 2010 etwa. Vor 77 803 Zuschauern in der Arena auf Schalke - damals Weltrekord für ein Eishockeyspiel - traf der Erdinger zum Auftakt der Heim-WM in der Verlängerung zum 2:1-Sieg gegen die USA: "Das war bisher das Highlight meiner Karriere."

Gleichwohl erinnert sich Schütz gern an deren Anfänge, vor allem an Hans Huber, den ehemaligen Nationalspieler, der noch hoch in seinen Siebzigern auf dem Eis stand und seine Erfahrungen an den Nachwuchs weitergab. Huber erkannte schnell das Talent des kleinen Felix, dessen Firmpate er werden sollte: "Aus dem wird was", prophezeite er der Mutter. Nachdem er als 15-Jähriger seine Heimat ("Ich liebe mein Erding") verlassen hatte, habe er schon manchmal Heimweh gehabt, "natürlich", sagt Schütz: "Aber ich hatte diesen Traum." Sebastian Schwarz und Michael Trox, zwei Teamkollegen von 2003, mussten gerade den Rückzug der Gladiators aus der Oberliga miterleben, beim TSV Erding will man sich künftig wieder mehr auf die Nachwuchsarbeit konzentrieren. Für Felix Schütz aber hat sich der Traum erfüllt. 77 803 Menschen in der Arena auf Schalke waren am 7. Mai 2010 dabei Zeugen.

Der Verfolger

Im Podiumstraining zwei Tage vor dem Wettkampf hat Lukas Dauser an seinem Lieblingsgerät alles gezeigt, was er draufhat. Die beste Barrenübung des Tages sei ihm gelungen, das hätten die Kampfrichter einstimmig so gesehen. Dummerweise unterlief ihm im Gerätefinale der Europameisterschaft vergangene Woche in Montpellier ein Schnitzer - und die Medaille war futsch. "15,3 Punkte hätten zu Silber genügt, diese Wertung habe ich schon einige Male erreicht", sagt der 21 Jahre alte Turner. Doch Dauser wirft die Flinte nicht ins Korn - das nächste Ziel sind die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro.

Eine derartige Entwicklung war selbstredend vor zehn Jahren noch nicht absehbar. Und doch hatte Verbandstrainer Kurt Szilier das herausragende Talent des damals Elfjährigen längst erkannt und ihn nach Kräften gefördert. 2005 stand er gemeinsam mit seinem damaligen Klubkollegen beim TSV Unterhaching, Jonathan Kienzle, auf der SZ-Bühne und nahm einen Förderpreis in Empfang. Mit Kienzle besuchte er damals das Isar-Sportgymnasium in München.

(Foto: N/A)

Während der Kollege mittlerweile mit dem Leistungssport aufgehört hat, blieb Dauser dran und trat als Unterhachinger Vorzeigeathlet in die Fußstapfen von Marcel Nguyen. Mittlerweile lebt der Sportsoldat in Berlin und turnt in der Bundesliga für Fabian Hambüchens früheren Verein KTV Straubenhardt. Nguyen, Hambüchen - mit beiden Olympiamedaillengewinnern versteht sich der gebürtige Ebersberger Dauser richtig gut. Was die sportlichen Leistungen angeht, ist er ist ihnen dicht auf den Fersen.

Die Konstanteste

Sabine Winter zögert, die Sache ist ihr offenbar peinlich. "Also, ich muss gestehen", sagt sie dann, "dass mein Überblick im Fußball nachgelassen hat." Sie windet sich. Die Frage lautete, ob sie immer noch "glühender Fan" der Münchner Löwen sei, wie vor zehn Jahren, als sie sich als Talentiade-Gewinnerin im SZ-Foyer mit Karl Auer ablichten ließ, damals Präsident des TSV 1860. Nun, vieles im Leben ändert sich. Sabine Winter war zwölf Jahre alt, 1,50 Meter groß, die langen Haare zum Pony geschnitten. Zwei Jahre zuvor hatte sie noch mit den Jungs des TSV Oberalting in der E-Jugend gekickt und im Kirchenchor gesungen. Vor allem spielte sie Tischtennis, war gerade zum TSV Schwabhausen gewechselt. Dass sie damit eines Tages Geld verdienen könnte, war noch nicht absehbar.

Heute, 18 Zentimeter größer, spielt Winter für den Erstligisten Kolbermoor, lebt und trainiert in Düsseldorf. 2013 wurde sie mit Petrissa Solja Doppel-Europameisterin. Und sie hat aktuell die beste Bilanz in der ersten Bundesliga, vor Solja, vor Shan Xiaona, vor Kristin Silbereisen, die alle in Weltrangliste und Nationalteam vor ihr rangieren. "Das heißt nicht, dass ich die Beste bin", sagt sie, die anderen seien bei internationalen Turnieren erfolgreicher gewesen, wo sie oft Lospech hatte. "Aber es heißt, dass ich eine ganze Saison konstant gespielt habe. Das ist schon etwas wert."

(Foto: N/A)

Ihre Spielweise ist variabler geworden, heute besitzt sie sogar eine mühsam herbeitrainierte Rückhand - für Notfälle, falls die wuchtige Vorhand mal versagt. Auch Bundestrainerin Jie Schöpp ist das aufgefallen. An diesem Donnerstag steigt Winter in einen Flieger nach Shanghai, am Wochenende darf sie bei den Einzel-Weltmeisterschaften in Suzhou starten. Gold wird sie nicht gewinnen, aber sie will international zulegen. Bei den Olympischen Spielen in London war sie Ersatz, beim Gewinn der Team-EM 2014 bekam sie lediglich einen Einsatz. Sie hat beschlossen: "Mir reicht es nicht mehr, nur dabei zu sein."

Die Befreite

Früher hätte sich Alexandra Wenk noch uneingeschränkt gefreut über jene Titel, die sie kürzlich bei der deutschen Meisterschaft in Berlin gewonnen hat. Auf ihren Paradestrecken über 50 und 100 Meter Schmetterling ließ die Münchnerin alle Konkurrentinnen hinter sich. Sie fand das "schon okay, aber ich bin noch nicht zu 100 Prozent zufrieden".

Der knapp verpasste deutsche Rekord über 100 Meter Schmetterling ärgerte sie, zugleich hat sie die WM-Norm unterboten. Wenk, die als 13-Jährige erstmals die DM bei den Erwachsenen gewann, hat mittlerweile nicht mehr die nationale Spitze im Blick, die hat sie längst erreicht. Es geht ihr darum, auch international möglichst weit nach vorne zu kommen. 2012, ein Jahr, nachdem sie Talentiade-Siegerin geworden war, wurde Wenk Staffel-Europameisterin und schwamm bei den Olympischen Spielen in London.

Ein lästiges Kapitel hat Alexandra Wenk im Frühsommer 2014 abgeschlossen: die Schule, die sie nicht selten zermürbt hatte neben dem Hochleistungssport. Das Abitur hat die 20-Jährige in der Tasche, seit diesem Sommersemester studiert die Münchnerin an der Hochschule für angewandtes Management in Erding. Betriebswirtschaftslehre an der LMU München, wofür sie sich im Herbst eingeschrieben hatte, gefiel ihr nicht so. Wenk genießt die neue Wahlfreiheit, ihre Trainer sagen, sie wirke gelöst wie selten zuvor.

Sie ist nicht mehr gefangen in minutiös durchgetakteten 14-Stunden-Tagen, an deren Ende sie im elterlichen Reihenhaus in Alt-Perlach ausgelaugt ins Bett fällt. Es ist aber nicht so, dass Alexandra Wenk jetzt nur ihr Leben genießt, Treffen mit Freunden, Shoppen, abends ausgehen, all das bleibt Luxus. "Sie nimmt sich jetzt mehr Zeit, sich auf den Sport zu fokussieren", sagt ihre Mutter Gabriela. Das heißt auch: mehr Krafttraining, mehr Physiotherapie. Aber auch mehr Regeneration.

© SZ vom 22.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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