Handball:Flinker Favoritenschreck

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So sehen Überraschungssieger aus: Nach Aufstiegsfavorit Gummersbach haben Yannick Engelmann und die Brucker Panther im HSV Hamburg auch den Tabellenführer düpiert. (Foto: Günther Reger)

Der TuS Fürstenfeldbruck düpiert nach Gummersbach auch den Tabellenführer HSV Hamburg und verlässt dank des 29:27-Triumphes den letzten Tabellenplatz.

Von Heike A. Batzer und Ralf Tögel, Fürstenfeldbruck

Timm Schneider hatte einen Wunsch: "Hoffentlich spielen sie gegen Hamburg genauso wie gegen uns." Der ehemalige Handball-Nationalspieler in Diensten des VfL Gummersbach äußerte diesen nach der Niederlage des zigfachen deutschen Meisters in der Wittelsbacher Halle zu Fürstenfeldbruck - mit Blick auf das Meisterschaftsrennen in der zweiten Bundesliga. Denn neben den Oberbergischen peilt auch der ehemalige Champions-League-Sieger HSV Hamburg den Aufstieg in die Beletage an. Wie ernst es die Hanseaten meinen, zeigen schon die bisher feststehenden Zugänge für die kommende Spielzeit: Nationaltorhüter Johannes Bitter kommt vom TVB Stuttgart, Ex-Nationalspieler Manuel Späth vom Champions-League-Klub Porto und Nicolai Theilinger vom Erstligisten Göppingen.

Alles kein Grund für den TuS Fürstenfeldbruck, in Ehrfurcht zu erstarren, vielmehr erfüllten die Panther am Freitag den dringenden Wunsch des Gummersbacher Kapitäns und düpierten dank einer herausragenden Leistung auch den Tabellenführer. Dank des 29:27 über Hamburg hüpfte der TuS auf den vorletzten Platz und hält Anschluss an die Nichtabstiegszone.

"Das hat Spaß gemacht", sagte Abwehr-Routinier Tobias Prestele

Noch wichtiger freilich war die Extraportion Selbstvertrauen, die sich der TuS mit diesem Überraschungserfolg in die geschundenen Leiber pumpte. Denn im Gegensatz zu den Gästen sind die Brucker bekanntlich keine Profis, allemal aber hoch ambitionierte Amateure. "Wir haben noch lange nicht aufgegeben", sagte der überragende Brucker Spielmacher Falk Kolodziej, der gekonnt die Fäden im Angriffsspiel des TuS zog und mit neun Treffern bester Werfer des Abends war. Trainer Martin Wild betonte aber, dass der Triumph Resultat einer "geschlossenen Teamleistung" war, anders wäre ein Gegner vom Format des HSV nicht zu bezwingen. Was auch Gäste-Trainer Torsten Jansen, seines Zeichens ehemaliger Welt- und Europameister, anerkannte: "Gratulation an Fürstenfeldbruck zu dieser Leistung und dem verdienten Sieg."

Vor allem die Abwehr, mit der sich der HSV nach den Worten des Trainers "eine Woche lang befasst" habe, stellte für den Primus eine nicht zu überwindende Hürde dar. Abwehrchef Korbinian Lex, der auch noch als vierfacher Torschütze glänzte, organisierte ein schwer zu knackendes Bollwerk, hinter dem Stefan Hanemann in der ersten und Michael Luderschmid in zweiten Halbzeit zahlreiche Paraden zeigten. "Das hat Spaß gemacht", urteilte Tobias Prestele, der sich wie die Kollegen mit hohem Einsatz in jeden Zweikampf warf.

Überragender Regisseur: Falk Kolodziej zog die Fäden im Spiel der Panther und glänzte mit neun Treffern. (Foto: Günther Reger)

Der TuS legte fast über den gesamten Spielverlauf vor und enteilte auf bis zu vier Tore, doch die Hanseaten schafften zur Pausensirene den 14:14-Ausgleich. Längst war die Gewissheit in den Panther-Köpfen gereift, auch diesen Favoriten knacken zu können, schon das Hinspiel war ja sehr unglücklich 26:27 verloren gegangen. Nach dem Wechsel stellten die Gastgeber schnell klar, dass sie nicht gewillt waren, sich erneut den Lohn für eine Klasseleistung nehmen zu lassen. Dabei ging die Taktik des Trainers auf: Wild ließ seine flinken Angreifer das Eins-gegen-eins-Duell suchen. Und in der Tat schafften neben Kolodziej auch Johannes Stumpf und Max Horner immer wieder Durchbrüche, zudem fand Kreisläufer Julian Prause zu alter Stärke und erzielte vier Tore. Weil auch Yannick Engelmann mit sechs wuchtigen Treffern aus dem Rückraum überzeugte, fiel es der Hamburger Defensive schwer, sich auf das flexible und individuell starke Angriffsspiel der Gastgeber einzustellen. Der HSV, der keineswegs weniger Klasse im Kader hat, kämpfte sich zwar nochmals auf 26:27 heran, die Brucker Entschlossenheit war indes nicht mehr brechen. Zupass kam dem Gastgeber auch, dass HSV-Spielmacher Leif Tissier wegen eines Pferdekusses in der zweiten Halbzeit auf der Bank blieb; dass der Erfolg verdient war, gestanden die Gäste aber sportlich fair ein.

Neue Zuversicht: Der Rückstand zum ersten Nichtabstiegsplatz schrumpfte auf drei Punkte

Der Triumph des Letzten gegen den Primus war zugleich der ultimative Beleg, "dass in dieser Liga wirklich jeder jeden schlagen kann", wie TuS-Coach Wild anmerkte. "Ein, zwei Überraschungssiege", so habe man intern vereinbart, müsste Bruck landen, um die Möglichkeit auf den Klassenerhalt im realistischen Bereich zu halten. Mittlerweile kann Wild Siege gegen vier der fünf bestplatzierten Konkurrenten aufweisen, umso mehr schmerze es, "dass wir viele Punkte gegen schlechter platzierte Teams liegen gelassen haben". Allein sechs Partien hat der nun Vorletzte mit einem Tor Unterschied abgegeben. Die von der Pandemie kräftig durchgeschüttelte Tabelle ist aber kaum aussagekräftig, Schlusslicht Ferndorf ist sieben Spiele im Rückstand. Auf den ersten Nichtabstiegsplatz fehlen dem TuS nun drei Zähler, die bei elf ausstehenden Partien leicht zu sammeln sind.

Zumal in eigener Halle, der schon Timm Schneider auch ohne Zuschauer eine unglaubliche Stimmung bescheinigte. Was an einigen mit Trommeln ausgestatteten Offiziellen sowie der sehr emotionalen Mannschaft liegt. Kolodziej jedenfalls habe bei der Ansage von Spielzügen so seine Schwierigkeiten mit der Verständlichkeit gehabt. Und man stelle sich vor, so fügte er noch an, die Halle wäre voll gewesen: "Dann wäre das Dach weggeflogen."

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