Feuerwerk:"Das sind keine Späße, sondern schwere Straftaten"

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Silvesternacht am Marienplatz: Nicht immer ist so viel Platz, wenn Pyrotechnik gezündet wird. (Foto: Florian Peljak)
  • Zum vergangenen Jahreswechsel versammelten sich rund 8000 Menschen auf dem Marienplatz.
  • Bei der Silvester-Knallerei greift ein gefährliches Phänomen um sich: Feiernde schießen mit Pyrotechnik auf andere Personen.
  • Gerichte verhängen empfindliche Strafen, meist lautet die Klage auf "Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung".

Von Imke Plesch, München

Die Auswirkungen des Silvesterabends beschäftigen die Münchner Justiz noch immer: Erst Ende Februar ging erneut ein Verfahren bei der Staatsanwaltschaft München I ein, weil jemand beim Jahreswechsel 2018/19 auf dem Marienplatz Feuerwerkskörper fahrlässig oder gezielt in die Menge geworfen hat. Etwa fünf Verfahren sind bereits eingegangen, weitere könnten folgen, weil sie noch zur Bearbeitung bei der Polizei liegen.

"Das Thema beschäftigt uns" sagt Sven Müller, Sprecher im Münchner Polizeipräsidium. Das hat vor allem damit zu tun, dass immer mehr Menschen den Jahreswechsel auf dem Marienplatz feiern: Waren es im Jahr 2016 noch 5000 Besucher, kamen im darauffolgenden Jahr schon 6000. Am vergangenen Silvesterabend versammelten sich 8000 Feiernde vor dem Rathaus. Etwa 100 Polizisten waren in den vergangenen beiden Jahren im Einsatz.

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Eine, die am 31. Dezember 2017 dabei war, ist Maria E. Die 28-jährige gebürtige Irakerin kam 2015 nach Deutschland und feierte hier zum ersten Mal Silvester. Am Silvesterabend 2017 zündete sie am Marienplatz eine Rakete - als diese in ihrer Hand anfing zu brennen, ließ sie sie vor Schreck los, so dass die Rakete direkt in eine Menschengruppe flog. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. "Ein Unfall", sagt ihr Verteidiger, Maria E. habe nicht gewusst, wie der Feuerwerkskörper funktioniert. Trotzdem verurteilte sie das Amtsgericht im Januar zu sieben Monaten Haft auf Bewährung und 90 Arbeitsstunden.

18 Anzeigen wegen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion zählte die Polizei nach dem Jahreswechsel 2017/18 im Innenstadtbereich, etwa 15 Ermittlungsverfahren landeten bei der Staatsanwaltschaft, fünf davon gegen Jugendliche oder Heranwachsende. Außerdem hatten sich noch mehrere Geschädigte gemeldet, in deren Fällen aber kein Täter ermittelt werden konnte.

"Es wurden Raketen flach über den Marienplatz in Menschenmengen geschossen, Feuerwerksbatterien nicht nach oben ausgerichtet, sondern umgekippt auf den Boden gelegt, so dass die einzelnen Raketen ebenfalls quer verschossen wurden, oder Böller auf Menschen geworfen. Tatvorwurf war in diesen Fällen das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung", erklärt die Staatsanwaltschaft.

"Bürgerkriegsähnlichen Zustände" am Marienplatz

Dieser Bewertung folgten auch die Gerichte. Bei erwachsenen Angeklagten wurden sämtlich Bewährungsstrafen ausgesprochen, im Bereich von sieben Monaten bis zu einem Jahr und drei Monaten. Bei Heranwachsenden gingen die Strafen von Beratungsgesprächen über Arbeitsstunden bis hin zu Freizeitarrest. Einer von ihnen, ein zum Tatzeitpunkt 19-jähriger Iraker, gab zu, "aus Spaß" einen Böller in eine Personengruppe geworfen zu haben. Er wurde Ende Februar zu Freizeitarrest und 20 Stunden sozialer Arbeit verurteilt.

Bereits vor dem Silvesterabend 2017 hatte das Münchner Polizeipräsidium gewarnt: "In den letzten Jahren wurden wir vermehrt mit dem Phänomen konfrontiert, dass Pyrotechnik aus feiernden Gruppen heraus gezielt auf andere Personen abgefeuert wurde. Das sind keine Späße, sondern schwere Straftaten, die gravierende Verletzungen verursachen können." Trotzdem sprachen auch im Januar 2018 einige Innenstadtwirte von "bürgerkriegsähnlichen Zuständen" im Bereich Marienplatz. Im vergangenen Dezember erklärte Wolfgang Fischer, der beim Verein City Partner die Interessen der Innenstadt-Kaufleute vertritt, man habe mit den Gastronomen dort schon über Böllerverbote diskutiert.

"Es ist eine komplexe Gemengelage", sagt Polizeisprecher Sven Müller. Jedes Jahr kämen mehr Menschen auf den Marienplatz, tränken Alkohol und feuerten Raketen oder Böller ab. "Je voller es ist, desto schwieriger ist es für die Einsatzkräfte, Täter zu ermitteln oder gar festzunehmen." Damit sei auch die gesunkene Anzahl von Anzeigen am vergangenen Silvester zu erklären - nicht damit, dass weniger passiert sei. Neunmal wurde zum Jahreswechsel 2018/19 im Bereich Marienplatz und Stachus Anzeige erstattet wegen "Pyrotechnik gegen Personen". Er beobachte auch, dass ein bestimmtes "Migrantenmilieu" einen "sorglosen und unbedarften Umgang mit Pyrotechnik" pflege. Aus Gründen der Kriminalität sei ein Böllerverbot aber nicht haltbar, dafür sei die Zahl der Zwischenfälle zu gering, sagte Müller. Mit einer Gefährdungslage hatte zum Beispiel die Stadt Hannover ihr Böllerverbot zu Silvester 2018 begründet.

Überhaupt wäre ein solches Verbot schwierig durchzusetzen. Kommunen können nur sehr eingeschränkt entscheiden, ob und wo in ihrem Gebiet Böller abgeschossen werden, da dies Bundesangelegenheit ist. Dafür müsste erst das Sprengstoffrecht geändert werden, dafür ist das Bundesinnenministerium zuständig. Mehrere Anträge, unter anderem von den ÖDP- und SPD-Stadtratsfraktionen, fordern eine entsprechende Änderung, damit privates Feuerwerk in München eingeschränkt oder verboten werden kann. Die Anträge sollen in der zweiten Jahreshälfte auf die Tagesordnung des Kreisverwaltungsausschusses des Stadtrats kommen.

Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte unlängst, er könne sich vorstellen, nur noch ein zentrales Feuerwerk in der Stadt zu erlauben. Allerdings beziehen sich diese Gedankenspiele weniger auf die steigende Zahl von Zwischenfällen mit Raketen oder Böllern, sondern vielmehr auf die enorme Feinstaubbelastung und die Müllberge, die die private Böllerei in der Stadt jedes Jahr produziert.

© SZ vom 11.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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