Dass Shirin David Konzerte gibt und sich dabei Tausenden Handykameras ihrer Fans aussetzt, ist der neueste Clou in ihrer noch kurzen Karriere. Bisher behielt die Influencer-Diva die Bildhoheit über sich lieber selbst. Einen der ikonischsten, dummdreistesten Filmschnipsel, welche die rappende Webvideoproduzentin als Basis ihrer Selbstdarstellungskunst ins Netz pumpt, zeigte sie neulich im Badeanzug auf einem Jetski. Wer es nicht weiß: Das ist so eine Art Wassermotorrad für Reiche und solche, die sich das Gefühl reich zu sein, für eine Stunde im Mittelmeerurlaub mieten.
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Allerdings dümpelte Shirin David damit nicht vor der Küste von Cannes oder so, was ihrem pudernasigen Luxus-Girl-Image sicher entspräche, sondern in einem eher unterrepräsentativen Vorstadtgarten-Swimmingpool. Aber was heißt dümpeln? Immer nah am den Beckenrändern zieht sie wilde Kringel ins überschwappende Nass, wie ein Halbstarker mit dem Moped auf den Aldiparkplatz. Angefeuert vom Kameramann: "Weiter, weiter, weiter!" Sollte sie dafür keine Stuntfrau oder Videotricks genutzt haben: Applaus-Applaus! Jedenfalls ein irrer Ritt, in seiner Sinnlosigkeit nicht zu überbieten, purer Hedonismus, oder um es mit Deichkind, den Meistern am anderen, dem vergeistigten Ende der Party-Hip-Hop-Skala , zu sagen: "Leider geil!"
Shirin David ist das, worüber Deichkind (3. Dezember 2024, Olympiahalle) mit Songs wie "Auch im Bentley wird geweint" und ihrer reitbaren Riesen-Chanel-Tasche so fröhlich wie stauend herziehen. Also, wofür genau steht die 28-jährige Hamburgerin? Schwer zu sagen, denn Barbara Schirin Davidavicius, Tochter einer Litauerin und eines Iraners, hat sich mit Shirin David eine Kunstfigur erschaffen. Sie zeigt - oder versteckt - sich hinter schablonenhaftem Make-up (wie sie es anfangs als Beauty-Bloggerin lehrte), Perücken und Glamour-Outfits, was sie bisweilen wie die als Menschen verkleideten Aliens im Film "Mars Attacks" wirken lässt. Viel Attitüde, viel Plattitüde, wie sie zum Blingbling-Geschäft im Hip-Hop gehört. Zum Beispiel: das gegenseitige Anwanzen und Markenklamotten-Abfragen mit ihrem Gast, dem Rap-Kollegen Shindy, im "Dirtea Talk" (benannt nach ihrer eigenen Tee-Marke): "Sein babyblauer Bentley passt perfekt zu meiner pinken G-Klasse ..." Und erst die "pinken Versace Pumps ... Das sind facts!"
Eigene Welt mit eigenen Codes. Belanglos. Aber: Sie ist hier der Boss. Sie war es, die Shindy eingeladen hat, mit dem sie zum Start ihrer Rapperinnen-Karriere nach Löschung des gemeinsamen Videos zu "Affalterbach" Riesen-Beef (Zoff) hatte - in ihrem Talk-Terrain nun wird die Versöhnung ausgequatscht.
Sie hat den deutschen Parfümpreis gewonnen, sie hat gerade den Berliner Marketing-Preis gewonnen, sie hat Fantastilliarden Social-Media-Follower, sie feiert gerade den schönsten Schau-Kampf mit Bushido (sie finden sich beide doof), sie saß in der "DSDS-Jury", am Ratepult von Joko Winterscheid und auf dem Coach-Thron bei "The Voice", sie singt demnächst ein Pop-Königinnen-Duett mit Helene Fischer in Gottschalks allerletztem "Wetten, dass..?", kurz: Niemand kommt an Shirin David vorbei. Sie ist eine der einflussreichsten Deutschen, Botschafterin ihrer eigenen Marke. Sie macht, was sie will, weil "Ich darf das", wie sie rappt. Das ist Feminismus der Generation Z. Dazu gehört für das "Bad Bitch mit Aggressionsproblemen", wie sie sich nennt, das alte patriarchale Rollenspiel einfach umzudrehen. Wie im neuen Hit "Lächel doch mal", in dem sie die Männer mit deren Chauvi-Sprüchen anmacht: "Ich sexualisiere das Objekt in dir, Boy." Ihr großes Vorbild ist Beyoncé, Selfmade-Pop-Bossin der USA; sie gilt aber auch als "deutsche Nicki Minaj".
Und dazu gehört: Hip-Hop. "Bitches brauchen Rap", rappt sie. Sie macht das ordentlich und höchst erfolgreich: vier Nummer-Eins-Hits von "Gib ihm" bis "Hoes Up G's Down" hat Shirin David veröffentlicht, das hat noch keine hier geschafft. Dabei zu verbergen, dass sie einst Klavier, Geige und Oboe lernte, im Chor an der Hamburger Staatsoper mitwirkte und an der renommierten Ballettschule von John Neumeier tanzte, ist vielleicht ihr größtes Kunststück. Dazu braucht es manchmal einen Jetski - der als fahrbare Version auch auf Tour mitgeht.
Shirin David, Sa., 18. Nov., 20 Uhr, München, Olympiahalle