Mittlerer Ring München:Der Tunnel-Mann

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Ihn bringt nichts aus der Ruhe: Johann Wittmann hat als Projektleiter alle drei großen Münchner Ring-Tunnel errichtet. Und stets lief alles, als ob es ein Kinderspiel wäre.

Von Frank Müller und Marco Völklein, München

Johann Wittmann hat jetzt keine Zeit mehr für so etwas Nebensächliches wie ein Zeitungsinterview. Vielleicht auch einfach keine Lust. Nicht, dass er sich zu gut dafür wäre: Er hat einfach Wichtigeres zu tun. In vier Tagen, am Montag, öffnet der Luise-Kiesselbach-Tunnel. Es ist sein Tunnel.

Da mag man sich als Projektleiter im Baureferat wohl einfach nicht noch einmal hinstellen, und noch einmal erzählen, was man schon seit Jahren sagt: Wie groß, wichtig, imposant dieser Tunnel ist. Wie zielsicher sie ihn geplant haben und sowohl den Zeit - als auch den Kostenplan unterschritten haben.

Die Ruhe selbst

Wer mit Johann Wittmann eine Baustelle besichtigt, der merkt sehr schnell: Der Mann hat die Ruhe einfach weg. Vielleicht muss das so sein, bei diesem Ingenieur, der alle drei großen Münchner Ring-Tunnel errichtet hat. Der sich quasi nebenbei auch noch um die - auch nicht gerade unaufwendige - Sanierung des Trappentreutunnels kümmert oder die sicherheitstechnische Nachrüstung des Tunnels unter dem Petuelpark. Der dafür zu sorgen hat, dass Baustellen wie diese, die über mehrere Jahre laufen und bei denen immer etwas schief gehen kann und regelmäßig auch schief geht, dennoch planmäßig fertiggestellt werden.

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"Anders geht es vielleicht gar nicht", sagt ein Mitarbeiter aus dem Baureferat. "Bei solchen Projekten muss man einfach die Ruhe selbst sein. Sonst wirst du verrückt."

Wenn Johann Wittmann mit einem Journalistentrupp über seine Baustelle am Luise-Kiesselbach-Platz eilt, wie zuletzt vor ein paar Wochen, dann hat er auch nicht sehr viel Zeit. Es gibt so viel zu sehen, er ist immer vorne dran, die Pressemenschen sind so langsam: die großen Betontreppenhäuser, die ungewöhnlichen Rettungsplätze für Rollstuhlfahrer mit eigenen Sprechanlagen (es gibt keinen rollstuhltauglichen Lift), die übereinanderliegenden Fahrbahnen Richtung Norden und Richtung Osten an der Einfahrt von der Garmischer Autobahn, wo also besonders tief gebaut werden musste.

Die Lorbeeren sind für andere

Alles ist auf unprätentiöse Weise perfekt, so wie der Tunnelbauer selbst. Bei all seinen Projekten ist nichts aus dem Ruder gelaufen, alles funktionierte, als ob das ein Kinderspiel wäre. Wittmann spult alle Daten und Fakten aus dem Effeff herunter. Wenn zwischendrin ein Radiosender ein Interview machen will, erschrickt er ein wenig. Wenn die Fotografen wollen, dass er sich in Szene setzt, steht er etwas verloren auf der Riesenbaustelle.

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Die Lorbeeren werden andere einfahren, wenn der Bau am Samstag mit einem Bürgerfest eröffnet wird und am Montag dann endgültig in Betrieb geht: Oberbürgermeister Dieter Reiter und Verkehrsminister Joachim Herrmann werden ganz vorne stehen, wenn sie den Tunnel offiziell eröffnen. Irgendwo sieht man sicher auch Johann Wittmann.

Es gibt eine Szene aus dem Januar 2011, die charakterisiert Johann Wittmann ganz gut: Seit Monaten haben sich die Ingenieure des Baureferats auf diese Nacht vorbereitet. Ein riesiger Kran wurde am Effnerplatz aufgestellt, daneben ein ebenso gigantisches Tragegerüst. Die Polizei hat die Gegend großräumig abgesperrt. Selbst auf dem Mittleren Ring ruht für kurze Zeit der Verkehr. Mithilfe des Krans und des Tragegestells soll die Großskulptur "Mae West", die aus einem Unter- und einem Oberteil besteht, zusammengesetzt werden. Hunderte Zuschauer haben sich eingefunden, Fotografen sind da, Kameraleute wuseln herum. Dann aber müssen Wittmann und seine Leute das Schauspiel abbrechen. Weil es klirrend kalt ist in dieser Nacht und die Arbeiter immer wieder "Wärmepausen" einlegen müssen. Irgendwann sind sie mit ihren Kräften am Ende.

Irgendwann ist es einfach gut

Die Leute um Wittmann werden hektisch: Polizisten sprechen Kommandos in ihre Funkgeräte. Die Leute vom Baureferat fragen besorgt: "Was ist los?" "Wann geht es weiter?" Nur Wittmann bleibt ganz ruhig. "Das stemmen wir auch noch", sagt er nur. Und tatsächlich: Nach zwölf Stunden Pause setzen die Arbeiter erneut an. Spät am Abend steht Mae West auf dem Effnerplatz.

Wittmann ist ein Mann für den langen Atem, aber auch der ist irgendwann nicht mehr erforderlich. Der große Ausbau im Südwesten wird das letzte Projekt des 63-Jährigen sein. Alles, was noch folgen könnte an Tunnelbauten, liegt in zu weiter Ferne für sein Berufsleben. Vielleicht ist es auch irgendwann einfach gut. In einem kurzen Moment bei der Baustellenführung gestattet er sich ein paar nachdenkliche Sekunden. Es sei schon sehr schwierig geworden, solche Bauwerke zu planen und umzusetzen. Immer neue Vorschriften, immer kompliziertere Technik. Und schon vorbei, der Moment. Wittmann muss weiter, er hat es wieder eilig.

An dieser Animation können Sie sehen, wie sich der Verkehr an der Garmischer Straße verändern wird (eine Sekunde in der Animation entspricht etwa 31 Sekunden in der Realität): Vor dem Tunnelbau fuhren hier etwa 100 000 Fahrzeuge am Tag entlang.

Prognosen gehen davon aus, dass sich die Zahl nun auf 5000 Fahrzeuge täglich reduziert.

Grafik: Yi Luo; Konzeption: Johannes Barkhau

© SZ vom 23.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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