Schwabing:"Unser kleiner Hof darf keine Betonwüste werden"

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Über Schwabings Dächern: Im Hof an der Ecke Herzog-/Apianstraße soll - anstelle des Baums in der Mitte - nachverdichtet werden (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • In der Herzogstraße soll ein Innenhof nachverdichtet werden. Dem vierstöckigen Neubau sollen ein Spielplatz und mehrere Bäume weichen.
  • Die Lokalbaukommission befürwortet das Projekt, trotz zu geringer Abstandsfläche, anders als der Bezirksausschuss.
  • Anwohner sehen ihre Wohnqualität gefährdet, sie schätzen ihre kühle Hinterhoflunge und wehren sich.

Von Ellen Draxel, Schwabing

Schwabing hat einen Ruf zu verlieren. Mit seinen gründerzeitlichen Fassaden, viele davon denkmalgeschützt, mit den Straßencafés und dem bunten Treiben auf Plätzen und Märkten ist das Viertel eines der charmantesten Münchens. Schwabing hat aber noch eine andere Seite, eine, die Passanten in der Regel verborgen bleibt: seine grünen Innenhöfe. Für die Bewohner sind diese Oasen die wahren Schmuckstücke ihres Quartiers. In ihnen finden sich Bäume, die Schatten spenden, Spielplätze für Kinder und Ruhezonen abseits der großstädtischen Hektik.

Nun aber droht ausgerechnet solch ein Idyll zerstört zu werden. Im Innenhof der Herzogstraße 84 planen private Bauherren, einen viergeschossigen Neubau mit acht Studenten-Apartments zu errichten. Der Neubau wäre eingezwängt zwischen drei Kommunwänden und würde die Fällung mehrerer hochgewachsener Bäume bedingen. Die Bewohner sind entsetzt.

Zum Widerstand entschlossen (von links): Nicki Schuster, Andrea Ebner, Niklas Jansen mit Juno, Kaline Thyroff, Klaus Uhlmann und Bettina Schopis. (Foto: Alessandra Schellnegger)

"Unser kleiner Hof darf auf keinen Fall eine Betonwüste werden", fordern die Mieter. Im Hof wachsen neben einer Zierkirsche, einem Aprikosen- und einem Walnussbaum drei majestätische Bergahorne, die bis zu 15 Meter hoch sind und allesamt unter die Baumschutzverordnung fallen. Sie müssten bei einem Neubau weichen. Mit Efeu überwuchert ist außerdem eine Brandschutzmauer - sie, befürchten die Nachbarn, könnte bei Baumaßnahmen ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden.

"Das Grün in unserem Hof ist Lebensraum für Insekten und Marder und für Vögel wie Buchfinken, Mauersegler, Amseln, Meisen und Mönchsgrasmücken", weiß Almut Grosse-Parfuß, die im Haus an der Apianstraße 8 wohnt. Ihr Balkon thront über dem Innenhof. Die Bäume, das ist aus dieser Höhe gut zu sehen, werden nicht nur von den 29 Parteien der Anwesen Herzogstraße 84 und Apianstraße 8 als grüne Lunge wahrgenommen, sondern auch von den anderen Häusern im Karree an der Clemensstraße. Mieterin Maria Sauer ergänzt, dass es im Hof dank der kühlen Luft sogar Fledermäuse gebe. Einer Neubebauung zum Opfer fallen würde zudem ein kleiner Spielplatz, der von den Kindern beider Hausgemeinschaften genutzt wird.

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Als der Antrag auf Vorbescheid im Februar dem Bezirksausschuss Schwabing-West zur Anhörung vorgelegt wurde, lehnten die Lokalpolitiker das Vorhaben einstimmig ab. Weil die Abstandsflächen nicht zu hundert Prozent eingehalten würden, weil Bäume weichen müssten, die zur Kühlung wichtig sind. Und weil den BA-Mitgliedern unklar war, wo auf dem kleinen Grundstück Ersatzpflanzungen möglich sein sollten.

Die Lokalbaukommission (LBK) aber entschied anders als das Gremium und befürwortete den Neubau. Die Begründung: Der Baukörper füge sich in die rückwärtige Bebauungsstruktur ein, eine "ausreichende Belichtung und Belüftung" sei "gewährleistet", die Überlagerung der Abstandsflächen falle nur "geringfügig" aus. Aus Sicht der LBK ist das Gebäude für Studenten "planungsrechtlich zulässig".

Die Bewohner geben dennoch nicht auf. Am Mittwochabend besuchten viele von ihnen die Sitzung des Bezirksausschusses. Das Gremium will nun zum zweiten Mal ein Schreiben an die LBK aufsetzen, um der Behörde zu verdeutlichen, dass es nicht möglich sein könne, bei der Genehmigung von Abstandsflächen "das Recht ein bisschen zu dehnen", wie Gremiums-Chef Walter Klein (SPD) sich ausdrückte. Die Lokalpolitiker wollen den Bund Naturschutz einschalten und eruieren, ob der Innenhof, der vor Jahrzehnten vom Verein Urbanes Wohnen ausgezeichnet wurde, nicht unter Denkmalschutz gestellt werden könnte.

"Druck aufbauen" möchte auch Stadträtin Evelyne Menges (CSU). Die Rechtsanwältin ist Gründerin und Präsidentin des Vereins Tierrettung, der seinen Sitz ebenfalls in der Apianstraße 8 hat. Bei einer Realisierung des Bauvorhabens, müsste ein Kran an der Straße aufgestellt werden, um die Bauteile über die bestehenden Häuser in den Innenhof zu heben. "Das jedoch hätte zur Folge, dass wir dann noch mehr Schwierigkeiten als bisher hätten, einen Parkplatz für unsere Sankas zu finden." Gegen einen gültigen Vorbescheid, gibt Menges zu bedenken, könne man politisch sehr wenig machen, die Entscheidung der Lokalbaukommission impliziere einen Rechtsanspruch. Gemeinsam mit ihrem Parteikollegen Johann Sauerer will sie aber die Abstandsflächen-Thematik noch einmal überprüfen lassen.

© SZ vom 02.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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