Hochhäuser in Münchens Skyline:"Städtebauliche Parasiten"

Lesezeit: 3 min

Die Hochhaus-Pläne auf dem Areal der Paketpost provozieren leidenschaftliche Reaktionen: Die Mitglieder der Stadtgestaltungs­kommission sind angetan, Traditionalisten aber schäumen.

Von Alfred Dürr

Die Diskussion über den Neubau von Häusern, die die 100-Meter-Grenze nach oben deutlich überschreiten, ist eröffnet. Er freue sich, dass ein so renommiertes Architekturbüro wie Herzog & de Meuron aus Basel den Entwurf für das künftige Quartier rund um die Paketposthalle in der Nähe der Friedenheimer Brücke vorgestellt habe, sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Dass zu diesem Konzept auch zwei jeweils 155 Meter hohe Türme gehören, werde die Debatte auf jeden Fall beleben: "Die gesellschaftliche und politische Diskussion wird sicher spannend und kontrovers geführt werden." Der Standort sei gerade in Verbindung mit der denkmalgeschützten Halle und der geplanten Nutzungsmischung aus Wohnen, Kultur und Gewerbe interessant. "Im Rahmen der derzeit in Arbeit befindlichen Hochhausstudie werden wir uns ganz generell mit der Frage beschäftigen, wo und in welcher Höhe Hochhäuser im Stadtgebiet entstehen können", sagte Reiter.

Einen Vorgeschmack auf die zu erwartende neue Hochhaus-Debatte bot die Stadtgestaltungskommission am Dienstagabend. Dort wurden die Pläne für das Paketpost-Areal, das die Münchner Büschl-Gruppe entwickeln will, erstmals präsentiert. Die weithin sichtbare monumentale Halle mit ihrem bogenförmigen Dach aus den 1960er-Jahren, in der sich noch das Briefverteilzentrum der Post befindet, soll ein öffentlicher Ort für wechselnde Aktivitäten werden. Herzog & de Meuron setzen in die Nachbarschaft der neuen Quartiersblöcke und der Halle, deren Grundfläche so groß wie der Platz vor der Oper ist, die zwei Türme. Darin sollen Büros, Hotels und Wohnungen untergebracht werden. Ein zentraler Aspekt ist, dass die Hochhäuser die bislang geltenden Maßstäbe für neue Projekte sprengen.

Es freue ihn sehr, dass die Halle als Denkmal auch in der Zukunft bewahrt werde, sagte Generalkonservator Mathias Pfeil vom Landesamt für Denkmalpflege. Allerdings hätten die Dimensionen der Türme "massive Auswirkungen auf die Umgebung" - vor allem in der Sichtachse vom Nymphenburger Schloss über das Rondell. Pfeil schlug vor, statt der beiden Hochhäuser mehrere niedrige "Hochpunkte" um die Halle anzuordnen.

Dem widersprach Architekt Pierre de Meuron entschieden: "Wir können im Umfeld der monumentalen Halle keine anonyme Ansammlung von Häusern planen, die überall stehen könnten." Landschaftsarchitekt Peter Wich, Mitglied der Stadtgestaltungskommission, unterstützte dies: Mehrere Hochpunkte würden das gesamte Konzept für das Quartier "verwässern".

Stadtbaurätin Merk ist für die Hochhäuser, ein Landtagsabgeordneter wehrt sich

Architektin Karin Schmid sieht die Höhe der Türme in dem Quartier als "total unproblematisch". Ihr Kollege Christoph Sattler bezeichnete das Zusammenspiel von Halle und Türmen als "gelungene Form". Nicht beantwortet wurde die Frage, die Architekt Matthias Sauerbruch aufwarf: Sind die Doppeltürme wirklich etwas Besonderes oder dienen sie nur als Wertschöpfung für den Investor? Andere Redner wünschten sich Informationen darüber, wie der Masterplan für das Quartier entstanden ist und ob es auch Alternativentwürfe zu den beiden Hochhäusern gegeben hat.

Auch das wurde nicht vertieft. De Meuron verglich die beiden Türme mit Akupunkturnadeln: "Bei Menschen strahlen sie Energie in den Körper, für uns sind die Hochhäuser wie Nadeln, die Energie in den Stadtkörper bringen." Bei den Sichtachsen erkennt er keine Probleme: "München darf sich doch als eine sich dynamisch entwickelnde Stadt zeigen, in der auch Hochhäuser möglich sind."

Stadtbaurätin Elisabeth Merk befürwortet das Projekt. Die Bebauung an der Bahnachse zwischen Hauptbahnhof und Pasing werde oft als zu langweilig kritisiert. Nun biete sich die "enorme Chance", im Umfeld der Friedenheimer Brücke und des Hirschgartens, das zu einem größten Neubaugebiete der Stadt zählt, eine besondere Identität zu schaffen. Das Areal sei der geeignete Ort, um über spezielle Höhen der Gebäude nachzudenken.

Die Vertreter des Stadtrats in der Stadtgestaltungskommission hielten sich mit Bewertungen zurück. Auf Nachfrage äußerte sich der Fraktionsvorsitzende der CSU, Manuel Pretzl, positiv: "Eine ganz hervorragende Planung und ein tolles Signal für die Stadtentwicklung." München werde niemals die Silhouette von Frankfurt bekommen, "aber wo es passt, sollten richtige Hochhäuser gebaut werden". SPD-Fraktionschef Alexander Reissl sagt: "Es ist in Ordnung, dass wieder über Gebäude diskutiert wird, die höher als 99 Meter sind." Der Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper (CSU), der auch Mitglied im Landesdenkmalrat ist, wehrt sich gegen die Hochhäuser. Sie seien "städtebauliche Parasiten", die ihr Umfeld beherrschten. Bevor bei dem Projekt weitere Schritte erfolgten, müsse man die Bevölkerung und nicht den Investor in einem Bürgerentscheid fragen, ob sie diesen Weg gehen wolle.

© SZ vom 25.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

MeinungArchitektur
:Zwei Bauwerke, um München aus dem Dornröschenschlaf zu wecken

15 Jahre nach dem Münchner Hochhausstreit könnten zwei 155 Meter hohe Türme das Areal um die alte Paketposthalle neu beleben. Nie war der Zeitpunkt dafür günstiger.

Kommentar von Gerhard Matzig

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: