Munich Jewellery Week:Sprechendes Material

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Galeristin Olga Zobel Biro mit Ringen von Rothmann. (Foto: Kinga Zobel)

Seit 30 Jahren präsentiert die Galerie Biró in München Schmuck mit Avantgarde-Anspruch.

Von Ira Mazzoni, München

Seit 30 Jahren engagiert sich Olga Zobel Biró mit unwiderstehlichem Charme und sprühendem Temperament für zeitgenössische Schmuckkunst. Ihre Galerie ist längst eine international bekannte Institution. Dennoch will sie immer wieder aufs Neue gesucht und entdeckt werden. Der kleine Schauraum liegt, von hohen Bäumen wohltuend überschattet, vor der Ziegelmauer des alten Nordfriedhofs, nicht weit entfernt von der Kunstakademie, dem Museumsareal und den belebten Straßen der Maxvorstadt. Dabei wahrt die Galerie Distanz zu allem, was ablenken könnte von dem, was die Griechen einst mit "kosmos" bezeichneten: Schmuck!

Schmal und senkrecht kündet das Ladenschild unverändert von den Anfängen: Galerie Biró Kunststoff Schmuck. 1992 war das ein mutiges Signal. Olga Zobel war die Erste, die sich hierzulande auf Arbeiten ausschließlich aus Kunststoff spezialisierte. Anregungen hatte sie in den Niederlanden bekommen. Die Begegnung mit dem Künstler Paul Derrez, der 1976 in Amsterdam die Galerie Ra gegründet hatte, und mit dem Designer Gijs Bakker waren wegweisend. Auch in München hatten bereits Ende der 1960er-Jahre einige Künstler mit Acrylglas gegen geschliffene Juwelierkunst rebelliert. Anknüpfend an die leuchtenden Farbfelder Konkreter Kunst und an Pop-art zeigten Hubertus von Scal, Hermann Jünger und Gerd Rothmann, was Zeitgenossenschaft im Schmuck bedeuten kann. Schon ab 1971 gab es an der Akademie der bildenden Künste eine Studienwerkstatt für Kunststoff, aufgebaut und geleitet von der Bildhauerin Bussi Buhs. Die Arbeit der Galerie hat Buhs von Anfang an mit eigenen Werken unterstützt.

Jedes Unikat erzählt eine eigene Geschichte

Schon im zweiten Jahr fundamentierte Olga Zobel ihren Avantgarde-Anspruch mit der Ausstellung "Kunststoff - Kunst - Schmuck 1923 - 1993". Betörend und verstörend flamboyant stachen damals die Armreife und Broschen des Schotten Peter Chang in die Augen, für den Olga Zobel bald eine Einzelausstellung organisierte. Sie blieb lange seine einzige Vertreterin in Europa.

Heute firmiert die Galerie Biró als Galerie für Autorenschmuck und benutzt damit eine in München geprägte Bezeichnung für körperbezogene Artefakte, die von der Idee bis zur Endfertigung allein in den handwerklich versierten Händen der Künstlerinnen und Künstler liegen. Wenn von Autorenschaft die Rede ist, schwingt auch mit, dass jedes Unikat eine eigene Geschichte erzählt, poetisch gestimmt ist oder gar ein politisches Statement abgibt. Die Wahl eines sprechenden Materials ist dabei wesentlich.

Einer ihrer Lehrer war Schamanenforscher

Am Schauraum selbst hat Olga Zobel nichts verändert. Seit dreißig Jahren funktioniert die Einrichtung, die sie mit Freunden zusammengebaut hat und nach jeder Ausstellung frisch überstreicht. Kleine gut ausgeleuchtete Guckkastenbühnen präsentieren die Werke auf Augenhöhe, so dass ein direkter Dialog entstehen kann. "Mich interessiert Schmuck, weil mich Menschen interessieren", sagt die studierte Ethnologin. Einer ihrer Lehrer war Schamanenforscher. Daher weiß sie, welche Macht Schmuck haben kann. Für sie ist Schmuck kein Luxus, sondern gehört seit mehr als 70 000 Jahren zum Menschsein.

Gerade in Krisenzeiten sei Kunst wichtig. Schmuck drücke Liebe und Achtung aus. Deswegen machte sich Olga Zobel 1996 begleitet von Karl Fritsch auf ins zerstörte Sarajevo, in der Sporttasche eine exquisite Auswahl Münchner Autorenschmucks. Die Ausstellung dort und der Katalog, zu dem der bosnische Schriftsteller Dževad Karahasan ein berührendes Essay über die "Innere Wahrheit" beitrug, zählt die Galeristin, die schon viele Museums-Ausstellungen kuratiert hat, zu den wichtigsten Arbeiten in ihrem Leben. Es war, wie sie auf die Geschichte Karahasan anspielend sagt, ein "Handkuss der Solidarität" für eine tief verwundete multikulturelle und multiethnische europäische Stadt.

Zum dreißigsten Gründungstag stellt das Kulturreferat der Stadt München, die sich durchaus als das Zentrum des Autorenschmucks begreifen kann, der Galerie Biró einen Ausstellungsraum am Rindermarkt zur Verfügung. Dort legt Tochter Kinga Zobel, die mit neuen Formaten um ein jüngeres Publikum wirbt, während der Schmuckwoche Stücke der Künstlerinnen und Künstler vor, die die Galerie seit Langem in ihrer Entwicklung begleitet. In der kleinen Galerie selbst zeigt Olga Zobel erstmals geschnitzte Ringe von Yutaka Minegishi im Dialog mit Arbeiten des japanischen Altmeisters Shinji Nakaba, der es hintersinnig versteht, Cola-Dosen zu einer Chrysanthemen-Blüte umzubiegen - Emblem der japanischen Kaiser, Wappen jedes japanischen Passes und Symbol für Freude, Intelligenz und Energie. Es sind genau die Eigenschaften, die die unermüdliche Botschafterin für Schmuckkunst auszeichnen.

Galerie Biro, Zieblandstraße 19, während der Schmuck-Woche, Do-Sa 11-18 Uhr, Jubiläumsausstellung im Raum von Kreativmuenchen, Rindermarkt 4. Di-Fr. 11-18, Sa. 11-16. Das gesamte Programm und weitere Informationen: www.galerie-biro.de sowie munichjewelleryweek.com

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