S-Bahn München:Notfallmanager der Deutschen Bahn im Dauereinsatz

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Alois Huber rückt als Notfallmanager aus, wenn beispielsweise eine Oberleitung gerissen ist. (Foto: Catherina Hess)

Bei Störungen auf der Stammstrecke müssen Menschen wie Alois Huber vor Ort den Schaden beheben - aktuell ist das eher die Regel, als die Ausnahme.

Von Andreas Schubert, München

Eine Woche wie diese erleben sie bei der Bahn nicht so gerne. Eine Störung folgte auf die nächste. Und der dicht getaktete S-Bahn-Verkehr in und um München kommt ja schon bei kleineren Unregelmäßigkeiten für längere Zeit durcheinander. Der Montag war ein regelrechter Chaostag, bei dem zwei Züge evakuiert werden mussten. In einer S 3 waren die Passagiere zweieinhalb Stunden zwischen Pasing und Langwied im Zug eingesperrt, bis sie von der Feuerwehr befreit werden konnten. In den Tagen darauf bremsten Signal- und Weichenstörungen den Zugverkehr.

Störungen setzen bei der Bahn eine ganze Reihe an Mechanismen hinter den Kulissen in Gang. Und wenn etwas Größeres passiert, rücken Mitarbeiter aus, um den Schaden an Ort und Stelle zu managen. Doch zunächst versucht die Bahn, die Störung von der Betriebszentrale an der Donnersbergerbrücke aus zu beheben. Am Montag aber kam ein ganzes Netzwerk aus Fahrdienstleitern, Disponenten und Notfallmanagern zum Einsatz.

Frank Schlesier, zum Beispiel, hat viel Erfahrung mit Störungsmanagement. Wenn er selbst mit dem Zug zur Arbeit pendelt und dieser Zug liegen bleibt, dann weiß er in etwa, wie lange die Störung dauern wird. Der Mann ist vom Fach: Er ist der Leiter der Netzdisposition bei der DB Netz AG in München - und als solcher ist er, vereinfacht gesagt, unter anderem dafür zuständig, dass der Schienenverkehr im Störungsfall weiterlaufen kann.

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Besser über Störungen informieren? Schön und gut. Schöner und besser wäre es allerdings, Störungen zu vermeiden. Denn wenn nicht, läuft die Bahn Gefahr, das Münchner S-Bahn-Netz an die Konkurrenz zu verlieren.

Kommentar von Andreas Schubert

Und Störungsfälle sind die Regel, nicht die Ausnahme: Jeden Tag, nicht nur in der vergangenen Woche, in der im Münchner S-Bahn-Netz besonders viel los war. "Als Pendler kann ich den Ärger der Leute natürlich verstehen", sagt Schlesier. Gerade der Montag war so ein Tag: Eine Hybridlok, die sowohl mit Diesel- als auch Elektroantrieb fahren kann, hatte beim Hochfahren des Stromabnehmers bei Pasing die Oberleitung zerfetzt. In solchen Fällen heißt es in der Betriebszentrale: Ruhe bewahren und gleichzeitig schnell agieren. Wenn auf einer Strecke nichts mehr geht und die Züge stehen, schauen die Disponenten der Bahn darauf, welche Züge auf welchen Strecken überhaupt noch fahren können.

Bei Störungen blutet Frank Schlesier jedes Mal das Herz

Sie planen unter anderem Umleitungen, alarmieren die Notfallmanager, die zu jeder Uhrzeit und bei jedem Wetter zu den Störungen an der Strecke fahren müssen, organisieren Züge zum Abschleppen liegen gebliebener Fahrzeuge, geben Informationen an die Fahrdienstleiter in den Stellwerken weiter, die wiederum für die Signale zuständig sind. Zunächst muss der Verkehr auf den betroffenen Strecken erst einmal ruhen, bis geklärt ist, was überhaupt los ist. Schlesier, 44, ist seit 28 Jahren bei der Bahn. Und ihm blute bei solchen Störungen natürlich das Herz.

Wenn am Schreibtisch keine Lösung des Problems mehr möglich ist, sind Leute wie Alois Huber gefragt. Die Berufsbezeichnung des 59-Jährigen ist Bezirksleiter Betrieb und als solcher ist er Vorgesetzter der Fahrdienstleiter. Doch der Eisenbahner, dessen optisches Markenzeichen ein Cowboyhut ist, ist auch Notfallmanager. Er war unter anderem schon im Einsatz, als ein Zug mit einer Baumaschine kollidiert war und 90 Menschen verletzt wurden, oder als ein mit Lastwagen beladener Zug in Grafing entgleiste. "Als ich da ankam, war da nur ein Riesenhaufen Eisen zu sehen", erzählt Huber.

Er und seine Kollegen wissen auch, was zu tun ist, wenn ein Zug wegen einer defekten Oberleitung liegen geblieben ist. "Oberleitungsstörung ist für Notfallmanager ein Reizwort", sagt Alois Huber. Denn die Spannung in so einer Leitung beträgt 15 000 Volt, selbst wenn der Strom im Fall eines Risses schon abgestellt ist, kann noch eine Restspannung auf den Drähten liegen. Und dann wird es gefährlich.

Am Montag war Huber zwar nicht selbst am Einsatzort, er kennt solche Situationen aber aus eigener Erfahrung zur Genüge. Spätestens in einer halben Stunde ist er am Ort des Geschehens und übernimmt dort die Koordination des Einsatzes. "Die dringendste Pflicht ist, dass keiner der Helfenden zu Schaden kommt", sagt Huber. Und wenn noch Passagiere in den Zugwaggons eingeschlossen sind, ist es für diese oft das beste, wenn sie so lange dort drin bleiben, bis keine Gefahr mehr droht, etwa durch herabhängende Leitungen. Deshalb kann es eben länger dauern, bis die Fahrgäste einen defekten Zug verlassen dürfen. Die Evakuierung übernimmt die Feuerwehr, der Notfallmanager muss dieser Evakuierung aber zustimmen. "Erst wenn deren Abtransport möglich ist, darf man die Leute aussteigen lassen", sagt Huber.

Sich klar und deutlich ausdrücken können, ist wichtig als Notfallmanager

Im Fall der liegen gebliebenen S 3 vom vergangenen Montag beförderte die Feuerwehr die Fahrgäste mit einem Bus zum Pasinger Bahnhof. Die Bahn hatte als Ersatz Taxis organisiert, mit hiesigen Taxiunternehmen gibt es einen Rahmenvertrag. Das Problem ist in solchen Fällen aber, dass erst einmal ein Bus oder Taxis zur Verfügung stehen müssen. Bei der Münchner Verkehrsgesellschaft am Morgen binnen einer halben Stunde einen Bus zu bekommen, sei schwierig. Aber der Notfallmanager kümmert sich auch um diese Dinge, im Prinzip sei er die ganze Zeit am Telefonieren, sagt Huber. Da müsse man sich auch klar und deutlich ausdrücken können.

Bei festgefrorenen Weichen, wie am Ostbahnhof am Mittwoch, brauchen sie übrigens keinen Notfallmanager. Hier reicht es, wenn die Zentrale einen Techniker anruft, der dann die Weichen manuell wieder frei rüttelt.

© SZ vom 03.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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