Erfinder der Oidn Wiesn:Sachen-Sammler im Ruhestand

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Auf dem Oktoberfest trägt Florian Dering einen grünen Trachtenhut. Zum Gauklerball im Künstlerhaus schminkt er sich gerne den Kopf kalkweiß. (Foto: Catherina Hess)

Florian Dering ist der Erfinder der Oidn Wiesn und hat für das Stadtmuseum einiges aus der Schaustellerei zusammengetragen. Die Oide Wiesn nennt er schon mal "so etwas wie betreutes Wohnen im Vergleich zur normalen Wiesn".

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Florian Dering ist gut gelaunt. An diesem Mittwoch ist sein letzter Arbeitstag, das sieht er recht gelassen. "Ich bin in jetzt am Ende meines Berufslebens in der etwas skurrilen Situation", sagt er und lacht, "dass ich meine Arbeit eigentlich selber abgeschafft habe." Denn die Dinge, die er zu Beginn seiner Zeit im Stadtmuseum zu günstigen Preisen erworben hat, die sind längst nicht mehr auf dem Markt oder nicht mehr bezahlbar.

Sein Schwerpunkt war ja die Schaustellerei, in München wegen des Oktoberfests ein wichtiges Thema, und er hat diese Abteilung auch aufgebaut. Irgendwann wurde den Schaustellern, bei denen er anklopfte wegen schöner Stücke, dann aber auch klar, was für Schätze sie da eigentlich hatten. "Heute geben sie praktisch nichts mehr her", sagt Dering, "mir macht das nichts, im Gegenteil. Ich sehe das als Erfolg meiner Arbeit." Denn durch die ist offenbar ein Bewusstsein für die Schönheit der Dinge entstanden.

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Langjähriger Leiter des Museumszelts

Dieses Bewusstsein schlummert inzwischen längst nicht mehr nur im Museum am St.-Jakobs-Platz oder in dessen neuen Depots in Freimann, sondern ist seit 2010 sogar Wiesn geworden - in Gestalt erst der Historischen und später dann der Oidn Wiesn. Florian Dering gehört zu deren wesentlichen Miterfindern, wie könnte es anders sein. Niemand kennt die Geschichte des Oktoberfests so gut wie er, niemand weiß so viele Geschichten über Masskrüge oder Schießbudenfiguren oder Karussellgondeln.

Bis zu diesem Jahr leitete er das Museumszelt auf der Oidn Wiesn. Anfangs, sagt er, sei ihm fast Angst geworden, wegen der schieren Größe des Zelts. Aber dann stellte sich heraus, dass es sich doch leicht füllen ließ mit dem, was er hatte. In diesem Jahr hörte er mit der Betreuung des Zelts auf. Die städtischen Rechnungsprüfer hatten beispielsweise bemängelt, dass der Betrieb einer historischen Schießbude nicht europaweit ausgeschrieben worden war - missgünstige Menschen hatten das an die Öffentlichkeit lanciert. Da reichte es Dering. Sollten sich doch andere den ganzen Stress und den ganzen Ärger antun.

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Ein Mann mit einem Faible für milden Spott

Stolz ist er natürlich trotzdem. Zum Beispiel darauf, dass im Herzkasperlzelt jetzt auch die schwule Schuhplattlertruppe Schwuplattler auftritt. "Bei denen ist auch ein Chinese dabei. Dass heute ein schwuler Chinese auf dem Oktoberfest schuhplatteln kann - da haben wir es doch wirklich weit gebracht, oder etwa nicht?"

Der großgewachsene, stämmige Mann mit dem glatt rasierten Schädel und dem dunkelgrünen Trachtenhut hat ein Faible für milden Spott und bezeichnet sein Ziehkind, die Oide Wiesn, schon mal als "so etwas wie betreutes Wohnen im Vergleich zur normalen Wiesn". Ansonsten liebt er Geisterbahnfiguren, Wurfbuden, automatische Orgeln, alles Dinge, die er im Laufe seines Berufslebens herangeschafft hat für die Stadt München, neben seiner Arbeit für andere Ausstellungen wie etwa die über die Nazizeit in München.

Haben seine Chefs nicht manchmal gestöhnt, wenn er wieder mit einem neuen, bunt bemalten Trumm ankam? "Nein, eigentlich nie", sagt Dering, "der Christoph Stölzl und der Wolfgang Till haben mich immer unterstützt." Sie wussten ja, dass es schon seinen Sinn hatte, wenn er wieder eine besonders schöne Budendekoration gefunden hatte oder der Maschine der Steilwandfahrerin Kitty Matthieu sowie der kompletten Fassade ihres Jahrmarktsbetriebs bis nach Hamburg nachreiste, um es schließlich der Sammlung des Münchner Stadtmuseums einzuverleiben.

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Wer Dering so zuhört, wie er die ganzen Geschichten in seinem münchnerisch geprägten Tonfall erzählt, spürt die Begeisterung, die er nach wie vor für sein Thema empfindet. Dem Sohn eines Schwabinger Tapezierermeisters wurde schon früh die Wertschätzung des Handwerks vermittelt, und "das Gestalterische war mir immer sehr wichtig, gerade auch bei den Ausstellungen". Er begann an der Kunstakademie zu studieren, fürs Lehramt erst, wechselte 1978 zur bayerischen Volkskunde und promovierte schließlich mit einem grundlegenden kulturgeschichtlichen Abriss der Fahr-, Belustigungs- und Geschicklichkeitsgeschäfte.

Mehr Zeit für neue Projekte

Von da an war es nicht mehr weit ins Münchner Stadtmuseum, wo er dann von 1983 an auch geblieben ist. Offiziell ist er dort Leiter des Puppentheatermuseums und stellvertretender Direktor des Stadtmuseums, am Donnerstag ist auch das vorbei. "Meine Berufsbiografie ist nicht besonders aufregend", sagt er und grinst, "ich war immer in München am Museum."

Das ist nun ein wenig untertrieben, denn man trifft ihn ja auch viel auf Flohmärkten oder auf der Oidn und der neuen Wiesn. Das wird wohl auch so bleiben, jetzt im Ruhestand. Da hat Dering auch mehr Zeit für praktische Arbeiten in Sachen Design, um die er wenig Aufhebens macht. So stammt zum Beispiel die übergroße Wurfbudenfigur gegenüber dem Herzkasperlzelt auf der Oidn Wiesn hauptsächlich von ihm. Und wer Dering kennt, wartet jedes Jahr wieder auf seine Verkleidung zum Fasching auf dem Viktualienmarkt und zum Gauklerball im Künstlerhaus. Da schminkt er sich den Kopf kalkweiß und appliziert umfangreiche Aufbauten obendrauf: mal eine 30 Zentimeter lange Gondel, wenn das Motto "Karneval in Venedig" lautet, mal einen Totenkopf aus der Geisterbahn mit Rakete dahinter und dergleichen.

Könnte es aber sein, dass einen die Wehmut packt, wenn jetzt die Nachfolger womöglich vieles anders machen? "Ach wo!", sagt Dering, "jede Phase einer Sammlung wird doch geprägt durch ihren jeweiligen Leiter, fürs Museum gibt's ja kein Rezept." Eines darf so ein Museum halt nicht werden: museal. Dann sagt Dering noch einen Satz, der für ein Museum genauso gut gilt wie für ein Fahrgeschäft oder ein Bierzelt: "Die Gestaltung muss so sein, dass sie niemand bemerkt, aber jeder spürt, dass es genau so stimmt."

© SZ vom 30.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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