Theater:Poesie und Politik

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Faszinierende Puppen wie dieser Storch machen "Iskhalo somlambo - Der Ruf des Wassers" zum Theatererlebnis. (Foto: Jan-Pieter Fuhr)

Das Staatstheater Augsburg zeigt die zauberhafte südafrikanisch-deutsche Koproduktion "Der Ruf des Wassers".

Von Egbert Tholl, Augsburg

Lange, lange Zeit lebten die Menschen glücklich in ihrem Dorf am Fluss. Mal war es heiß, dann regnete es wieder, allen ging es gut, den Menschen und den Tieren. Dann spürte man langsam eine Veränderung. Der Regen blieb aus. Und kehrte nicht mehr zurück. Der Fluss verkümmerte zu einem Rinnsal, die Menschen hatten kein Wasser mehr. Da machte sich das kleine Mädchen auf, um Wasser zu suchen, lief viele, viele Meilen, bis es eine Nebelwolke entdeckte und hinter der Nebelwolke eine Quelle, zu der auch ein See gehörte. Das Mädchen war überglücklich, da kam aus dem See eine große Krabbe. Das Mädchen erschrak, die Krabbe jedoch gab sich gütig. Sie erlaubte dem Mädchen, so viel von dem Wasser zu nehmen, wie es tragen konnte, nur eines durfte es nie: sagen, woher dieses stammt. Denn dann würde die Quelle versiegen.

Das Mädchen lief nach Haus zu seiner Oma, kam aber nicht weit, weil es immer darbende Menschen traf, denen es das Wasser gab. Dann lief das Mädchen wieder zurück und hin und her, bis es entschied, nun reiche es endgültig, es müsse zurück zur Oma. Da traf sie wieder auf eine dürstende Frau mit einem kleinen Kind, die sie um Wasser bat. Da das Mädchen dieses aber nun endlich zur Oma bringen wollte, verriet sie der Frau die Quelle. Worauf diese versiegte.

Die einen haben Wasser, die anderen nicht - zusammen erfanden sie diese Geschichte

"Iskhalo somlambo - Der Ruf des Wassers" ist kein Märchen, trägt aber eines in sich, genauso wie einen großen Zauber. Dass die Produktion auf der Brechtbühne des Staatstheaters Augsburg überhaupt noch herauskam, ist weniger ein kleines Theaterwunder als Indiz dafür, wie wichtig allen Beteiligten das Projekt ist, dessen Fertigstellung mehr als vier Jahre dauerte, vor allem wegen Covid.

2018 herrschte in Kapstadt eine nie dagewesene Dürre, die Region stand kurz vor dem Notstand. Zur gleichen Zeit bewarb sich Augsburg um Aufnahme in die Welterbe-Liste, vor allem wegen seines bis auf die Römer zurückgehenden Wassersystems (in der Aufführung erfährt man, Augsburg habe 160 Kilometer Kanäle, Venedig nur 38).

Die einen haben Wasser, die anderen nicht, zusammen erfanden sie diese Geschichte, besuchten einander, die Leute von Ukwanda, die so schöne Puppen und ganze Städte aus Papier bauen, und die aus Augsburg. Dorothea Schroeder inszenierte dann den Abend, und er ist wundervoll. Drei Spielende aus Südafrika, drei aus Augsburg, drei Sprachen, viele Geschichten. Ein Storch trägt die Krabbe, deren Quelle versiegte, zum Wasser, bis an den Lech und zu den anderen Flussgöttern. Ins Märchen hineingeschnitten werden harte Fakten über Firmen, die Wasser ausbeuten, Schnittblumen, luxuriösen Wasserverbrauch und wie man den vermindern kann. Der Abend wirkt: Er rüttelt auf und ist Poesie gleichermaßen.

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