Die Welt hat sich radikal verändert in den vergangenen 300 Jahren, gleich geblieben aber dürfte das Vergnügen sein, das Menschen empfinden, wenn sie anderen dabei zusehen, wie sie sich lächerlich machen, einander quälen, leiden. An eine Art Dschungelcamp-Setting könnte man sich also erinnert fühlen bei Georg Friedrich Händels Dramma per musica "Flavio, Re de' Longobardi", das 1723 in London uraufgeführt wurde, ein ziemlicher Bühnenhit war, dann aber über die Jahrhunderte irgendwie in Vergessenheit geriet.
Dass dieses satirische Intrigenspiel am Hofe des Langobardenkönigs nun in der vierten Ausgabe von "Bayreuth Baroque" auf die Bühne des Markgräflichen Opernhauses kommt, ist Festivalleiter Max Emanuel Cenčić zu verdanken. Der Countertenor wird nicht nur Regie führen, sondern auch selbst mitsingen, zudem hat er in Venedig Charakterschauspieler gecastet, die er parallel zum Operngeschehen einsetzen will.
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Auch sonst haben die Bayreuther Perlenfischer und Diamantenschleifer barocker Musikkunst reichlich Erlesenes und Unerwartetes in ihrer Auslage für das Festival, das vom 7. bis zum 17. September stattfindet. Erstmals leistet man sich gleich zwei szenische Opernproduktionen, neben "Flavio" Claudio Monteverdis "L'Orfeo". Aufhorchen lässt hier weniger die Besetzung der Titelpartie mit Tenor Rolando Villazón als viel mehr die Sache mit Orfeos Kopf.
Das Werk von 1607 ist in einer Fassung von Thanos Papakonstantinou und Markellos Chryssicos zu erleben, die 2017 in Athen erstmals zu sehen war. Die beiden Griechen begeben sich zu den Ursprüngen der Orpheus-Erzählung, übersetzen sie aber gleichzeitig ins 21. Jahrhundert. Kein Happy End im Götterhimmel für Orfeo, hier wird er von den rachsüchtigen Mänaden bei einem Bacchanal in Stücke gerissen, und sein Kopf landet singend im Ägäischen Meer.
Neben den beiden Opern lockt "Bayreuth Baroque" wieder mit einer Reihe von besonderer Solistenkonzerten, mit Weltneuheiten aus den Musikarchiven: Countertenor Valer Sabadus etwa widmet sich den weitgehend vergessenen Bühnenwerken Carl Heinrich Grauns, Tenor und Komponist Daniel Behle hat für sein Programm ebenfalls Musikarächologie betrieben und Zeitgenossen Mozarts ausgegraben. Wer besondere Stimmen schätzt, freut sich zudem auf Bruno de Sá, Reginald Mobley, Véronique Gens oder Julia Lezhneva. Residenzorchester ist in diesem Jahr das Concerto Köln. Noch sind für alle Vorstellungen und das Beiprogramm Karten zu haben.
Bayreuth Baroque, 7. bis 17. Sep., Markgräfliches Opernhaus Bayreuth und andere Schauplätze. Infos und Karten unter www.bayreuthbaroque.de