Bayerisches Staatsschauspiel:Mit AR-Brille ins Theater

Lesezeit: 2 min

Das Bühnenbild der "Kopenhagen-Trilogie" wird in "Gesichter" zu sehen sein - allerdings nur digital und ohne die Schauspielerin Pia Händler. (Foto: Birgit Hupfeld)

Im Marstall lässt sich testen, wie Augmented Reality auf der Bühne funktionieren kann. Dafür liest Schauspielerin Sibylle Canonica "Gesichter" von Tove Ditlevsen. Ein Versuch im Anfangsstadium.

Von Yvonne Poppek

Die Aussicht für Sibylle Canonica muss an diesem Abend sehr sonderbar sein. Im Marstall wird die Schauspielerin am Montag, 6. Mai, auf ein Publikum blicken und kein einziges Augenpaar sehen. Alle in den Zuschauerreihen werden hinter Augmented-Reality-Brillen versteckt sein. Canonica wird - der Titel könnte vermutlich kaum besser passen - "Gesichter" von Tove Ditlevsen lesen und um sie herum, für sie selbst nicht sichtbar, wird in den AR-Brillen ein Bett auftauchen, Tische, ein Tablettenglas, das Bühnenbild aus der "Kopenhagen-Trilogie" und schließlich ein abstraktes Gewebe, das Canonica umschließt. Das alles ist Teil eines Experiments: Das Residenztheater testet aus, inwiefern eine virtuelle Realität das Theatererlebnis erweitern kann.

Für diesen Test war ein Stoff notwendig. Hausregisseurin Elsa-Sophie Jach, die gerade Ditlevsens "Kopenhagen-Trilogie" auf die Bühne gebracht hat, trug sich mit einem weiteren Roman der dänischen Autorin, mit "Gesichter" eben. Protagonistin darin ist Lise Mundus, sie ist Autorin und Mutter, hat einen Ehemann, der sie notorisch betrügt, ist tablettenabhängig, leidet unter Wahnvorstellungen und kommt schließlich in eine Klinik, kämpft sich dort wieder ins Leben zurück. Jach schwebte eine Lesung mit Sibylle Canonica vor, der Digitaldramaturg des Residenztheaters Ilja Mirsky kam hinzu. Und so entwickelten sie den Digitalabend "Gesichter".

Im April gab es einen Voraufführung, ein erster Ablauf zeigte sich. Die Zuschauerinnen und Zuschauer erhalten am Eingang die Brillen, nehmen Platz, erste virtuelle Einspieler sind zu sehen, der Titel des Abends etwa, das Kopenhagen-Bühnenbild. So versteht man sehr schnell den Unterschied zu den im Theaterbereich öfter verwendeten VR-Brillen. Diese schneiden das Publikum von der sie umgebenden Realität ab. Der Fokus liegt ganz auf der virtuellen Realität, die in der Brille eingespielt wird. Mit den AR-Brillen bleibt der Raum sichtbar, die Projektionen in den Gläsern funktionieren als Ergänzung oder Erweiterungen.

Sibylle Canonica sitzt bei der Lesung von "Gesichter" an einem schlichten Tisch. Mehr reales Bühnenbild gibt es nicht. (Foto: Magnus Lechner)

Nun ist "Gesichter" ein starker Text und Canonica eine großartige Leserin. Wer sich auf ein Leseformat einstellt, wird nicht enttäuscht werden. Will man sich indes mit der Digital-Version einlassen, ihre Möglichkeiten kennenlernen, wird man ein anderes Erlebnis haben, durchaus auch mit Irritationen. Das hängt zum einen mit dem Gerät zusammen, dessen Gewicht und Wärme spürbar ist. Zum anderen ist es mit der Fragestellung verbunden, inwiefern die digitalen Bilder einen Mehrwert liefern.

Hier steht die Arbeit am Residenztheater noch am Anfang. Das liegt großteils an der Ausstattung. Die für diesen Abend ausgeliehenen Brillen seien von 2018, erklärt Dramaturg Mirsky, die Speicherkapazität ist sehr begrenzt. Großartige virtuelle Welten lassen sich nicht erzeugen. So sind es also einfache Grafiken, die anfangs den Handlungsschauplatz situativ verorten. Spannender wird es, wenn abstrakte Formen hinzukommen, assoziative Gebilde. Gleichwohl lässt sich erahnen, dass eine Einbettung dieser Technik in einen Theaterabend Potenzial hat. Das Experiment mitzugehen, kann lohnenswert sein.

Resi digital: "Gesichter", Montag, 6. Mai, Mittwoch, 26. Juni, 20 Uhr, Marstall, www.residenztheater.de

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusPremiere im Residenztheater
:Mosi im Rampenlicht

Hausregisseur Alexander Eisenach hat sich für seine Inszenierung am Residenztheater eine sehr Münchnerische Figur ausgesucht: Rudolph Moshammer. Wie kommt es zu "Mosi - The Bavarian Dream"?

Von Yvonne Poppek

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: