Festival "Radikal jung" - das Programm:"Ein Festival in schwierigen Zeiten"

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Die Uraufführung "Das Kraftwerk" am Staatstheater Cottbus brachte einige Politiker auf, bis in die Landesregierung. Es ist ein Theaterabend über "Kohle, Wasser und die Ewigkeit", an dem das investigative Recherchekollektiv Correctiv mitarbeitete. (Foto: Bernd Schönberger)

Die 18. Ausgabe von "Radikal jung" am Münchner Volkstheater befasst sich mit Widerständigkeit, zeigt sich politisch und experimentell - bis zum Einsatz von K.o.-Tropfen.

Von Yvonne Poppek

Kann Theater die Gesellschaft verändern? Diese Frage treibt Volkstheater-Intendant Christian Stückl um, manchmal scheint er damit zu hadern, dass bei so großen Themen wie Antisemitismus und Rassismus die Wirksamkeit nicht direkt ablesbar ist. Dies klingt durch bei der Vorstellung des in vielen Teilen sehr politischen Programms des Münchner Theaterfestivals "Radikal jung" am Freitagvormittag. Das Festival dürfte dabei einige erreichen, im Vorjahr lag die Platzauslastung bei 96 Prozent.

Festivalleiter Jens Hillje hadert indes nicht, er glaube daran, dass Kunst und gerade auch die Bühne Gesellschaft ändern könne. Geduld, Präzision, Genauigkeit im Reden, Zuhören und Zuschauen sei notwendig. Aber unbestritten: "Es ist tatsächlich ein Festival in schwierigen Zeiten." Der Wille, diese Gegenwart mitzugestalten, liest sich am Programm ab, das die vierköpfige Jury mit Leiter Hillje, Christine Wahl, C. Bernd Sucher und Florian Fischer gestaltet hat.

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Vom 19. bis zum 27. April werden im Volkstheater 14 Produktionen junger Regie zu sehen sein, neun aus Deutschland, die übrigen aus Österreich, Dänemark, Griechenland und den Niederlanden. Die inhaltliche Linie fasst Hillje mit "Widerständigkeit" zusammen, ästhetisch suchen die jungen Regisseurinnen und Regisseure zudem nach neuen Formen, zeigen "experimentelle Lust".

Diese Formsuche fällt vermutlich besonders bei der Performance "The Cadela Força Trilogy" von Carolina Bianchi auf. Thema ist Femizid, also Gewalt gegen Frauen. Bianchi überschreitet gängige Grenzen, indem sie nicht schlicht einen "sehr guten Text" spricht, sondern sich auf der Bühne K.-o.-Tropfen zuführt und während der Performance irgendwann das Bewusstsein verliert (27.4.). Keine Frage, dieser Abend setzt auf Wirkung. Er wird wohl nicht der einzige bleiben.

In Carolina Bianchis Performance geht es um Gewalt gegen Frauen. Für die Auseinandersetzung mit dem Thema auf der Bühne nimmt sie K.-o.-Tropfen ein. (Foto: Christophe Raynaud de Lage)

So gibt es für Hillje auch Produktionen von einem "Theater an der Front", was jetzt mit keiner Kriegsfront zu tun hat, sondern mit einem Theater, das gesellschaftlich und politisch unter schwierigeren Bedingungen entsteht als in München oder Berlin. Dazu zählt der Festivalleiter die Spielstätten in Essen und Dortmund sowie in Cottbus und Magdeburg. In Essen beispielsweise arbeitet die Regisseurin und neue Intendantin Selen Kara an einer Neubearbeitung des deutschen Kanons, an einem "post-post-migrantischen Theater". So inszenierte sie eine Faust-Überschreibung von der Autorin Fatma Aydemir "Doktormutter Faust" (19.4.). Aus Dortmund kommt mit "Die Gerächten" eine Widerstandsgeschichte gegen Rassismus, ebenfalls angesiedelt in einer postmigrantischen Gesellschaft (22.4.)

Wie hart - aber eben elementar - Theaterpraxis sein kann, zeigt eine Produktion aus Cottbus. Bei "Das Kraftwerk" arbeitete das investigative Recherchekollektiv Correctiv mit, es ist ein Stück von der Lausitz um Energieversorgung und -strukturen, auf das die Politik bis in den Landtag mit massiver Kritik reagierte (23.4.). In das Programm mischen sich aber unter anderem auch Literaturbearbeitungen wie Jan Friedrichs Fassung von Kim de l'Horizons "Blutbuch" (24.4.) oder Adrian Figueroas Adaption von Wolfgang Herrndorfs "Arbeit und Struktur" (21./22.4). Vom Volkstheater kommt Ran Chai Bar-zvis Bearbeitung von "Das große Heft" von Ágota Kristóf (21.4.).

Alles in allem setzt "Radikal jung" in diesem Jahr aber weniger auf eine Auseinandersetzung mit literarischen Stoffen als mit konkreten Lebenswirklichkeiten und ihrer Überhöhung. Über diese zu diskutieren - auch im Austausch mit der jungen Regie und der Masterclass sowie beim spannenden Rahmenprogramm - und dafür Räume zu schaffen, darum soll es im April gehen. "Wir brauchen diese Räume", sagt Stückl und kritisiert, dass in finanziellen Krisen immer zuerst an der Kultur gespart werde - auch in München. Denn mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet, "helfen wir, dass unser Theater doch die Welt verändert".

Radikal jung Festival , Freitag, 19. April, bis Samstag, 27. April, Tickets ab jetzt erhältlich, www.muenchner-volkstheater.de

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