25 Jahre "quer":"Wir verzichten darauf, das Publikum bescheuert zu finden"

Lesezeit: 3 min

Gegen die "Dahoamity": "quer"-Moderator Christoph Süß (links) und Kabarettist Wolfgang Krebs bei der Jubiläums-Show im Lustspielhaus. (Foto: Florian Peljak)

Vor 25 Jahren wagte der Bayerische Rundfunk mit der Sendung "quer" ein neues Format mit einem bis dahin unbekannten Moderator. Heute ist die Mixtur aus Satire und Analyse mit Christoph Süß ein Quotenhit. Das muss gefeiert werden.

Von Thomas Becker

Als das letzte Glanzstück im Kasten ist, das Publikum im Lustspielhaus irgendwann mal zu Ende gejubelt hat und auch die Wünsche der Fotografen abgearbeitet sind, geht es dahin mit Christoph Süß. Rapide baut der Mann nun ab, der eben noch so souverän in die Kamera gespielt hat. Die Nase läuft, Taschentücher kommen zum Einsatz, der ganze Körper schreit nach Feierabend, nach Spot aus statt an. "Wenn das Adrenalin weg ist, muss ich schauen, dass ich heimkomme."

Sprach's und ist kurz darauf tatsächlich nicht mehr zu sehen. Zurück lässt er ein Team, das diesen besonderen Feier-Abend erschöpft aber glücklich nebenan im Vereinsheim ausklingen lässt, sowie die Aufzeichnung einer rundum gelungenen, sozusagen exemplarisch brillanten Jubiläums-Show, zu sehen an diesem Donnerstag um 20.15 Uhr im Bayerischen Rundfunk.

25 Jahre "quer": Wenn das mal kein Grund zum Feiern ist! Im Februar 1998 lief die erste Folge des Magazins, das heute als eine der erfolgreichsten TV-Marken des BR gilt. Björn Wilhelm, der Programmdirektor Kultur, gratuliert: "25 Jahre ist für ein Fernsehformat eine Ewigkeit. Die Sendung ist seit 25 Jahren Bayerischer Rundfunk at its best und hat sich in all diesen Jahren immer neu erfunden - über ein Fernsehformat hinaus auch zu einer überaus starken Marke im Netz." Mit 340 000 Instagram-Abonnenten zeige "quer", dass öffentlich-rechtlicher Journalismus auch im Netz erfolgreich sein kann. 2022 erreichte die Sendung im Schnitt 15,9 Prozent der bayerischen Fernsehzuschauer, also 660 000, und damit den höchsten Wert in ihrer Historie.

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Eigentlich klingen 25 Jahre nach gar nicht so viel, schaut man aber zurück ins Jahr 1998, sieht man Bill Clinton und seine Praktikantin, Berti Vogts als Bundestrainer und im Fernsehen einen Mann namens Derrick - okay, doch verdammt lang her. Zu dieser Zeit begab es sich, dass der BR eines seiner bis dahin liebsten Babys, das Jugendmagazin "Live aus dem Alabama" (später "Live aus dem Schlachthof" und "Live aus dem Nachtwerk") zu Grabe tragen musste, der Quote wegen. Ersatz? Nicht in Sicht.

Bis Redaktionsleiter Wolfgang Mezger seiner Truppe zur Aufheiterung das Casting-Video einer Werbeagentur vorspielte, worin ein Pfarrer während der Predigt versucht, sein Auto zu verhökern. Den Geistlichen spielte der bis dahin mäßig erfolgreiche Kabarettist und Philosophie-Student Christoph Süß. Wie und warum sich der BR ausgerechnet ihn als Gesicht einer noch zu gestaltenden Sendung ausgesucht hat, kann er sich bis heute nicht erklären. "Ich sehe ja komisch aus", erzählt er im B1-Podcast "Die blaue Couch", "ich hätte mich nicht ins Fernsehen gelassen - aber bitte!"

Heute kann man dem verstorbenen Wolfgang Mezger nur dankbar sein für seine Entdeckung und den Mut, mit diesem Unbekannten an den Start zu gehen. Ein Start, den die SZ skeptisch begleitete: Ein "Fremdkörper im BR-Programm" sei "quer", hieß es, was Süß nur bestätigen kann: "Vollkommen richtig! Wir wussten ja nicht, was wir da machen. Fantastisch, dass das noch möglich gewesen ist!" Redaktionsleiter Christoph Thees, vor 20 Jahren von "Extra 3" zu "quer" gewechselt, sieht das ähnlich: "Das war auch nach fünf Jahren noch ein großes Suchen. Die Themen damals waren abseitiger, teilweise der helle Blödsinn. Jetzt wissen wir, wo wir hin wollen."

Musik, Lobreden und Albereien: Teresa Reichl, Wolfgang Krebs, Eva Karl Faltermeier, Christoph Süß, Peter Weiß, Andreas Martin Hofmeir und Matthias Well (von rechts). (Foto: Florian Peljak)

Der Plan: satirische Elemente mit einem analytischen Blick auf das bayerische Wesen und die bayerische Politik zu verbinden, also der volkstümelnden "Dahoamity" und trockenen Politikberichterstattung eine neue Form der Auseinandersetzung mit Bayern und all seinen Widersprüchen entgegenzusetzen - von der Posse über irrlichternde Behörden über den Umweltskandal oder das politische Analysestück bis zur scheinbar nichtigen Dorfgeschichte. All das nicht bloß abgebildet, sondern eingeordnet und pointiert präsentiert. "Der Anspruch zu überraschen ist geblieben, aber schwerer einzulösen", sagt Thees.

Das Erfolgsgeheimnis von "quer"? "Wir verzichten darauf, das Publikum bescheuert zu finden. Wir halten uns nicht für schlauer, sondern glauben an ein kritisches, nicht einem Lager angehörenden Publikum. Wir achten darauf, nicht aktivistisch zu werden, machen ein Einordnungsangebot, mit dem man aber nicht einverstanden sein muss. Wir fragen uns auch nicht, was die Leute wollen, sondern senden das, was wir für wichtig erachten."

Und deshalb akzeptiert man bei der Jubiläums-Show im Lustspielhaus auch einen Bruch im Feier-Programm und baut neben all den herrlichen Albereien von Wolfgang Krebs, Eva Karl Faltermeier, Teresa Reichl sowie den Musikern Andreas Hofmeir und Matthias Well noch ein völlig satirefreies Interview mit der Extremismus-Forscherin Julia Ebner ein - weil das Thema die Redaktion umtreibt. "Jeden Tag diskutieren wir in der Konferenz mindestens eineinhalb Stunden lang", erzählt Christoph Thees, "nicht über die Sendung, sondern nur über die Themen. Das ist ein Debattierklub!" Aber immerhin einer, bei dem auch etwas Wunderbares heraus kommt. Ad multos annos!

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