Popkultur:Das Puls-Festival setzt auf Musikerinnen

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In ihren Texten beschäftigt sich das internationale Punk-Indie-Trio Dream Wife oft mit den Themen Feminismus, Geschlechterrollen und Körperkult. (Foto: Steffi Rettinger)

Das diesjährige Puls-Festival wird von Frauen geprägt: Bands wie "Dream Wife" und die Sängerin "Novaa" treten im BR-Funkhaus auf. Superstars wie "MGMT" dürfen aber auch dabei sein.

Von Dirk Wagner

Als vor 15 Jahren erstmals die großen Orchester-Studios des Bayerischen Rundfunks für ein Popfestival geöffnet wurden, ahnten die Veranstalter noch nicht, wie groß dieses seitdem jedes Jahr Ende November, Anfang Dezember stattfindende Festival würde. Mit vorwiegend lokalen Musikern schuf das damals noch "Bavarian Open" genannte Festival 2003 eine Gegenöffentlichkeit, die den regionalen Standort Pop ebenso stärkte wie sie die Forderung nach einem eigenen Jugendsender unterstrich. Mittlerweile gibt es diesen Jugendsender des Bayerischen Rundfunks.

Er heißt Puls und feiert sich selbst auf dem inzwischen Puls-Festival genannten Spektakel. Zu den regionalen Bands, die mit Me + Marie, The Whiskey Foundation oder Impala Ray auch heuer wieder vertreten sind, gesellen sich längst internationale Größen wie When Saints Go Machine aus Kopenhagen oder MGMT aus New York. Wobei MGMT hier einen regelrechten Superstar-Status genießen. Umso mehr überrascht es Christoph Lindemann, Musikchef von Puls, dass MGMT sich für das gesamte Programm interessieren.

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Die bayerische Formation Impala Ray, die den Singer-Songwriter Rainer Gärtner spannend mit Genre-untypischen Instrumenten wie Tuba, Hackbrett und Trompete begleitet, wurde von den New Yorkern sogar euphorisch gefeiert. Danach hätten sich Impala Ray und MGMT über gemeinsame Vorbilder unterhalten, verrät Lindemann. Solche Vernetzung von Musikern darf man ebenso als Fördermaßnahme wertschätzen wie die Zuversicht, mit der auch unbekannteren Größen ein Forum geboten wird. Etwa der portugiesischen Eine-Frau-Band Surma, die mit Gitarre, Bass, einem zum Schlagwerk umfunktionierten Koffer, Glocken, Sampler und zahlreichen Effektgeräten einen Sound schafft, der Postrock, Jazz und Elektronika popmusikalisch eint.

Dass Débora Umbelino, die junge Frau, die Surma ist, nur eine von vielen auf diesem Festival auftretenden Frauen ist, korrigiert eine männerdominierte Pop-Darstellung, wie sie nur allzu oft auf anderen Festivals bestätigt wird. So rockt das bis auf das zusätzliche Schlagzeug weiblich besetzte Trio Dream Wife im großen Orchester-Studio.

Gleichzeitig tritt Me + Marie im Ballroom auf, ein weiterer im Kantinenbereich des BR eingerichteter Spielort. Auch hier sind die weiblichen Musikerinnen in der Überzahl. Hervorzuheben sei die Bassistin Julia Viechtl. Nicht, weil sie, die acht Jahre mit der eigenen Band Fertig, Los spielte und die Sportfreunde Stiller auf Unplugged-Konzerten unterstützte, die Musik des Gitarristen Roland Scandella und der Schlagzeugerin Maria de Val mit ihrem Bassspiel eindrucksvoll nach vorne drückt, sondern weil Viechtl geradezu eine Personifizierung des Münchner Pop ist. Als Veranstalterin der "Manic Street Parade" ist sie ebenso wichtig für das hiesige Musikleben wie als Mitarbeiterin der Fachstelle Pop in München, die unter anderem Musiker berät. Entsprechend jubeln auch anwesende Musiker im Publikum, als sie erkennen, wer da den Bass zupft.

Wer bekommt den New Music Award?

Vielen Festivalbesuchern bleibt diese Erkenntnis allerdings vorenthalten, weil sie gar nicht erst in den bereits überfüllten Saal gelassen werden. Denn das ist das Defizit eines Festivals, das mehrere Bühnen in noch dazu unterschiedlich großen Räumen bespielt: Ärgerlich oft stehen da riesige Menschenmengen vor verschlossenen Türen, weil die Konzerte in den Sälen bereits überfüllt sind. Als habe man den Eintrittspreis fürs Schwimmbad bezahlt, darf dann aber nicht ins Becken, mag sich das für manche anfühlen, die darum nicht die Leoniden sehen, die einmal mehr einen Spagat zwischen Michael Jackson und Punkrock zugunsten eines aufregenden Indie-Rocks meistern.

Vergangenes Jahr wurde die Kieler Band mit dem New Music Award der jungen Radioangebote der ARD gekürt, zu denen auch Puls gehört. Seit zehn Jahren will dieser Preis "die beste neue Musik aus ganz Deutschland" ausloben, wobei jeder der neun mitwirkenden Sender jeweils einen Kandidaten nominiert. Eine Fachjury bestimmt den Sieger. Bislang fand die Preisverleihung in Berlin statt, wo Größen wie Bonaparte, Kraftklub oder Antilopen Gang ihn bereits entgegen nahmen. Heuer hätte man ihn gerne ihm Rahmen des Hamburger Reeperbahn-Festivals verliehen, wegen organisatorischer Probleme fand die Preisverleihung stattdessen in München im Rahmen des Puls-Festivals statt. Quasi als Festival im Festival, wo auch die Kytes aus München auftreten.

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Schließlich haben auch sie mal den ursprünglich "Radio Award für neue Musik" genannten Preis gewonnen. Die Trophäe diene seitdem als Hundenapf, Türstopper und Aschenbecher, behaupten die Kytes übertrieben cool. Die diesjährigen Siegerinnen betonen dagegen Ehrfurcht. Der eigentliche Award geht an die Karlsruherin Antonia Rug alias Novaa. Gerne erzählt die Musikerin, dass sie nach dem niederländischen Film "Antonias Welt" benannt wurde - und wie der darin behandelte Feminismus sie geprägt habe.

Der zweite, neu erfundene Preis für Durchstarter, die keine Newcomer mehr sind, aber konsequent von den Radiostationen begleitet wurden, geht an Lea, die schon vor ihrer eigentlichen Musikerkarriere als 15-jährige im Internet gefeiert wurde. Streng genommen steht sie damit aber auch für eine Pop-Generation, die das Radio als Medium womöglich gar nicht mehr braucht. Es sei denn, ein mit spannenden Inhalten gefülltes Programm kann Hörern auch die Hintergründe einer Musik erläutern, wie Puls es beispielsweise praktiziert.

© SZ vom 03.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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