Prozess am Landgericht:"München ertrinkt beinahe im Koks"

Lesezeit: 2 min

  • Im Prozess gegen drei mutmaßliche Dealer geht es in der ersten Runde auch um die Frage, wie Kokain in die Bars, Clubs und Restaurants dieser Stadt gelangt.
  • Über Mittelsmänner soll es Gästen unter anderem möglich gewesen sein, Koks-Bestellungen direkt in die Lokalitäten zu ordern.
  • Die Verteidigung kritisiert die handwerkliche Arbeit der Ermittlungsbehörden.

Aus dem Gericht von Juri Auel

Als Richter Frank Schaulies den Beschluss verkündete, die Haftbefehle gegen drei der Angeklagten unter Auflagen außer Vollzug zu setzen, brach im Saal B 273 des Münchner Landgerichts Jubel aus. Elf Monate saßen die drei Männer in Untersuchungshaft. Der Fall, in dem die drei Männer und eine Frau auch nach dem ersten Verhandlungstag immer noch angeklagt sind, verspricht interessante Einblicke. Es geht um die Frage, wie Kokain in die Bars, Clubs und Restaurants dieser Stadt gelangt. "München ertrinkt beinahe im Koks", sagte ein Polizist, der in dem Fall ermittelte, am Rande der Verhandlung. Der Kokainsumpf sei viel größer, als manch einer glauben wolle. Die Droge werde längst in allen Schichten konsumiert.

Dass sie selbst Kokain geschnupft haben, streiten die Angeklagten nicht ab. Wohl aber das, was die Staatsanwaltschaft ihnen hauptsächlich vorwirft: in einen "schwunghaften Handel" damit verwickelt gewesen zu sein. Konkret beschuldigen die Ermittler einen 32-jährigen Industriemechaniker und einen 24-jährigen Einzelhandelskaufmann, ein Dealer-Netzwerk betrieben zu haben, bei dem sie eng mit Bediensteten in Münchner Bars und Restaurants zusammenarbeiteten. So soll es Gästen unter anderem möglich gewesen sein, über Mittelsmänner Koks-Bestellungen direkt in die Lokalitäten zu ordern.

Drogen-Kriminalität
:Kein Ertrag, aber maximales Risiko

Die albanische Mafia soll in eine Halle eingebrochen sein, um 185 Kilo geschmuggeltes Rauschgift abzuholen. Drei Männer, die nun vor Gericht stehen, waren nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Mitglieder der Bande.

Von Martin Bernstein

Teil des Systems soll ein ebenfalls angeklagter 35-jähriger Kellner gewesen sein. Er soll, so der Vorwurf, nicht nur die Gäste des L'Osteria am Lenbachplatz, wo er als Bedienung angestellt war, mit Koks versorgt haben, sondern auch Feiernde in der 089 Bar. Einer 26 Jahre alten Frau, die zum fraglichen Zeitpunkt ebenfalls als Kellnerin arbeitete, wird zu Last gelegt, ihre Wohnung wissentlich als Drogendepot zur Verfügung gestellt und so Beihilfe geleistet zu haben.

Er sei kein Anhänger aufgeplusterter Reden der Verteidigung, sagte Rechtsanwalt Thomas Pfister, der den angeklagten Kaufmann vertrat. Doch die vorliegende Anklage sei eine "juristische Unverschämtheit" und voller "handwerklicher Fehler". Auch seine Kollegen, die die übrigen Angeklagten vertraten, kritisierten die handwerkliche Arbeit der Ermittlungsbehörden. Die größte Kritik der Verteidiger konzentrierte sich auf den Umgang mit dem 36-jährigen Hauptbelastungszeugen der Anklage. Dieser sei "der Liebling der Staatsanwaltschaft" gewesen, meinte Rechtsanwalt Peter Krauß, der den angeklagten Kellner vertrat. Man habe die Aussagen des Mannes zu wenig hinterfragt und sich mit "lapidaren Antworten" zufrieden gegeben, die keinerlei Beweiskraft hätten.

Aus diesem Grund habe sein Mandant bislang auch noch nicht ausgesagt, dass nicht etwa einer seiner Mitangeklagten, sondern der Belastungszeuge selbst sein Dealer für den Eigengebrauch gewesen sei. "Das war schon Taktik", sagte Krauß auf die Frage, warum sein Mandant dies erst jetzt behaupte. "Man muss nicht sein Pulver verschießen, wenn einem keiner glaubt", kommentierte er. Der angeklagte Industriemechaniker behauptete ebenfalls, er habe sein Kokain bei dem 36-jährigen Zeugen erworben.

SZ PlusDrogen
:Krieg ums Kokain

Das weiße Pulver ist nicht nur Rauschmittel, sondern auch ein Motor des Kapitalismus. Wie der weltweite Kampf darum immer brutaler wurde.

Von Sebastian Schoepp

Der Zeuge habe gelogen, um sich selbst zu schützen, so der Vorwurf der Verteidiger. Die Staatsanwaltschaft ließ die Angriffe auf die Anklage weitestgehend unkommentiert. Dafür verteidigte sich der Polizeibeamte, der die Vernehmung des Belastungszeugen geführt hatte. Der 36-Jährige sei "kein Kind von Traurigkeit", das stehe außer Frage, sagte er, dennoch habe er keinen Grund gehabt, dessen Glaubwürdigkeit besonders anzuzweifeln. Zudem hätten andere Aussagen von ihm zu Ermittlungserfolgen geführt. So habe der Zeuge eingeräumt, zwei Polizeibeamte mit Drogen versorgt zu haben, was sich "leider" als wahr herausgestellt habe. Die beiden Kollegen seien inzwischen suspendiert.

In diesem Zusammenhang löste die Verlesung eines Vernehmungsprotokolls Raunen aus. Demnach hatte einer der Angeklagten ausgesagt, der 36-Jährige habe damit geprahlt, er würde zwei Polizisten kennen, "die auf ihn aufpassen". Der Zeuge erschien am ersten Verhandlungstag ebenfalls vor Gericht. Aus Angst, sich möglicherweise selbst zu belasten, verweigerte er die Aussage. So soll er vor kurzem mehrere Kokainverkäufe bei Vernehmungen der Polizei zugegeben haben. Die Verhandlung wird am 11. Juni fortgesetzt.

© SZ vom 31.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: