War es eine Entführung, von der das bayerische Landeskriminalamt zufällig Wind bekam? Oder war die Behörde daran sogar aktiv beteiligt? Diese Fragen wirft nun ein Prozess um die Verschleppung eines Mannes von Schweden nach Bayern im Oktober 2009 auf. Am Landgericht München I muss sich seit Montag ein 48 Jahre alter Mann aus Bosnien verantworten, der laut seinem Geständnis mit zwei Komplizen gewaltsam einen Kroaten über die Grenzen gebracht hat. Bei der Entführung spielte ein früherer kroatischer Geheimdienst-Mitarbeiter eine zentrale Rolle, der das Opfer an Beamte des Landeskriminalamtes auslieferte.
Damals ermittelte die Polizei im Fall des gewaltsamen Todes des kroatischen Regimegegners Stjepan Durekovic im Juli 1983 in Wolfratshausen. Aus Zeugenaussagen und Akten fügte sich nach und nach ein Mosaik zusammen: Die beiden ehemaligen Offiziere des jugoslawischen Geheimdienstes, Zdravko Mustac und Josip Perkovic, hatten den Mord angeordnet. Das Münchner Oberlandesgericht verurteilte sie im August dieses Jahres zu lebenslanger Haft. Der Prozess war erst möglich geworden, als Kroatien die Ex-Offiziere auf Druck der EU Anfang 2014 auslieferte.
Ex-Geheimdienstler im Đureković-Prozess:Spione, Schüsse und schweigsame Herren
Im Mordfall Đureković geht es um die längste ungeklärte Mordserie der Bundesrepublik: 30 Exilkroaten starben von Ende der 60er bis in die 80er Jahre gewaltsam auf deutschem Boden. Nun könnte es für die mutmaßlichen Hintermänner eng werden.
Drei Männer waren an dem Mord in Wolfratshausen direkt beteiligt, sie mussten sich aber nie vor Gericht verantworten. Einer der Männer soll der in Schweden lebende Kroate gewesen sein. Nach ihm wurde jahrelang per Haftbefehl gesucht. Möglicherweise hielt er sich in Schweden auf, weil dort Morde, die vor 1985 begangen wurden, nach 25 Jahren verjähren. In Deutschland verjähren Morde nicht.
Diesen Mann suchten im Oktober 2010 Zeljiko B. und zwei Komplizen auf; B. ist derjenige, der derzeit in München wegen erpresserischen Menschenraubes vor Gericht steht. Das Opfer, das nahe Stockholm lebte, gab zunächst vor, freiwillig mit nach Deutschland zu fahren. Unterwegs soll er es sich jedoch anders überlegt und die Männer mit einer Pistole bedroht haben. Einer der Entführer entwaffnete ihn und sperrte ihn gefesselt in den Kofferraum eines Volvo. Zeljiko B. steuerte den Wagen bis zur Raststätte Holledau. Dort wurden dem Entführten die Fesseln abgenommen, er musste aber im Kofferraum bleiben.
Bei der ersten Festnahme reichten die Beweise nicht aus
Einer von B.s Komplizen, ein kroatischer Ex-Geheimdienst-Mitarbeiter, hatte zuvor schon Kontakt zum Landeskriminalamt (LKA) in München aufgenommen und die Ankunft des Mannes aus Schweden angekündigt. Mit zwei LKA-Beamten traf er sich dann in der Raststätte und machte sie auf den Wagen mit dem Entführten aufmerksam. Der hatte sich bereits aus dem Kofferraum befreit, indem er die Rückbank nach vorne drückte, und ans Steuer gesetzt, um zu flüchten. Auf der Autobahn fuhr er Richtung Süden. In der Nähe von Oberschleißheim wurde er festgenommen. Ein Ermittlungsrichter entschied später, dass die Beweise für eine Verhaftung des Mannes wegen Mordes an dem Dissidenten nicht ausreichten. Er wurde freigelassen und kehrte nach Schweden zurück.
Weshalb und in welchem Auftrag hatten ihn die drei Männer nach Bayern gebracht? Diese Frage beschäftigte auch die internen Ermittler bei der Polizei. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die beiden LKA-Beamten die Entführung nicht eingefädelt hatten. Ein Verfahren gegen sie wurde eingestellt. Zwar hatten sie dem Ex-Geheimdienstler Geld überwiesen, das sei aber nur eine übliche Kostenentschädigung gewesen, wie es hieß.
Glimpflich kamen auch zwei der Entführer davon, die bereits verurteilt wurden - jeweils zu Bewährungsstrafen. Und auch der aktuell angeklagte Zeljiko B. kann mit Bewährung rechnen, wie die 3. Strafkammer am Montag durchblicken ließ. Selbst die Staatsanwaltschaft drängt in diesem Fall nicht auf eine Haftstrafe. B. stellte sich als unwissend dar. Er habe erst gemerkt, dass es sich um eine Entführung handele, als der Mann schon gefesselt im Auto gelegen sei, sagte er. Eine Antwort auf die Frage nach dem Motiv lieferte B. nicht. Der Prozess dauert an.