Prozess:24-Jähriger soll als falscher Polizist mehr als 20 000 Euro erbeutet haben

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Der Angeklagte soll Senioren überredet haben, Geld vor die Tür zu legen. (Foto: dpa)
  • In vier Fällen in München und Grünwald sollen Betrüger von ihren Opfern, älteren Damen, Geld und Wertsachen im Wert von über 20 000 Euro erbeutet haben.
  • Die Mitglieder der Bande sollen sich am Telefon als Polizisten ausgegeben haben.

Von Susi Wimmer, München

Der Polizist redet erst gar nicht um den heißen Brei herum: "Ich hab' in der Sache im Dunkeln gestochert", gibt er zu. Ende 2015 erlebte München ein Serie besonders fieser Betrugsversuche. Binnen 14 Tagen riefen die Gauner bei mindestens 30 Seniorinnen in München und Grünwald an, gaben sich als Polizisten aus und versuchten so, an Geld und Wertsachen der Opfer zu gelangen. Viermal waren die Täter erfolgreich, der Schaden lag bei mehr als 20 000 Euro. Die Polizei kam bei den Ermittlungen nicht voran. Bis im Kommissariat des Beamten, der nun als Zeuge im Landgericht München I sitzt, die Bürotüre aufging und ein junger Mann in Begleitung seiner Mutter hereinspazierte. Er stellte sich als Mittäter - und packte aus.

Die Betrügereien, die darauf abzielen, ältere Menschen um ihr Erspartes zu bringen, kommen seit etlichen Jahren in München in unterschiedlichen Variationen vor - und reißen bis heute nicht ab. Mal geben sich die Betrüger am Telefon als Verwandte aus, die sich in einer Notlage befinden und rasch Geld benötigen. Oder aber sie treten als Polizisten auf, teilweise sogar mit Namen von real existierenden Polizisten oder Staatsanwälten. Gesteuert werden die Anrufe laut Polizei vermutlich aus einem Callcenter in der Türkei. Dort aber seien Ermittlungen "aufgrund der politischen Lage schwierig", sagt eine Polizistin vor Gericht aus.

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Insgesamt drei Männer und eine Frau sollen im Dezember 2016 und Januar 2016 abwechselnd hauptsächlich bei Seniorinnen angerufen haben, deren Namen "nicht mehr so dem Zeitgeist entsprechen", wie der Beamte sagt. Also beispielsweise Hildegard, Annemarie, Irmgard oder Gertrud. Die Polizei vermutet, dass die Betrüger alte Telefonbücher benutzen, wobei sie auch darauf achten, dass neben dem Frauen- kein Männername steht.

Laut Anklage gaben sich die mutmaßlichen Betrüger als "Inspektor Breitenbach", "Polizeibeamter Funke", "Kriminaloberkommissar Ferdinand Schmidt" oder "Polizistin Katja Heisel" aus. Es folgten schlimme Geschichten von einer rumänischen Einbrecherbande, die in der Nachbarschaft zugeschlagen, ja sogar Seniorinnen schwer verletzt hätte, und die nun das Haus der Angerufenen observiere. Zur Sicherheit solle man Geld und Wertsachen zusammenpacken, in einem Sack an die Türklinke hängen, die Polizei werde vorbeikommen und die Wertsachen abholen und sicher verwahren. Die Anrufe wurden über München und Grünwald verstreut, nahezu im Halbstunden-Takt.

In München wurden drei Seniorinnen Opfer der Männer, in Grünwald folgte eine 91 Jahre alte Frau den Anweisungen der Betrüger. Sie füllte 600 Euro Bargeld, Krügerrand-Goldmünzen und Schmuck im Gesamtwert von 12 000 Euro in einen Stoffbeutel und legte ihn vor die Türe. Dort holte ein von den Betrügern geschickter junger Mann die Beute ab. Er setzte den Schmuck in einem Juwelierladen um (wobei er übrigens ordentlich über den Tisch gezogen wurde) und überwies das Geld via Western Union in die Türkei.

Eben jener junge Mann ging schließlich zur Polizei. Er habe von der Betrugsmasche nichts gewusst, sei von seinem Onkel gebeten worden, den Beutel abzuholen. Jetzt allerdings setzten der Onkel und zwei weitere Mittäter ihn unter Druck. Er und seine Mutter trauten sich seit drei Tagen aus Angst vor Angriffen nicht mehr nach Hause. Der junge Mann nannte den Namen des Onkels, Murat S. Der meldete sich angeblich ein paar Tage später ebenfalls bei der Polizei, und zwar telefonisch, und nannte Namen von Mittätern und einem weiteren Abholer, der mittlerweile in die Türkei abgeschoben wurde. Die beiden anderen Mittäter sind flüchtig.

Vor Gericht steht nun der 24-jährige Murat S. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm gewerbsmäßigen Bandenbetrug in vier vollendeten und 29 versuchten Fällen vor. Der damals sachbearbeitende, echte Polizist sagt vor Gericht, dass er Murat S. als denjenigen in der Bande sehe, der immer bereit stand und die Geldabholer in München rekrutierte und koordinierte. Ob und wie viele Taten dem gebürtigen Altöttinger nachgewiesen werden können, wird das Gericht bis Mittwoch prüfen. Dann soll das Urteil verkündet werden.

© SZ vom 24.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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