Die Kriminalität in München hat im vergangenen Jahr zugenommen - erstmals seit sechs Jahren. Zwar wird das Polizeipräsidium offizielle Zahlen für 2016 erst in zwei Monaten präsentieren. Einiges ist aber bereits jetzt durchgesickert. So gab es, wenn man die Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz abzieht, im vergangenen Jahr rund 110 000 Delikte. Das ist ein Anstieg um immerhin sechs Prozent.
Im Zehn-Jahres-Vergleich ist die Zahl der im Bereich des Polizeipräsidiums verübten Delikte dennoch um rund neun Prozent zurückgegangen - bei einem gleichzeitigen Anstieg der Bevölkerungszahl in Stadt und Landkreis München um mehr als 13 Prozent. 110 000 Straftaten: Das ist der Stand von 2010 und 2011.
Sicherheitsdebatte:Gibt es am Hauptbahnhof immer mehr Dealer und Prostituierte?
Die Polizei verteidigt sich gegen die Vorwürfe des CSU-Landtagsabgeordneten Andreas Lorenz. Sie argumentiert: Wer häufiger kontrolliere, finde auch mehr Täter.
Immer wieder haben Sicherheitsexperten darauf hingewiesen, dass mit einer stetig wachsenden Einwohnerzahl irgendwann auch ein Anstieg der Kriminalität einhergehen muss. Wer die Polizeiberichte des vergangenen Jahres, die allgemeinen bundesweiten Trends und einzelne Aussagen der Verantwortlichen betrachtet, erkennt schnell, dass weitere Gründe für den Anstieg der Kriminalität existieren.
Tatsächlich gibt es Deliktbereiche, in denen die Migrationsbewegung der vergangenen zwei Jahre deutlich wird: Schwarzfahren, Ladendiebstahl, Körperverletzung. Ein anderes Phänomen ist das der reisenden Einbrecherbanden, die zumeist aus Osteuropa kommen, meist aus EU-Ländern. Und nicht zuletzt verändern auch zunehmende Kontrollen in vielen Bereichen das Bild: Dort nämlich, wo nur eine aufgedeckte Straftat eine registrierte Straftat ist. Ein Überblick nach Deliktarten.
Einbrüche
Von 2015 auf 2016 ist die Zahl der Wohnungseinbrüche in und um München nach bislang nicht offiziell bestätigten Quellen um etwa neun Prozent gestiegen. Ein anhaltender Trend kann daraus freilich nicht abgeleitet werden. Gerade das Beispiel der Einbruchskriminalität zeigt, wie interpretationsbedürftig Kriminalitätsstatistiken sind. Wenn im April die Zahlen für 2016 veröffentlicht werden, könnte man daraus folgern: Der Rückgang der Einbruchskriminalität vor einem Jahr, den Polizeipräsident Hubertus Andrä als "eine erste Entspannung" gedeutet hatte, hat sich in sein Gegenteil verkehrt.
Kriminalität:Sieben Mythen über den Schutz vor Einbrechern
Einbrecher kommen am liebsten nachts und suchen sich bestimmt keine Wohnung unter dem Dach aus? Falsch.
Doch Andrä hatte bereits bei der Vorstellung der Kriminalstatistik 2015 gemahnt, man müsse wachsam bleiben. Im ersten Quartal des vergangenen Jahres stiegen die Zahlen stark an - um danach wieder zurückzugehen. Übers Jahr gesehen blieb dennoch eine Zunahme. Eine Jahresstatistik kann das Bild also verfälschen.
Die Zahl der Einbrüche im Januar 2017 ist aktuell gerade einmal halb so hoch wie ein Jahr zuvor. Doch niemand wagt eine Prognose, was im März oder April passiert. Denn im Gegensatz zu anderen Großstädten wie etwa Hamburg ist die Einbruchskriminalität in München nicht hausgemacht. Banden kommen - und gehen wieder. Manchmal wird ihnen allerdings auch durch intensive Streifentätigkeit, aufmerksame Nachbarn oder das computergestützte Vorhersageprogramm Precobs in München das Handwerk gelegt. Wie in keinem anderen Kriminalitätsbereich schwanken die Zahlen der Wohnungseinbrüche von Monat zu Monat stark.
Kontrolldelikte
Manche Straftaten tauchen nur dann in der Statistik auf, wenn sie aufgeklärt wurden. Sicherheitsexperten sprechen von "Kontrolldelikten". Wie verstärkte Kontrollen sich in der Statistik als Zunahme der Kriminalität niederschlagen, ließ sich im vergangenen Herbst in der Diskussion über die Sicherheitslage am Hauptbahnhof feststellen. Von Januar bis Mitte Oktober führte die Polizei rund um den Hauptbahnhof, im Alten Botanischen Garten sowie am Stachus 625 große Einsätze durch. Die Razzien richteten sich insbesondere gegen die Drogenkriminalität und die illegale Prostitution im Bahnhofsumfeld.
Die Beamten deckten dabei 1658 Betäubungsmitteldelikte, 1035 Ordnungswidrigkeiten und 45 Fälle von verbotener Ausübung der Prostitution auf. Sie sprachen mehr als 3500 Platzverweise aus. "Die intensiven Kontrollmaßnahmen verursachen auch einen Teil des Kriminalitätsanstiegs", erklärte die Polizei im Oktober. "Durch mehr Polizeipräsenz und Kontrollen werden natürlich auch zusätzliche Delikte bekannt." Und deren Urheber.
Tatsächlich hat sich am Hauptbahnhof eine neue Dealerszene etabliert. Fast alle, die von der Polizei dort erwischt werden, sind junge Flüchtlinge - aus Mali, dem Senegal, Somalia, Eritrea, Nigeria, aus Syrien, dem Irak, Tunesien, Algerien oder Marokko. Die Hälfte von ihnen kommt gar nicht aus München, sondern aus Unterkünften im weiteren Umland, aus Petershausen, Miesbach, Holzkirchen. "Wir sehen die, bei denen die Integration nicht greift", sagt ein Drogenfahnder.
Straftaten, die durch Kontrollen auffliegen, sind auch Schwarzfahren (von rund 2000 Fällen mehr als im Vorjahr ist die Rede) und Ladendiebstahl. Sicherheitspersonal, Kontrolleure, Ladendetektive schauen genauer hin - und erwischen dann oft Flüchtlinge. Niemand kann sagen, wie repräsentativ dieses Bild ist. Doch unbestritten werden unter den Tatverdächtigen im Bereich der Vermögens- und Fälschungsdelikte (dazu nämlich zählt das Schwarzfahren) und der Diebstähle überdurchschnittlich viele Asylbewerber auftauchen.
Gewalt
Angestiegen ist 2016 offenbar auch die Zahl der sogenannten Rohheitsdelikte. Dazu gehören Raub, Körperverletzung, Freiheitsberaubung, aber auch Menschenhandel oder Stalking. Von 800 Fällen mehr als im Vorjahr ist die Rede, der Großteil sind Körperverletzungsdelikte. Viele von ihnen gehen auf das Konto von Bewohnern von Flüchtlingsunterkünften - und ihre Opfer waren in den allermeisten Fällen Mitbewohner.
1671 Mal war die Münchner Polizei 2015 in Flüchtlingsheimen in Stadt und Landkreis im Einsatz gewesen - im vergangenen Jahr hat diese Zahl sich weit mehr als verdoppelt. Gestiegen ist auch die Zahl der Sexualstraftaten. Auch in diesem einige hundert Straftaten umfassenden Bereich ist der Anteil von tatverdächtigen Asylbewerbern mit rund zehn Prozent überproportional hoch.
Der Umkehrschluss aber, den rechte Hetzer zu gerne ziehen, dass nämlich nahezu jeder Flüchtling ein potenzieller Sex-Gangster sei, hält jenseits der Grenzen einschlägiger Internet-Foren einer Überprüfung nicht Stand. Unter allen Taten, bei denen die Polizei einen Asylbewerber als Verdächtigen ermittelt hat, machen Sexualdelikte gerade einmal etwas mehr als ein Prozent aus. Nicht selten sind dabei die eigenen Partnerinnen Opfer der Übergriffe.
Tatverdächtige
Etwas mehr als die Hälfte aller Tatverdächtigen aus dem Jahr 2016 sind Deutsche. Der Ausländeranteil ist um zwei Prozentpunkte auf 48 Prozent gestiegen. Der Anteil der Flüchtlinge bei den Tatverdächtigen lag bei knapp unter neun Prozent. In den Jahren zuvor hatte der Wert bei 6,1 Prozent (2015) beziehungsweise 3,6 Prozent (2014) gelegen.
Mehr Zuwanderung bedeutet also mehr Kriminalität. Wenig verwunderlich, kommen doch nach einer Analyse des Bundeskriminalamts (BKA) überwiegend die Personengruppen - jung, männlich - nach Deutschland, die auch das Gros der deutschen Verdächtigen ausmachen. Doch die Zahlen zeigen, dass auch hier der Umkehrschluss falsch ist. Mehr Flüchtlinge sind nicht der alleinige Grund für steigende Kriminalität. "Die absolute Mehrheit der Zuwanderer in Deutschland begeht keine Straftaten", hat BKA-Präsident Holger Münch schon im November betont. "Es gibt aber auch Personen unter den Flüchtlingen, einen kleinen Teil, deren Aufenthalt hier spürbare Auswirkungen auf die Kriminalitätslage hat."