Projekte:Wie sich die Flüchtlingshilfe wandelt

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Seit kaum mehr Asylbewerber ankommen, werden rund um München Unterkünfte geschlossen. Manche Helfer fühlen sich nun nicht mehr gebraucht, andere suchen neue Aufgaben.

Von Elisa Britzelmeier und Peter Bierl

Dieter Mruck hatte einen Plan, aber daraus wird erst einmal nichts. Der Architekt wollte einen Raum aus Holz bauen, für die Unterkunft in Tutzing - zusammen mit Flüchtlingen. Sie wohnen dort in einem Zeltdorf, der Holzbau war als verbindendes Element gedacht, als Treffpunkt für die Bewohner.

Und gleichzeitig als Beschäftigung, denn das Schlimmste, findet Mruck, ist die Lethargie. Nun soll das Zeltdorf bis Juli aufgelöst werden. Die Flüchtlinge müssen umziehen in umliegende Gemeinden.

Doch den Holzbau will Mruck trotzdem bauen: "Wir machen weiter, zwar nicht unbeirrt, aber wir machen weiter." Der Bau ist in Modulbauweise geplant und demontierbar, theoretisch könnte man ihn überall aufstellen. Jetzt fehlt nur noch das Grundstück. Ein dreiviertel Jahr lang haben Mruck und sein Team von "Building Integration in Germany" bereits daran gearbeitet, inzwischen gibt es ein maßstabsgetreues Modell. Afghanen, Pakistaner und Syrer arbeiten mit.

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"Sie sind stolz auf das Projekt, sie machen etwas mit ihren eigenen Händen." 90 000 Euro soll der Bau kosten. Die Gemeinde Tutzing hatte eigentlich Unterstützung zugesagt, doch die fällt jetzt flach. Mruck und sein Team suchen Spender. Die Absage war eine Enttäuschung, sagt der Architekt aus Tutzing, und dennoch: "Veränderung muss ja nichts Schlechtes sein im Leben."

Vom Flüchtling zum Lehrer

Flüchtlinge sollen Deutsch lernen, darin sind sich die meisten einig. Doch das Angebot ist oft noch begrenzt. Wäre es da nicht auch sinnvoll, wenn die Helfer ein paar Worte Arabisch beherrschten? So sieht man das in Puchheim. An der Volkshochschule gibt es von Herbst an Arabischunterricht für die Ehrenamtlichen in der Verwaltung.

Entwickelt hat den Kurs Abdullah Mohamed. Er stammt aus einem Ort westlich von Aleppo und ist vor eineinhalb Jahren nach Deutschland geflüchtet. Der Syrer heißt in Wirklichkeit anders, er fürchtet Repressalien des Assad-Regimes gegen seine Familie zu Hause. Als 2011 der Bürgerkrieg ausbrach, hatte Mohamed gerade sein Studium abgeschlossen, arabische Literatur und Lehramt. Der 29-Jährige spricht Hocharabisch, syrischen Dialekt, perfekt Englisch. Deutsch hat er sehr schnell gelernt, gerade macht er einen Kurs für Fortgeschrittene.

Nun wird er selbst unterrichten: An sieben Abenden lernen die Teilnehmer ein Basis-Hocharabisch, das sich an der Umgangssprache orientiert. Die Schrift, von rechts nach links, wird ausgelassen, dafür intensiv die Aussprache geübt - denn die ist für die Deutschen ziemlich ungewohnt.

Seit vergangenem Herbst reden alle von der Willkommenskultur, Bettina Spahn tut das schon länger. "Wir haben hier am Hauptbahnhof seit 120 Jahren Willkommenskultur", sagt die Leiterin der katholischen Bahnhofsmission. 120 Jahre - so lange gibt es die Organisation am Gleis 11 schon. Und seitdem kümmern sich die Helfer um alle, die sie brauchen. Um Obdachlose, psychisch Kranke, Menschen mit Suchtproblemen - und eben auch um Flüchtlinge. Die kommen hier seit Jahren an, nicht erst seit September 2015.

"Man darf wegen der Flüchtlinge aber die anderen Gruppen nicht aus dem Blick verlieren", sagt Spahn. Um das Angebot aufrecht zu erhalten, brauche es Durchhaltevermögen. "Das ist vielleicht nicht immer so prickelnd wie eine arbeitsreiche Nacht bei den Neuankommenden, aber genauso wichtig." 130 Ehrenamtliche arbeiten bei der Bahnhofsmission.

Spahn glaubt, dass durch die Flüchtlingsthematik einige Münchner sensibilisiert wurden. Einen großen Anstieg bei den Helferzahlen spüren sie trotzdem nicht. Sie bekämen ohnehin immer viele Anfragen - und den meisten Interessenten ist klar, dass sie dann auch Flüchtlingen helfen. Aber nicht nur.

Helfer in Warteschleife

Seit einem halben Jahr ist schon die Rede von der Flüchtlingsunterkunft, die am Ackermannbogen entstehen soll, und noch immer gibt es sie nicht. Man könnte es verstehen, wenn Dietlind Klemm frustriert wäre, aber das ist sie nicht. Sie organisiert den Helferkreis in der Nachbarschaft rund um die Emma-Ihrer-Straße. Alle hier kennen sich, man erreicht sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Mindestens 30 Nachbarn würden gerne helfen.

In den vergangenen Monaten waren sie in anderen Vierteln tätig. Klemm ist sich sicher, dass bald wieder Flüchtlinge kommen werden, auch zu ihnen. Und in der Zwischenzeit? "Wir warten ab." Man tue alles, um die Motivation aufrechtzuerhalten. Regelmäßig finden Treffen statt, im Ackermannbogen gibt es für so etwas eigene Räume. Wer hier in der Genossenschaft wohnt, ist aufgeschlossen und oft politisch engagiert, sagt Klemm. Sie kennt es von anderen Gruppen, dass hilfsbereite Menschen enttäuscht sind, weil es nichts zu tun gibt.

Im Ackermannbogen haben sich neue Projekte gefunden, etwa Hausaufgabenbetreuung für Kinder aus sozial schwachen Familien. Dass gerade nicht so viele Flüchtlinge ankommen, habe auch etwas Gutes: Die Helfer erholten sich vom Chaos, und sie könnten nachdenken über das Erlebte und über neue Ideen. Eines ist Klemm wichtig: Ehrenamtliche dürfen auch wieder aufhören.

© SZ vom 13.06.2016 / bip, ebri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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