Stadtplanung in München:Nächste Runde im Grünflächen-Streit

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In Perlach rief die Interimsbebauung der als Sport- und Erholungsfläche genutzten Böglwiese mit einem Schulausweichquartier Proteste hervor. (Foto: Stephan Rumpf)

Mehr als 2000 Münchner unterschreiben gegen eine Bebauung der Böglwiese. Die Stadt will dort das Ausweichquartier für die Grundschule am Theodor-Heuss-Platz unterbringen, die neu gebaut wird.

Von Patrik Stäbler

Es ist ein lauer Nachmittag in Perlach, von der Putzbrunner Straße auf der einen und von der Heinrich-Lübke-Straße auf der anderen Seite dröhnt der beginnende Feierabendverkehr herüber - doch Neymar und Cristiano Ronaldo lassen sich davon nicht stören. Denn die beiden sind in ein Fußballmatch vertieft, hier auf der Böglwiese, wo gut ein Dutzend Jugendliche der Kugel hinterherjagen, darunter auch zwei Burschen in den Trikots der Weltstars.

Fast jeden Tag wird auf dieser circa hundert mal hundert Meter großen Wiese gekickt, mitunter laufen mehrere Partien parallel. Nicht nur mehrere Vereine trainieren hier, sondern gerade an Wochenenden kommen auch viele Freizeitfußballer, dazu eine Cricket-Gruppe, Frisbee- und Federballspieler, Joggerinnen und Spaziergänger. Doch nun ist diese letzte größere Grünfläche im Zentrum von Perlach bedroht. Denn auf mehr als der Hälfte des Areals sollen Container aufgestellt werden - als Ausweichquartier für die Grundschule am Theodor-Heuss-Platz, während das dortige Schulzentrum im Neuperlacher Wohnring abgerissen und neu gebaut wird.

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Dieser Plan hat in Perlach für Unruhe und Unmut gesorgt. Wie groß der Zorn ist, kann Bernhard Helm sogar in Zahlen ausdrücken: Mehr als 2200 Menschen - "mehr als ich je gedacht hätte", sagt er - haben bislang seine Online-Petition namens "Keine Bebauung der Böglwiese!" unterzeichnet. Helm lebt seit über 20 Jahren nur einen Steinwurf von der Grünfläche entfernt, die ihm zufolge ein "Identifikationspunkt" in Perlach ist - "vergleichbar mit dem Pfanzeltplatz und dem Hachinger Bach". Als er von den Plänen für eine Interimschule erfahren habe, sei er geschockt gewesen, sagt Bernhard Helm. "Ich habe mir gedacht: Das müssen die Leute wissen. Deshalb habe ich diese Petition initiiert." Sie wird inzwischen auch von der ÖDP unterstützt; darüber hinaus hat sich eine Bürgerinitiative für den Erhalt der Böglwiese gegründet.

Dort soll nach den Plänen der Stadt auf einer Fläche von circa 60 mal 50 Metern eine dreistöckige Containeranlage in U-Form aufgestellt werden. Sie ist als Ausweichquartier für die Grundschule am Theodor-Heuss-Platz vorgesehen, die zusammen mit einem sonderpädagogischen Förderzentrum das dortige Schulzentrum bildet. Dieses soll laut einem Stadtratsbeschluss abgerissen und am gleichen Standort neu errichtet werden, weshalb es für die Bauzeit eine Interimsbleibe braucht. Nach langer Suche hat das Referat für Bildung und Sport folgende Lösung ersonnen: Während die Förderschule in die vorhandenen Modulbauten der Neuperlacher Schule am Strehleranger umzieht, soll die Grundschule in Containern auf der Böglwiese unterkommen - voraussichtlich ab dem Schuljahr 2024/25, maximal für fünf Jahre.

Die Gegner dieses Plans fürchten freilich, dass die Interimschule nur ein erster Schritt zu einer dauerhaften und umfassenden Bebauung der Grünfläche ist. "Die Erfahrung zeigt: Was einmal steht, wird nie wieder zurückgebaut", sagt Bernhard Helm. Er und seine Mitstreiter von der Bürgerinitiative haben etliche Alternativstandorte ins Spiel gebracht, darunter der alte Kindergarten der Europäischen Schule, der Sportplatz am Theodor-Heuss-Platz und der Containerbau der Pfanzeltplatzschule. Vom Referat für Bildung und Sport heißt es dazu, man habe diese Optionen geprüft - jedoch kämen sie "aus unterschiedlichen Gründen nicht in Frage", teilt ein Sprecher mit. Derweil hat die Stadtratsfraktion von ÖDP und München-Liste beantragt, das ehemalige Allianz-Gebäude in der Fritz-Schaeffer-Straße, wo aktuell das Zwischennutzungsprojekt Shaere beheimatet ist, als Ausweichquartier zu nutzen.

Lokalpolitiker fordern einen runden Tisch

Unterdessen sind auch beim Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach (BA) etliche Vorschläge für alternative Standorte eingegangen. Dazu kommen diverse Schreiben aus der Bürgerschaft, die wahlweise Schulwegrisiken am anvisierten Standort befürchten, vor einem Verlust von "Lebensqualität" in Perlach warnen oder schlicht ihren Ärger ausdrücken, dass dieser "Platz zum Leben, zum Entspannen, zum Ein- und Ausatmen" bebaut werden soll. Infolge dieser Flut an Kritik und Anregungen hat der BA nun einstimmig beschlossen, beim Referat für Bildung und Sport auf die Einrichtung eines runden Tischs zu dringen. Dort sollen nicht nur Vertreter aus dem Rathaus, des Bezirksausschusses, des Schulamts und der Schulfamilie Platz nehmen, sondern auch bis zu sechs Beauftragte der Bürgerinitiative. Dieses Angebot wolle man annehmen, betont Bernhard Helm, der Initiator der Online-Petition. "Uns wäre es allerdings wichtig, dass an dem runden Tisch ergebnisoffen diskutiert wird."

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