Am Ende des Rundgangs steht man vor dem "Waldtümpel am Abend", einem späten Werk des Malers Joseph Mader (1905-1982). Im Jahr 1972 war das Gemälde während der Großen Kunstausstellung im Haus der Kunst für 7000 Mark verkauft worden. Genügend Geld, um die dringlichsten, finanziellen Probleme der Familie Mader zu lindern. Trotzdem ein bitterer Erfolg, drei Wochen später starb Cäcilia, die Frau des Künstlers. Heute sind Joseph Mader und sein realistischer, kubistisch beeinflusster Malstil weitgehend vergessen.
Dass sich das gerade ein wenig ändert, ist dem Engagement seines Enkels Maximilian Mader zu verdanken. Zwar lernte dieser den Großvater nie kennen - er starb im Jahr vor seiner Geburt. Doch der Enkel wuchs in dessen Haus in Moosburg auf, inmitten von Gemälden und Zeichnungen in einem unverändert gebliebenen Atelier. Unter dem Motto "Finding Joseph Mader" startete Maximilian Mader 2018 das Projekt, seinen Großvater wieder einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Auf seine Initiative hin haben die Kunsthistoriker Angelika Grepmair-Müller und Felix Billeter eine erste, aufschlussreiche Monografie geschrieben, läuft gerade eine Mader-Retrospektive im Penzberger Campendonk-Museum.
Die Ausstellung mit Gemälden, Grafiken und Hinterglasbildern folgt in ihren Stationen dem Leben des Malers. Sie begnügt sich aber nicht mit seinen Werken, sondern ergänzt diese durch Arbeiten von Maders Vorbildern, allen voran Max Beckmann, und Zeitgenossen - den Beckmann-Schülern Karl Tratt oder Marie-Louise von Motesiczky, aber auch Fritz Winter. Dass Beckmanns malerische Wucht Mader begeisterte, ist nicht zu übersehen. Der junge Maler übernimmt nicht nur die typischen schwarzen Umrisslinien, sondern orientiert sich auch in der Wahl der Motive an seinem Vorbild, zeichnet ähnlich realistisch und trotzdem symbolisch aufgeladen Zirkus-, Varieté- oder Familienszenen.
Maders grafische Arbeiten, die auch heute noch in ihrer Intensität und Gestaltungskraft beeindrucken, gefielen auch dem Kunsthändler und Beckmann-Förderer Günther Franke. Er wurde auf Mader aufmerksam, als sich dieser 1932 nach Abschluss seines Studiums - erst an der Münchner Kunstgewerbeschule, dann an der Kölner Werkschule - in München ein Atelier einrichtet. Noch im selben Jahr stellt Franke den jungen Maler gemeinsam mit seinen Kollegen Max Wendl und Fritz Müller in seiner Galerie aus, vermittelt auch Kontakt zu Verleger Reinhard Piper und dem Lenbachhaus-Leiter Eberhard Hanfstaengl. Plötzlich ist Mader ein junger Maler, der sich berechtigte Hoffnung auf eine große Karriere machen darf. Doch die Ernüchterung kommt schnell.
Zum Glück war Joseph Mader ein eifriger Briefschreiber, wechselte mit seinem Bruder Anton, einem Lehrer und Dichter, in 62 Jahren mehr als 1000 Briefe, in denen es um Privates und Persönliches geht, aber auch um Politik und Kunst. Dank der Korrespondenz lässt sich seine künstlerische Entwicklung genau nachverfolgen. Er ist frustriert, als die Jury seinen Wettbewerbsentwurf für ein großes Wandbild an der Galeriestraße am Nördlichen Hofgarten im dritten Rundgang rauswirft. Zu Beginn der Diktatur der Nationalsozialisten glaubt er noch an seine Zukunft. Er gilt nicht als entartet, darf weiterarbeiten, erhält 1936 sogar den Albrecht-Dürer-Preis.
Doch bald nimmt niemand mehr Notiz von ihm; er resigniert, hält sich mit Freskenaufträgen in niederbayerischen Kirchen über Wasser. "Nun ist eben der Weg der Gewalt, der Weg der Diktatur auch in Kunstdingen beschritten und das ist furchtbar. Widerstand kann man nur leisten, als man eben nach wie vor die Art seiner Arbeit sich nicht von außen vorschreiben lassen kann, sondern immer nur der eigenen Empfindung folgen muss", schreibt er am 28. Juli 1937 an seine künftige Frau Cäcilia, kurz nachdem er sich wieder vergeblich um die Teilnahme an der Deutschen Kunstausstellung beworben hat. Und den Bruder lässt er 1939 wissen: "Die Hoffnung, durch die eigene persönliche Arbeit Erfolg zu haben, kann man zunächst unter den gegenwärtigen Umständen ruhig aufgeben."
Den Krieg übersteht Mader als Sanitäter in Freising. Angebote als Kriegsmaler zu wirken, lehnt er strikt ab. Nach dem Krieg bleibt er seiner "Art der Arbeit" treu, malt weiter gegenständlich, widmet sich seinen geliebten Auenlandschaften, die er nicht abbildet, sondern flirrend und leuchtend neu komponiert - fern ab einer Kunstszene, die sich längst anders orientiert hatte. Heute gilt er als einer der Künstler der "verschollenen Generation". Es lohnt sich, ihn in Penzberg wiederzuentdecken.
Joseph Mader: Sachlichkeiten - Sichtbarkeiten, bis 19. Juni, Museum Penzberg-Sammlung Campendonk, Karlstraße 25, Penzberg. Das gleichnamige Buch ist im Deutschen Kunstverlag erschienen.