Kunstgeschichte:Unentdeckter Meister aus Moosburg

Kunstgeschichte: Joseph Mader hat diesen Schädel einst im Wald gefunden und in sein Atelier gestellt - viele Bilder von ihm beschäftigen sich mit dem Tod zu tun.

Joseph Mader hat diesen Schädel einst im Wald gefunden und in sein Atelier gestellt - viele Bilder von ihm beschäftigen sich mit dem Tod zu tun.

(Foto: Marco Einfeldt)

Zu Lebzeiten hatte der bayerische Maler Joseph Mader nur mäßigen Erfolg. Jetzt hat sein Enkel ein Forschungsprojekt zum Œuvre des Künstlers initiiert.

Von Sabine Reithmaier

Maximilian Mader geht die Treppe voran hinauf ins Atelier, vorbei an Ölgemälden, Aquarellen, Zeichnungen. Sein Großvater Joseph Mader hat ein üppiges Œuvre hinterlassen. Erst hütete es der Sohn, jetzt der Enkel. Doch ansonsten interessiert sich kaum jemand für sein Werk. Das ist schade, die Bilder haben eine hohe Qualität.

Mader, 1905 in Landshut geboren, galt in den frühen Dreißigerjahren als großes Talent, hatte viele prominente Fürsprecher, darunter den Verleger Reinhard Piper, den Galeristen Günter Franke oder Eberhard Hanfstaengel, den Gründungsdirektor des Lenbachhauses. Trotzdem schaffte er nie den Durchbruch. Erst kamen die Nazis, dann der Krieg. Danach wollte niemand mehr die Bilder eines Künstlers sehen, der hartnäckig gegenständlich arbeitete und abstrakte Kunst ablehnte.

Maximilian Mader, der in Moosburg im Haus des Großvaters lebt, wurmt das anhaltende Desinteresse. "Großvater war kein Hobbymaler", sagt der 37-jährige Jurist. "Das Werk gehört in die Öffentlichkeit." Da die Bilder des Großvaters zwar in etlichen Sammlungen und Museen lagern, nur selten aber ans Licht gelangen, hat er das Forschungsprojekt "Finding Joseph Mader" initiiert, eine gleichnamige Broschüre über den Maler herausgegeben und den Kunsthistoriker Felix Billeter dafür gewonnen, eine Monografie über den Künstler zu schreiben. Ende 2021 soll die Publikation erscheinen.

Kunstgeschichte: Im Jahr 1929 hatte Mader den "Zirkus" (Mischtechnik) gemalt, der heute im Besitz der Städtischen Galerie im Lenbachhaus ist. Repro: Maximilian Mader

Im Jahr 1929 hatte Mader den "Zirkus" (Mischtechnik) gemalt, der heute im Besitz der Städtischen Galerie im Lenbachhaus ist. Repro: Maximilian Mader

Für einen Kunsthistoriker ist Mader ein Glücksfall. Der Maler war ein eifriger Briefeschreiber, tauschte sich lebenslang mit seinem Bruder und anderen aus. Die kontinuierliche Korrespondenz, von den späten 1920er Jahren bis zu seinem Tod 1982, ist ein ergiebiger Fundus, um den Lebensweg eines expressiven Realisten in schwierigen Zeiten zu beleuchten.

Das Atelier wirkt, als hätte Joseph Mader es erst gestern verlassen. Pinsel stehen auf dem Tisch, Bilder auf den Staffeleien, nur die Farbe riecht nicht mehr. 5000 Werke dürfte das Œuvre umfassen, schätzt der Enkel. "Ist die Frage, wo man zu zählen anfängt", sagt er und zieht eine Schublade auf. Darin Kinderzeichnungen von 1911. Dass er Maler werden wolle, habe sein Großvater immer gewusst, behauptet Max Mader. Jedenfalls beharrt Joseph Mader so hartnäckig auf diesem Berufsziel, dass dessen Vater sich ratsuchend an die bayerische Akademie der Künste wendet. Deren Direktor Heinrich von Zügel bescheinigt dem 15-Jährigen prompt eine erstaunliche künstlerische Begabung.

Zwei Jahre später, 1922, studiert er an der Kunstgewerbeschule, geleitet vom Architekten Richard Riemerschmid, Pionier des Jugendstils in München. Er wird zum Mentor Maders. Als er 1926 zum Direktor der Kölner Werkschulen berufen wird, folgt Mader ihm mit zwei Studienfreunden, dem Maler Max Wendl und dem Bildhauer Fritz Müller, auch weil der Direktor Stipendien organisiert. 1930 wird Mader Meisterschüler von Friedrich Ahlers-Hestermann, der das Malen nach der Natur in seiner Klasse abgeschafft hat. Das sei sowieso eine "blödsinnige Zeitverschwendung"gewesen, schreibt er an Bruder Toni. "Man fühlt ganz intensiv, dass dabei nie ein Bild entstehen kann, das wirklich Leben hat."

Kunstgeschichte: Enkel Maximilian Mader, hier im Atelier des Großvaters in Moosburg, hütet das Erbe des Malers.

Enkel Maximilian Mader, hier im Atelier des Großvaters in Moosburg, hütet das Erbe des Malers.

(Foto: Marco Einfeldt)

In einer Ecke des Ateliers steht eine Mappe mit einem mehrteiligen Kreuzweg, den er als Meisterschüler schuf. Die Bleistiftzeichnungen beeindrucken in ihrer Intensität und Gestaltungskraft. Nachvollziehbar, dass Kunstkritiker Wilhelm Hausenstein, als er wenig später Maders Bilder in einer Ausstellung der Galerie Franke sieht, in seiner Rezension Max Beckmann als Vergleich heranzieht. Dass die Ausstellung zustande kommt, verdankt Mader wieder dem Engagement Riemerschmids, der sich, zurück in München, weiter für die drei ehemaligen Studenten einsetzt. Das Graphische Kabinett der Galerie J. B. Neumann und Günther Franke ist der einzige Ort im konservativen München, der noch Zeitgenössisches ausstellt. Franke kann sich ausrechnen, dass mit den drei Newcomern kein Geld zu verdienen ist. Wäre es Riemerschmid nicht gelungen, Hanfstaengel zu bewegen, 550 Mark in einen Ankauf fürs Lenbachhaus zu stecken, wäre das Projekt gescheitert.

Doch so sind die Kritiker von Maders klar aufgebauten Bildern und den kräftigen Farben angetan. Franke verhehlt dem Künstler nicht, dass "die Leute im allgemeinen schwer in meine Sachen eindringen würden". Der Grund sei "die Atmosphäre von Unnahbarkeit in den Bildern", schreibt Mader an Bruder Toni. Der Galerist bietet an, ihn an Museen zu vermitteln. Alles scheitert, da die Nazis progressive Direktoren aus dem Amt drängen.

Der Maler darf weiterarbeiten, er gilt nicht als entartet, erhält 1936 den Albrecht-Dürer-Preis. Doch ansonsten nimmt niemand mehr Notiz von ihm; die Bilder, die er in die Große Deutsche Kunstausstellung einreicht, werden nicht angenommen. Er hält sich mit Freskenaufträgen in niederbayerischen Kirchen über Wasser. Mit einem Mosaikbild für eine Schule in Feldmoching - eine aufgehende Sonne, drei schwebende Adler und ein völkischer Spruch - und dem anbiedernden Schreiben, mit dem er sich im Juni 1938 um den Auftrag bewarb, hadert er sehr, wie Äußerungen in anderen Briefen zeigen. Das Schreiben ist der einzige maschinengeschriebene Brief in seiner Korrespondenz, der einzige auch, den er mit "Heil Hitler" unterzeichnet.

Kunstgeschichte: Joseph Mader, um 1930 in seinem Münchner Atelier.

Joseph Mader, um 1930 in seinem Münchner Atelier.

(Foto: Privat)

Von April 1941 an ist er in der Freisinger Vimy-Kaserne stationiert, als "hundsgemeiner Krankenträger", wie er im Mai 41 einer Freundin mitteilt. Deren Angebot, sich dafür einzusetzen, dass er als Kriegsmaler arbeiten könne, lehnt Mader entschieden ab. Er hasse diese "Zwischenformen der künstlerischen Betätigung, die nur dazu da sind, die allgemeine Verwirrung noch größer zu machen", schreibt er. Auf gesellschaftliche Rangordnung gebe er nichts. "Da finde ich es ... schon viel besser und ersprießlicher, den armen Kerlen, die da mit ihren Schäden zu einem kommen, nach Möglichkeit zu helfen."

Nach kurzer Kriegsgefangenschaft in Regensburg wandert er am Pfingstsamstag 1945 heim nach Moosburg zu Ehefrau Cilly. Er arbeitet als freier Künstler, malt Aquarelle, greift verstärkt zu Tempera und Pastell. Ölgemälde entstehen kaum, die Farben sind zu teuer. Eines davon steht auf der Staffelei, gemalt im Hungerwinter 1948. Ein älteres Paar, der Mann liegt auf dem Bett, hält sich die Ohren zu. Die Frau steht am Fenster, starrt auf einen abstürzenden Vogel. Eine trostlose Situation, passend zur wirtschaftlichen Situation der inzwischen dreiköpfigen Familie. Aber Großvater wäre lieber gestorben als seine Kunst aufzugeben, sagt der Enkel. "Überlebt hat er nur, weil ihm Verwandte gelegentlich etwas abkauften." Und weil es in München einen Baurat gibt, der Maders Werke für Kindergärten und Schulen erwirbt. Der Maler kämpft mit Depressionen, seine Gesundheit ist angekratzt, doch seine Bilder werden immer poetischer, inniger und verrätselter. Unerwartet wird während der Großen Kunstausstellung im Haus der Kunst der "Waldtümpel am Abend" für 7000 Mark verkauft. Viel Geld im Jahr 1972, es reicht, um das Haus in Moosburg abzubezahlen. Trotzdem ein bitterer Erfolg, drei Wochen später stirbt seine Frau und Alltagsmanagerin Cilly.

Die letzten zehn Jahre seines Lebens ermöglichten ihm private Sammler ein sorgenfreies Leben, sagt der Enkel. Ihn selbst treibt nicht der Gedanke an den Verkauf der Bilder an. "Ich hätte nur gern, dass auch andere Menschen den Reichtum dieser Bilder kennenlernen."

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