Ausnahmezustand in der Chemie-Fakultät der Technischen Universität (TU) München: Präsident Wolfgang Herrmann hat wegen Sicherheitsbedenken das erst vor knapp zwei Jahren eröffnete Katalysezentrum auf dem Campus in Garching schließen lassen, und zwar "auf unbestimmte Zeit", wie es in einem der SZ vorliegenden Brief Herrmanns an die Mitarbeiter vom 8. März heißt. Auslöser seien "erheblich sicherheitsrelevante Probleme in der Lüftungs- und Steuerungstechnik". Betroffen von dem Schritt sind mehr als 200 Mitarbeiter. Zu Schaden gekommen ist offenbar bisher noch niemand. Es habe "zu keiner Zeit eine tatsächliche Gefährdung" gegeben, betont Herrmann.
Die Panne ist ein neuer Tiefpunkt in der problemreichen Geschichte des 85 Millionen Euro teuren Forschungsbaus - und ein Imageschaden für die Elite-Uni TU. Herrmann macht in dem Schreiben "seiner grenzenlosen Wut über die Planungs- und Ausführungsdefizite" der staatlichen Baubehörden Luft: "Es ist ein Skandal, dass ein mit erheblichen öffentlichen Mitteln errichtetes Laboratoriumsgebäude auch zwei Jahre nach der wiederholt verzögerten Fertigstellung nicht ordnungsgemäß betrieben werden kann." Er habe deshalb den Landtag eingeschaltet. Eine Kopie des Briefs ging überdies an Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle.
Technische Universität:Trotz Pfusch am Bau ein Leuchtturmprojekt
Das neue TU-Katalysezentrum in Garching hätte vor drei Jahren eröffnet werden sollen. Doch wegen erheblicher Mängel mussten der Estrich herausgerissen, die Fenster ausgewechselt und die Treppen erneuert werden. Präsident Wolfgang Herrmann ist dennoch auf das Ergebnis stolz
"Ich bin wirklich kein Kind von Traurigkeit, aber selten war ich so gut aufgelegt wie heute", sagte Herrmann im Sommer 2009, als der Grundstein für das Katalysezentrum gelegt wurde. 2012 sollte es eröffnet werden. Diese Erweiterung der Chemie-Fakultät war ihm nicht nur ein Herzensanliegen, weil Herrmann einst selbst auf diesem Gebiet geforscht hat. Er betonte auch, es handle sich um "grüne Chemie", weil Katalysatoren dazu beitrügen, Energie und Rohstoffe in der Produktion zu sparen. Diese Bedeutung sah auch der Bund, der 29 Millionen Euro zum Bau beisteuerte.
Doch schon beim Bau passierten diverse Pannen. Als die Labore fertig eingerichtet waren, stellte sich heraus, dass die Böden fehlerhaft verlegt waren. Es mussten in sämtlichen Fluren der Estrich und die Heizungsrohre herausgerissen werden - und vorher die hochempfindliche Technik aufwendig abgedichtet werden. Dann schlug eine Entsalzungsanlage leck. Es wurde per Gutachten geprüft, ob tragende Elemente korrodieren könnten. Die äußere Gestaltung des Gebäudes musste wegen Brandschutzproblemen umgeplant werden. 2014 mussten auch noch fast alle Fenster ausgetauscht werden, weil der integrierte Sonnenschutz nicht funktionierte.
Letztlich summierten sich die Verzögerungen bis zur Inbetriebnahme des Gebäudes auf vier Jahre. Schon das Chaos auf der Baustelle hat der TU wissenschaftlich geschadet. So sagte Herrmanns Wunschkandidat für die Nachfolge auf seinem Lehrstuhl für Anorganische Chemie wegen der fehlenden Infrastruktur ab. Und noch immer können die Wissenschaftler, dort nicht vernünftig arbeiten. Für Herrmann sind das unerträgliche Zustände.
In seinem Schreiben weist er darauf hin, dass der Betrieb im Katalysezentrum schon seit der Inbetriebnahme alles andere als reibungslos laufe. So habe das Gebäude im März 2017 für mehr als zwei Wochen gesperrt werden müssen. Danach habe man in dem hochautomatisierten Hightech-Gebäude nur einen improvisierten, "teilmanuellen" Betrieb mit "großem zusätzlichen Personalaufwand" starten können.
Derzeit komme es "wiederholt unregelmäßig zum Fallen von Brandschutzklappen und Störungen der Lüftungsanlage in den Laborräumen" - was eigentlich nur im Brandfall passieren dürfte. Bis heute habe das staatliche Bauamt keine Fehlerdiagnose geliefert, schrieb Herrmann vor einer Woche. Die TU habe auf eigene Kosten Ingenieure hinzugezogen, um die Probleme in den Griff zu bekommen.
TU in Garching:Katalysezentrum ohne Boden
Eigentlich sollte das Katalysezentrum in Garching schon 2012 eröffnen, doch dann häuften sich die Probleme - sogar der fertig verlegte Estrich musste wieder herausgerissen werden. Und das ist nicht das einzige Schwierigkeit, mit der die Chemiker und Physiker der TU zu kämpfen haben.
Inzwischen hat sich aber offenbar etwas getan: "Die Ursache für die Fehlfunktion wurde gefunden", schreibt Thomas Kaßner, der für die TU zuständige Bereichsleiter im Staatlichen Bauamt München 2, in einer Stellungnahme am Donnerstag. Vereinfacht gesagt, seien Schalter an den Brandschutzklappen defekt, diese müssten nun ausgetauscht werden. Außerdem komme es wegen "Kabelrissen" zur Unterbrechung der Stromversorgung der Brandschutzklappen, wodurch diese sich automatisch schließen. Das wiederum setze die Lüftungsanlage außer Betrieb. Kaßner zufolge müssen etwa 150 Brandschutzklappen repariert werden. Danach werde ein Probebetrieb gestartet.
Auf Herrmanns scharfe Kritik an seiner Behörde geht Kaßner nicht ein. Mit der TU arbeite das Bauamt an einer Lösung des Problems, man habe die Schließung des Gebäudes "unterstützt". Zur Ursache der aktuellen Probleme schreibt Kaßner, das Gebäude sei insgesamt "seit über drei Jahren" in Betrieb. "Ein Altern und ein Verschleiß von Anlagenteilen ist nicht völlig ausgeschlossen." Die Prüfung dazu laufe noch. Inzwischen gibt es auch einen - allerdings noch vagen - Zeitplan, wie es weitergeht. Ein TU-Sprecher erklärte am Donnerstag, man hoffe bis Ende Mai das Gebäude wieder öffnen zu können. "Das hängt aber davon ab, dass die Störung beseitigt werden kann."