Palais Hohenzollern:Ein Palais für Prinz, Papst und zweifelhafte Prominenz

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Heute ist das russische Generalkonsulat in der Villa untergebracht. (Foto: Florian Peljak)

Das stattliche Gebäude an der Maria-Theresia-Straße in Bogenhausen ist mehr als 100 Jahre alt - zeitweise gaben sich die neuen Besitzer die Klinke in die Hand.

Von Ulrike Steinbacher

Der Neubau hat damals sicher neidvolle Blicke auf sich gezogen, schließlich hatte sich der Bauherr einen Premium-Platz in der ersten Reihe gesichert, ein Eckgrundstück direkt an den Maximiliansanlagen. Und dann das Haus selbst - ein dreigeschossiges Palais im beliebten Neobarockstil samt Nebengebäude; eine Kuppel als Krönung der Gartenfront, elegante Freitreppen. Dazu noch der Park gleich vor der Haustür, die unverbaubare Aussicht über die Isar und die brandneue Prinzregent-Luitpold-Terrasse als bequeme Verbindung hinunter in die Stadt.

Als das Palais Hohenzollern 1894 fertig erstellt war, hat sich in der vornehmen Münchner Stadtgesellschaft bestimmt so manche Augenbraue gehoben ob der Pracht, die der Eigentümer da zur Schau stellte, ein Zuagroaster zumal, ein Preuße gar, der überdies auch noch einen auswärtigen Architekten beschäftigt hatte.

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Das Palais in Bogenhausen ist schon häufig verkauft worden - nicht immer ist klar, wer darin lebte.

Zehn Jahre lang, bis zu seinem Tod 1904, lebte der preußische Kavallerie-General Prinz Friedrich Eugen Johann von Hohenzollern-Sigmaringen nebst Gattin in diesem Luxus-Domizil an der Maria-Theresia-Straße 17. Das Palais muss zur Entstehungszeit fast ein Solitär gewesen sein, damals stand am Isarhochufer noch kaum ein Gebäude. Erst ein Jahr später, 1895, begann Gabriel von Seidl 200 Meter weiter nördlich mit dem Bau des Wohnhauses für den Bildhauer Adolf von Hildebrand.

Und es sollten noch einmal zwei Jahre vergehen, bis das Bauunternehmen Heilmann & Littmann schräg gegenüber vom Palais Hohenzollern die Villa Stuck errichtete und begann, jenes vornehme Viertel rund um den Prinzregentenplatz anzulegen, das heute als Alt-Bogenhausen bekannt ist.

Stuck-Villa und Hildebrandhaus sind Gebäude, von denen vermutlich fast jeder Münchner schon gehört hat; das eine ist heute ein städtisches Museum, das andere beherbergt die Stadtbibliothek Monacensia. Vom Hohenzollern-Palais dagegen weiß man wenig. Der Bogenhauser Verein Nordostkultur hat auf seiner Homepage Fakten zusammengetragen, die Lokalhistorikerin Karin Bernst widmet ihm ein Blatt in ihrem diesjährigen Stadtviertel-Kalender. Daraus wird deutlich, dass die Geschichte der Villa die Brüche und Umbrüche in Europa widerspiegelt, wie sie München von der Prinzregentenzeit bis ins 21. Jahrhundert widerfahren sind. Vertreter der unterschiedlichsten Weltordnungen gaben sich in diesem Haus die Klinke in die Hand.

Gehobene Langeweile in den ersten Jahren

Den Anfang machte jenes hochadlige, kinderlose Ehepaar in mittleren Jahren, das sich das edle Domizil am Isarhochufer errichten ließ. Der Fürstliche Thurn und Taxis'sche Oberbaurat Max Schultze aus Regensburg hatte die Villa an den damaligen Münchner Stadtrand gestellt. Das kam nicht von ungefähr, denn die Ehefrau von Prinz Friedrich, Luisa Mathilde Wilhelmine Marie Maximiliane Prinzessin von Thurn und Taxis, stammte aus Regensburg. Mütterlicherseits war sie eine Nichte von Kaiserin Sisi. Oberbaurat Schultze, der auch Pläne für Ludwig II. fertigte, lässt sich also als eine Art Familien-Architekt betrachten, dessen Know-how sich das Paar kurzerhand auslieh.

Für die ersten Jahre im Palais stellt man sich ein eher statisches Leben vor, gehobene gesellschaftliche Langeweile, elegante Abendeinladungen, stilvolle Teestunden, bestimmt auch mal mit den prominenten Künstler-Nachbarn. Karin Bernsts Vermutung, dass Malerfürst Franz von Stuck ein Deckenfresko im Erdgeschoss gestaltet hat, würde da durchaus ins Bild passen. Verifizieren lässt sich das nicht: Gegenwärtig sind die Decken im Haus weiß gestrichen, von einem Fresko keine Spur, teilen die heutigen Eigentümer mit.

Als Prinz Friedrich mit 61 Jahren starb, überließen die Hohenzollern der Witwe die Villa "im Anschlag zu 350 000 Mark", wie Bernst im Staatsarchiv recherchiert hat. Die Formulierung, so erklärt sie, gibt schlicht den Wert des Besitzes wieder. Wie lange Prinzessin Luisa, die 1948 starb, noch im Palais wohnte, ist unbekannt. Im Ersten Weltkrieg jedenfalls richtete der Sanitätsdienst dort ein Lazarett ein. Im Internet findet sich eine Feldpostkarte, gestempelt am 4. März 1916: die Villa im Schnee, auf dem Balkon im ersten Stock drei Männer, die lässig am schmiedeeisernen Geländer lehnen, einer mit einem Kopfverband.

1920 ging das Palais samt Mobiliar an den Heiligen Stuhl in Rom. 875 000 Mark blätterte die Kurie hin. Womöglich lebte dann der päpstliche Nuntius in München eine Weile in dem Haus, aber das ist nur eine Vermutung. Falls sie zutrifft, wäre dieser Bewohner Eugenio Pacelli gewesen, der spätere Papst Pius XII. Schon 1923 bekam die Villa aber eine neue Eigentümerin. Mittlerweile grassierte die Geldentwertung, sodass die Geschäftsfrau Helene Spitzer 1923 für das gesamte Anwesen 3250 Billionen Mark zahlte. Als Mieter holte sie sich 1934 neue Herren ins Haus, die nun in ganz Deutschland das Sagen hatten: Die Schutzstaffel der NSDAP, Oberabschnitt Süd, quartierte sich ein.

Allerdings waren die finanziellen Mittel dieser Einheit so beschränkt, dass es für die Wasser-, Strom- und Gasrechnung nicht reichte. Bernst hat im Stadtarchiv einen Brief an den Münchner Nazi-OB Karl Fiehler aus dem Jahr 1935 entdeckt, in dem ein Mitarbeiter der Verwaltung untertänig schreibt: "Ich habe vorerst einmal der Stadthauptkasse mitgeteilt, dass die angefallenen und noch anfallenden Gebühren gestundet werden möchten, bis eine entsprechende Weisung durch den Herrn Oberbürgermeister erfolgt."

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Schon 1936 wollte Helene Spitzer der NSDAP das Haus verkaufen, über den Preis wurde man sich aber erst nach Jahren einig. 225 000 Reichsmark zahlten die Nazis schließlich Anfang 1938. Da hatte die repräsentative Villa längst wieder einen adligen Bewohner, einen von schauriger Prominenz: Karl Freiherr von Eberstein war 1936 eingezogen, SS-Obergruppenführer, Höherer SS- und Polizeiführer, unter anderem bis 1942 Münchner Polizeipräsident und von 1944 an General der Polizei und der Waffen-SS.

Trotz seiner Laufbahn und obwohl er als "Oberster Gerichtsherr" vom 1. November 1939 an auch für das Konzentrationslager Dachau zuständig war, gelang es Eberstein, bei der Entnazifizierung als "Minderbelasteter" eingestuft zu werden, am Schluss sogar als "Mitläufer". In den Fünfzigerjahren soll er an der Rezeption der Spielbank von Bad Wiessee Arbeit gefunden haben. Er starb 1979.

Ebersteins Münchner Domizil, Eigentum der NSDAP, ging nach dem Krieg an den Freistaat Bayern über. Im Lauf der Jahre büßte das Palais seine Kuppel und das elegant verkleidete Mansardendach ein, das Erscheinungsbild wurde vereinfacht. Der Freistaat brachte erneut Mieter unter: zuerst die Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft, die heute ihren Sitz an der Hofgartenstraße hat, dann das Finanzgericht München, das jetzt an der Ismaninger Straße residiert.

Ein Tauschgeschäft mit der Staatsregierung

Irgendwann hatte die Staatsregierung für das Palais keine Verwendung mehr, berichtet Christine Hahn, die Regionalvertretungsleiterin Immobilien Freistaat Bayern. Also gab es ein Tauschgeschäft, und das Grundstück ging im Oktober 2006 an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima). Die Bonner Behörde stellt es seit 2008 "der Russischen Föderation zur Nutzung als Generalkonsulat zur Verfügung", erklärt Pressesprecher Thorsten Grützner.

Wenn man so will, schließt sich damit ein Kreis für diesen Mikrokosmos der Geschichte an der Maria-Theresia-Straße 17. Wo einst schwäbisch-preußisch-Regensburger Adel residierte, kann sich heute der Durchschnittsbürger sein Visum für den Nachfolgestaat der Sowjetunion holen - jenes Staates, der einst nach blutiger Revolution an die Stelle des Zarenreichs trat.

© SZ vom 16.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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