Organspendeskandal am Rechts der Isar:Ärzte kritisieren Transplantationsverbot

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Wie soll es weitergehen am Klinikum rechts der Isar? (Foto: Paul Knecht/dpa)

Das Klinikum rechts der Isar in München darf keine Lebern mehr verpflanzen. Das ist die Konsequenz, die der Freistaat aus dem Organspendeskandal gezogen hat. Aus medizinischer Sicht sei das aber nicht so einfach, kritisieren die Ärzte. Sie stellen auch die Frage, was mit ihrem Chef passieren soll.

Von Christina Berndt und Sebastian Krass

Im Klinikum rechts der Isar regt sich Unmut über die Entscheidung der Staatsregierung, dort ebenso wie in Erlangen künftig keine Lebertransplantationen mehr zu erlauben. Offiziell will sich das Klinikum der TU München zwar erst nach der Aufsichtsratssitzung äußern, die für diesen Freitag angesetzt ist. Aber inoffiziell werden aus Ärztekreisen Vorwürfe laut: gegen die Staatsregierung und gegen den eigenen Chef, den Ärztlichen Direktor Reiner Gradinger.

Zwar sieht der Beschluss der Staatsregierung vor, das Lebertherapiezentrum am Rechts der Isar zu erhalten. Doch so einfach sei das nicht, heißt es intern. Was zum Beispiel passiert mit der Toxikologie, einer nach TU-Selbstverständnis international renommierten Abteilung? Dort würden, so berichtet ein Arzt, Patienten mit lebensbedrohlichen Vergiftungen etwa durch Pilze, Schmerzmittel oder Antidepressiva mit dem Ziel behandelt, die Leber zu erhalten. Erst wenn es nicht mehr anders gehe, falle die Entscheidung für eine Transplantation. Dann blieben nur noch wenige Stunden, in denen die Patienten nicht mehr transportfähig seien.

Vor ähnlichen Problemen sehen sich auch Ärzte aus der Hepatologie. Die Abteilung hat sich einen Namen mit der Versorgung von Patienten mit unheilbaren chronischen Lebererkrankungen im Endstadium einen Namen gemacht. "Solche Erkrankungen haben extrem lange Verläufe", sagt ein Arzt. "Den Patienten geht es mal besser und mal schlechter." Sie kurz vor der Lebertransplantation in ein anderes Krankenhaus und zu anderen Ärzten zu verlegen, sei medizinisch und menschlich "eine Katastrophe". Weil aber bei der Erstbehandlung nicht abzusehen ist, ob diese Patienten eines Tages für eine Transplantation in Frage kommen, würde dies bedeuten, dass eine Behandlung dieser Patienten am Rechts der Isar ohne eine Transplantationsabteilung sinnlos wäre.

Die LMU hat der TU eine "privilegierte Partnerschaft" angeboten

Dennoch stellt sich für das Rechts der Isar die Frage, wie es nun weitergeht. Eine Möglichkeit bestünde darin, die Lebermedizin an das zur LMU gehörende Klinikum Großhadern anzudocken. Dieses hat dem Rechts der Isar nach SZ-Informationen bereits eine "privilegierte Partnerschaft" angeboten, in deren Rahmen Leberpatienten im Endstadium aus dem Rechts der Isar auf die Warteliste in Großhadern gesetzt werden könnten, wo dann die Transplantationen erfolgen sollen. Dies eröffne auch mehr Möglichkeiten für wissenschaftliche Kooperationen, heißt es. Ob das Rechts der Isar darauf eingehen wird, ist noch offen.

Das Konkurrenzdenken zwischen den Kliniken und den dahinter stehenden Universitäten ist groß. Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP), der auch Aufsichtsratsvorsitzender der bayerischen Unikliniken ist, will sich bei dem Thema raushalten. Das sollen die Kliniken selbst regeln, findet er. Denkbar wäre auch, dass das Rechts der Isar sich mit Regensburg zusammentut.

Ausgerechnet Regensburg. Dort hatte es schwere Unregelmäßigkeiten bei Lebertransplantationen gegeben. Viele davon lagen aber vor dem Zeitraum, den die vom Freistaat eingesetzte Prüfungskommission untersucht hat. Der mutmaßlich Verantwortliche war zuvor nach Göttingen gewechselt. Allerdings ist der Chef der Chirurgie immer noch in Amt und Würden, und auch im Prüfungszeitraum gab es 28 Verstöße, die laut Kommission aber nicht gravierend waren. Dennoch könnte Regensburg zu einem Gewinner des Umbaus werden.

Was soll aus Chef Reiner Gradinger werden?

Im Rechts der Isar heißt es, die Politik habe das Lebertransplantationszentrum geopfert, um der Bevölkerung Konsequenzen aus den Skandalen zu präsentieren. Allerdings war die Zahl dieser Zentren in Bayern überproportional hoch. Nach der Schließung der zwei Zentren sind die Patienten im Bundesvergleich weiter gut versorgt. Auch in Würzburg werden Lebern transplantiert.

Immer drängender wird im Rechts der Isar auch die Frage gestellt, was mit dem obersten Chef Reiner Gradinger passieren soll. Er steht in der Kritik, weil er 2010 auf Manipulationen hingewiesen wurde, nach einer Prüfung aber feststellte, "dass kein Fehlverhalten vorliegt". In einem noch unveröffentlichten Prüfbericht kommt eine Kommission der Bundesärztekammer zum Schluss, Gradinger habe nicht aufklären wollen, "weitere Untersuchungen sollten gerade nicht stattfinden". Heubisch will sich zu Gradinger noch nicht äußern. Ihm liege das Gutachten noch nicht vor, sagt er. Ein Vertrauensbeweis ist das nicht.

© SZ vom 17.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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