Oktoberfest-Attentat:Putzkolonne des Rechtsstaats

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Bei dem Anschlag auf das Oktoberfest 1980 kamen 13 Menschen ums Leben. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Ohne den NSU-Skandal hätte es die neuen Ermittlungen zum Oktoberfest-Attentat nie gegeben. Doch mit einer normalen Ermittlung hat die Arbeit der Soko nichts mehr zu tun.

Kommentar von Annette Ramelsberger

Seit neun Monaten suchen die Ermittler nun wieder nach den Hintermännern des Oktoberfestattentats vor 35 Jahren, und die erste Nachricht, die nach draußen dringt, ist: Die wichtigste Spur hat sich zerschlagen. Es ist nach menschlichem Ermessen nichts dran am Hinweis einer Zeugin, sie kenne einen Mitwisser des größten Anschlags in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Das ist ein Hieb ins Kontor all derjenigen, die sich schnelle Aufklärung erhofft haben.

Doch so desaströs ist diese Nachricht nicht. Die Aussage der Zeugin war von vornherein nur der Strohhalm, den die Bundesanwaltschaft ergriffen hat, um nach über 30 Jahren die Ermittlungen wieder aufnehmen zu können. Keiner hat wirklich geglaubt, dass diese Aussage, die auch Merkwürdigkeiten aufwies, schnell den Weg zu den Hintermännern des Anschlags weisen wird. Das wäre natürlich gut, doch im Moment ist es viel wichtiger, dass mit größter Akribie Spur für Spur bearbeitet, Zeuge für Zeuge befragt werden. Dass der Staat zeigt, dass er es wirklich ernst meint mit der Suche nach den Hintermännern und den politischen Zusammenhängen.

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Keine neuen Ermittlungen ohne den NSU-Skandal

Eines ist sicher: Die neuen Ermittlungen hätte es ohne den Skandal um die rechtsradikale Terrorbande NSU nie gegeben. Erst dadurch hat der Staat die Notwendigkeit gesehen, dem Misstrauen der Bürger etwas entgegenzusetzen: Keiner mehr, der beim Wort Verfassungsschutz an den Schutz der Verfassung denkt - sondern an V-Leute, die Rechtsradikale mit Steuergeld hochpäppeln. Wenige nur noch, die in Innenministerien ordentliche Behörden sehen, sondern Ämter, die geheime Akten zurückhalten. Der ganze Sicherheitsapparat ist durch den NSU in Misskredit geraten.

Dieser Zweifel schloss die Ermittlungen rund um das Oktoberfestattentat mit ein. Nie ist der Verdacht verstummt, dass hier etwas vertuscht wurde, mitten im Wahlkampf zwischen Helmut Schmidt und Franz Josef Strauß im Jahr 1980. Kaum einer hat damals geglaubt, dass der junge, erst 21 Jahre alte Bombenleger Gundolf Köhler keine Hintermänner hatte - nicht einmal die Ermittler; die Opfer ohnehin nicht. Sie leben seit 35 Jahren mit diesem Zweifel.

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Keine normale Polizeiermittlung

Deswegen ist die Arbeit der Soko auch keine normale Polizeiermittlung, sie ist ein Aufräumkommando in der Kriminalgeschichte, eine Putzkolonne in Sachen staatlicher Hygiene. Sie soll den blinden Fleck blank wienern, den viele mittlerweile fast für eine Berufskrankheit von Polizisten, Staatsanwälten und Verfassungsschützern halten. Die Behörden wollen durch die Ermittlungen ihre Glaubwürdigkeit wiedergewinnen - selbst wenn irgendwann, in Monaten, in Jahren, nur herauskommen sollte, dass man nichts mehr findet zu den Hintermännern im Fall Oktoberfest. Für sie ist der Weg das Ziel.

Für dieses Ziel aber müssen die Fahnder nicht nur sorgsam arbeiten. Sie müssen auch auf größtmögliche Transparenz bei ihren Ergebnissen achten. Diesmal darf kein Hauch eines Zweifels übrig bleiben. Das sind sie den Opfern schuldig.

© SZ vom 18.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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