Es war ein großer Akt. Der Generalbundesanwalt selbst ging vor die Presse, die Worte wägend, bedeutungsschwanger. "Mord verjährt nicht", sagte Harald Range am 11. Dezember 2014 in Karlsruhe - selbst wenn dieser Mord schon 34 Jahre her ist. Am 26. September 1980 hatte der rechtsradikale Student Gundolf Köhler auf dem Münchner Oktoberfest eine Bombe gezündet und 13 Männer, Frauen und Kinder getötet. 200 Menschen wurden verletzt, viele lebensgefährlich.
Dass der Student nicht allein war, wurde stets gemutmaßt. Beweise dafür gibt es keine. Nun, so sagte Range, werde seine Behörde allen Ansatzpunkten "zur Aufklärung der Hintergründe des heimtückischen Mordanschlags erneut und umfassend nachgehen". Ein Paukenschlag.
Seitdem sind fast sechs Monate vergangen und man darf annehmen, dass Ranges Staatsanwälte nicht untätig waren. Zu Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten, der bis dahin federführend das Thema Oktoberfest bearbeitet hatte, kam noch Stephan Stolzhäuser hinzu, ein ehemaliger Richter aus Bayern. Insgesamt umfasst das Referat fünf Juristen. Doch erfahren hat die Öffentlichkeit bisher nichts. Außer, dass die Ermittlungen beim Bayerischen Landeskriminalamt geführt werden. Über alle anderen Erkenntnisse gebietet Karlsruhe striktes Stillschweigen.
Oktoberfest-Attentat:Berlin setzt zynische Prioritäten
Der Anschlag auf das Oktoberfest war das schlimmste rechtsradikale Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik. Dass sich die Regierung noch immer weigert, Informationen über V-Leute herauszugeben, ist ein Skandal.
Kein Wort darüber, ob man schon Zeugen befragt hat - immerhin haben sich ja zwei Frauen gemeldet, die neue Angaben zu möglichen Hintermännern gemacht hatten, und deren Aussage Range im Dezember als "werthaltig" bezeichnete. Kein Wort, wie viele alte Akten man schon durchgeforstet hat - immerhin hatte Range im Januar die Akten der Geheimdienste zum Attentat angefordert. Keine Äußerung dazu, ob die Ermittler die vollständigen Geheimdienstakten bekommen. Immerhin verweigert die Bundesregierung dem Bundestag die Akten mit dem Argument, man müsse auch heute noch die V-Männer von damals schützen und könne keinerlei Angaben zu ihren möglichen Meldungen zu Hintergründen des Oktoberfestattentats machen. Und kein Wort dazu, ob es schon eine neue Spur gibt.
Ermittler ziehen in Räume, in denen lange Edmund Stoiber residierte
Die Abschottung scheint Prinzip zu sein. Auch das Landeskriminalamt Bayern, das schon 1980 die Ermittlungen führte und nun wieder daran arbeitet, darf keine Auskünfte geben - obwohl dort schon 21 Polizisten in einer Soko arbeiten. Sie sind nach Informationen der Süddeutschen Zeitung gerade dabei, in die Wagmüllerstraße im Münchner Stadtteil Lehel zu ziehen - offenbar in das Haus, in dem auch Edmund Stoiber lange als Sonderberater der EU-Kommission zur besseren Rechtsetzung residierte. Die Bundesanwaltschaft bestätigt nun immerhin: Die Sonderkommission wird in den Münchner Stadtteil Lehel ziehen und "Soko 26. September" heißen. Ein ungewöhnlicher Name, nicht "Soko Oktoberfest", auch nicht "Soko Oktoberfestanschlag". Da mussten wohl Konnotationen verhindert werden, die der Attraktivität des Festes schaden könnten.
Und man macht offenbar reinen Tisch: Der Soko gehört kein einziger Ermittler von 1980 mehr an. "Die Mehrzahl der mit den ursprünglichen Ermittlungen befassten Beamten ist nicht mehr im Dienst", sagt die Sprecherin des Generalbundesanwalts, Frauke Köhler, "im Übrigen soll eine unvoreingenommene Ermittlungsarbeit ermöglicht werden." Was so viel heißt wie: Frische Augen sehen mehr.
Oktoberfest-Attentat:Generalbundesanwalt nimmt Ermittlungen wieder auf
34 Jahre nach dem Oktoberfestattentat werden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Das hat Generalbundesanwalt Harald Range bekannt gegeben. Grund für die Entscheidung sei eine bislang unbekannte Zeugin.
Der Münchner Rechtsanwalt Werner Dietrich, der viele Opfer des Anschlags vertritt, weiß, dass auch schon eine Frau befragt wurde, die sich bei ihm mit neuen Hinweisen auf mögliche Hintermänner gemeldet hatte. Noch ist die Bundesanwaltschaft bei der Überprüfung ihrer Angaben.
Die Bundesanwaltschaft selbst betont, er werde das "gesamte bei deutschen Behörden zu dem Anschlag vorhandene Aktenmaterial" sichten. Also auch alle Geheimdienstakten. Bis zum Ende des Jahres will man zumindest wissen, wo man bei den Ermittlungen steht. Dann werde es ein "erstes aussagekräftiges Zwischenresümee" geben, kündigt der Generalbundesanwalt an. Vielleicht ist die Geheimniskrämerei ja dann vorbei. Es muss ja nicht gleich eine heiße Spur geben.