Wiesnchef und Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) traut sich so allerhand zu, aber als Volksfestbelustigung will er dann doch nicht dienen. "Ich glaube nicht", sagt er bei der Vorstellung des neuen Wiesnplakats, "dass mein Schädel da durchpasst!" In der Grütznerstube des Rathauses ist nämlich aus Präsentationsgründen extra eine mannshohe Stellwand-Version des Siegerplakats aufgestellt, bei der man Kopf und Hände durchstecken kann, wie das bei Jux-Fotos auf dem Oktoberfest auch möglich ist, und dann als Münchner Kindl dem Publikum entgegenstrahlt. "Es ist das erste interaktive Wiesn-Plakat", sagt Baumgärtner. Freilich, ganz ohne Opfer kann man nicht Wiesnchef sein, und so stellt sich Baumgärtner schließlich doch hinter die Wand und lacht ein bisschen schüchtern durch das Loch für den Kopf.
Womit schon einmal geklärt wäre, dass das Hauptmotiv des diesjährigen Siegerplakats ein fröhliches Münchner Kindl ist. Aber München ist auch bunt und vielfältig, deshalb ist es auch umringt von typischen Wiesn-Elementen wie Bier, Brezn, Herzerln, Riesenrad, Karussell, Rose und Trompete. "Das Plakat ist sympathisch und farbenfroh", so Baumgärtner, "es gab bei uns in der Jury gar keine große Diskussion darüber, dass es sich hier um Platz eins handelt. Schon beim Online-Voting war der Entwurf auf Platz zwei gelandet."

Wie seit acht Jahren üblich, wird das Oktoberfestplakat nicht nur von einer Fachjury aus Stadtrat, Verwaltung, Wiesn-Protagonisten und Grafikern ausgewählt, sondern auch per Online-Voting mitbestimmt. Bewerber um den ersten Platz müssen ihre Plakatmotive auf der Oktoberfest-Website der Stadt hochladen und werden nach einer ersten formalen Prüfung zum Online-Voting bereitgestellt; unter den ersten 30 entscheidet die Sach- und Fachjury unter Vorsitz des Wiesn-Chefs über die Wettbewerbssieger. Die ersten drei Plätze bekommen auch eine Geldprämie in Höhe von 500, 1250 und 2500 Euro. Für dieses Jahr wurden 120 Entwürfe hochgeladen, 25 mehr als im vergangenen Jahr. 60 davon kamen ins Publikums-Voting, an dem sich 8198 Menschen beteiligten und insgesamt 36 977 Stimmen auf die einzelnen Plakate verteilten.

Dass das Münchner Kindl Erster ist und obendrein auch noch von einem Münchner Kindl entworfen wurde, freute den Wiesn-Chef (selbst ein Münchner Kindl, übrigens) ganz besonders. Denn der Entwurf stammt von der 33-jährigen Grafikdesignerin Annika Mittelmeier, die nicht nur in München geboren ist, sondern ihr Kunst- und Multimedia-Studium auch an der Ludwig-Maximilians-Universität absolviert hat. "Alle Kernelemente des Oktoberfests werden handwerklich professionell, lebendig und mit liebenswertem Witz in Szene gesetzt", urteilte die Jury. Das Münchner Kindl stehe "symbolisch für die Gastfreundlichkeit und Weltoffenheit Münchens und des Oktoberfests. Ein Plakat, welches auch nach dem zweiten und dritten Blick noch nachwirkt."
Womöglich selbst dann noch, wenn man schon doppelt sieht, möchte man bei so viel Lob fast hinzufügen. Und Wiesn-Stadträtin Anja Berger (Grüne) äußerte sich in einer eigenen Presseerklärung ebenfalls begeistert zum Motiv: "Ich finde, es strahlt das Lebensgefühl des größten Volksfestes aus, und meine immer vorhandene Vorfreude auf die nächste Wiesn bekommt einen weiteren großen Schub."

Auf dem zweiten Platz landete der Entwurf der Würzburger Kommunikationsdesignerin Sarah Schumann. Die Jury hob hervor, dass verschiedenste Elemente, die für die Wiesn stehen, "farbenfroh, klar gegliedert, modern und originell kombiniert" wurden. Und den dritten Platz belegte der gebürtige Augsburger Reinhold Singer, der seit 1990 als Visual Merchandiser arbeitet.

Oktoberfestplakate gibt es seit 1952. Weil es mittlerweile aber längst nicht mehr nötig ist, für die Wiesn Werbung zu machen, dient das Motiv vor allem als Signet mit Wiedererkennungswert auf allen möglichen Devotionalien, vom Kugelschreiber übers Feuerzeug bis zum Bierkrug.