Null Acht Neun:Der Spaß der anderen

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Das Leben mit Kindern ist in dieser besonderen Zeit ein besonderes Erlebnis. Nicht nur für Eltern

Kolumne von Andreas Schubert

Dem amerikanischen Komiker W. C. Fields wird oft das Zitat zugeschrieben: "Wer kleine Kinder und Hunde hasst, kann nicht ganz schlecht sein." Der in diversen Varianten überlieferte Spruch mag in den vergangenen Wochen so manchem in den Sinn gekommen sein, seien es vom Zwangsbespaßen ihres Nachwuchses entnervte Eltern oder seien es ans Heimbüro gefesselte Nachbarn von Kindern, denen mangels ausreichender Bespaßung durch die Eltern nur lauter sehr lauter Blödsinn einfällt.

Natürlich ist das jetzt übertrieben. Eltern hassen ihre Kinder doch nicht. Und die meisten werden traurig sein, die Kleinen bald wieder in die Kita oder die Schule entlassen zu müssen. Schließlich hat es ihnen ja total Spaß gemacht, jeden Tag neben dem Homeoffice noch Marmelade einzukochen, einen Kuchen mit lustigem Gesicht zu backen, gemeinsam Mathe zu üben, sich in der Whatsapp-Gruppe 200 Mal mit anderen Eltern, Erzieherinnen oder Lehrern auszutauschen, dies der Welt dann auf sämtlichen Kanälen im Netz mitzuteilen und seine Erleichterung kund zu tun, dass sich der Ehepartner zum Glück nicht ins Bespaßen eingemischt hat.

Als kinderloser Nachbar war ich natürlich über all das Leben im Altbau froh. Wenn die Kids von oben so leidenschaftlich Känguru gespielt haben, dass mir am Heimbüro-Schreibtisch der Kaffee auf die Tastatur schwappte, hüpfte ich fröhlich im Geiste mit. Wenn die Mama dann nachmittags um drei ihre Kinder ermunterte, doch endlich vom Schlafanzug in die Tagesklamotte zu wechseln, und zwar so nachdrücklich pädagogisch, dass die Fensterscheiben vibrierten, freute ich mich, am ausgelassenen Familienspaß der anderen teilzunehmen - auch wegen der so spontan herzzerreißenden Reaktion der Kleinen. Da kann man doch unmöglich böse sein oder gar an Hass denken - nicht mal an W. C. Fields' Film "Die gute alte Zeit", in dem er einem sehr unterbespaßten Schraz liebevoll in den Hintern tritt. Derart schwarzer Humor von einst, der inzwischen selbst aus katholischen Knabeninternaten verschwunden sein sollte, ist natürlich zu verurteilen. Vielmehr sollte ich in der Kirche ein Kerzerl für die Eisheiligen anzünden, dass sie die lieben Kleinen wieder zurück in die warme Stube trieben, kaum dass Münchens Spielplätze wieder offen hatten.

Vom Wochenende an soll es wieder wärmer werden. Dann wird traurige Stille die Häuser der Stadt heimsuchen, ich werde selbst wieder an vollen Spielplätzen vorbei Richtung Isar spazieren und darauf hoffen, dass mich möglichst bald ein süßes Hunderl mit einem Meter Schulterhöhe anschlabbert. Vielleicht werde ich an Fields denken, aber ansonsten nichts Böses. Denn den Satz "Der tut nix, der will nur spielen" habe ich wirklich schmerzlich vermisst.

© SZ vom 16.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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