Neue Kulturstätte:Münchner können bald auf dem Schiff feiern

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  • Der "Bahnwärter Thiel" bekommt eine Schwester. Künftig soll es nicht nur im Eisenbahnwaggon, sondern auch in einem Schiff Kulturevents geben.
  • Der ausrangierte Dampfer "Utting" war früher als Ausflugsschiff auf dem Ammersee im Einsatz.
  • Der Schwertransport nach München wird nun aber richtig knifflig.

Von Rieke Wiemann

Lange hat es Wannda-Gründer Daniel Hahn geheim gehalten, jetzt macht er es publik: Seine mobile Kulturstätte "Bahnwärter Thiel" bekommt eine Schwester. 37 Meter lang, 7,5 Meter breit, 144 Tonnen schwer ist sie - und vom Baujahr 1949 nur knapp älter als der Schienenbus, der mit seinem bunten Programm seit langem die Stadt begeistert. Der künftige Standort des Schiffs in München ist noch unbekannt - genau wie im Bahnwärter Thiel aber soll es Getränke und Kulturevents geben.

Eigentlich wollte die Bayerische Seenschifffahrt die "Utting" nach dieser Saison verschrotten, zu viele Runden habe der alte Ausflugsdampfer auf dem Ammersee gedreht. Dass Daniel Hahn ihn vor dem Tod auf der Abwrackwerft rettet, verwundert kein bisschen, liest der Münchner doch seit seinem 16. Lebensjahr Ausrangiertes auf und verleiht ihm neuen Sinn. "Anfang Oktober hat mir ein Freund von den Plänen der Seenschifffahrt erzählt. Seitdem hat mich dieses Boot nicht mehr losgelassen", sagt er.

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Die Kulturstätte ist dorthin zurückgekehrt, wo alles begann: Im Viehhof überwintert sie in einer beeindruckenden Containerburg - und hat schon ein neues Quartier in Aussicht.

Von Rieke Wiemann

Im VW-Bus sind Hahn und die anderen vom Wannda-Verein im Herbst rausgefahren, um sich den alten Dampfer anzuschauen. "Von der ersten Sekunde an waren wir begeistert. Wir wollten sie nach München holen", sagt er. Doch Skeptiker bremsten die Euphorie schnell aus. Als "unschaffbar", ja "wahnsinnig" schätzte die Bayerische Seenschifffahrt deren Vorhaben ein, den Giganten bis zum 20. Februar abzubauen. Dann wird das millionenschwere Nachfolge-Schiff auf dem Ammersee zu Wasser gelassen. "Schnell sprangen Leute ab, darunter auch ein guter Freund, ohne den ich mich die Aktion nicht umzusetzen traute", erzählt Hahn. Viele hatten Angst, mit dem Mega-Projekt unterzugehen.

Tatsächlich, der Zeitpunkt war ungünstig. Gerade erst war der Bahnwärter Thiel von der Hochschule für Fernsehen und Film wieder auf das Viehhofgelände gezogen, der Märchenbazar stand vor der Tür. Fristen im Nacken, folgten für Hahn schlaflose Nächte. "Ich habe mich mit einer Entscheidung noch nie so schwer getan." Doch "Nein" sagen konnte er nicht. "Wie oft kommt es vor, dass die Bayerische Seenschifffahrt ein Passagierschiff mittlerer Größe ausmustert? Etwa alle hundert Jahre?"

Über seinen Entschluss ist Hahn heilfroh, ebenso darüber, "dass einst Abgesprungene nun wieder mit an Bord sind". Getrieben von einer Mischung aus Leichtsinn und Passion, hat die Gruppe den Dampfer entgegen aller Warnungen innerhalb eines Monats komplett ausgeräumt. Nun jedoch steht den Münchnern der schwerste Part bevor: der Transport. Dafür bedarf es großer Kräne sowie sechs Taucher der Wasserwacht, die die Hebegurte am Rumpf befestigen. Damit die "Utting" dann auf dem Schwertransporter nach München bugsiert werden kann, muss die Speditionsfirma sie nicht nur in der Mitte horizontal durchschneiden - sonst passt das Schiff nicht unter Autobahnbrücken hindurch -, sondern auch Ampeln umlegen und Straßenlaternen abhängen.

Und auch der Aufbau erscheint irrsinnig. "Auf uns warten mehrere Container Innenausbau, die wir herausmontiert haben", sagt Hahn, der das mit Holz vertäfelte Ausflugsschiff in seinen Urzustand zurückversetzen möchte. Alles ist geschraubt, gesteckt und vernietet, nichts geleimt - so soll es bleiben. Auf die Renovierung des Maschinenraums freut er sich, "darin sieht es aus wie in der Titanic." Wie auch im Bahnwärter Thiel soll in der "Utting" getanzt und gestaunt werden, zwischen riesigen Rohren, Stahlkörpern und Bullaugen.

Wo das Schiff letztlich stranden wird, weiß Hahn noch nicht. Mit Hochdruck sucht die Wannda-Crew nach einem Zuhause für die neue Spielstätte. In weniger als einem Monat muss das Boot seinen Heimatsee verlassen. "Unterstützung bekommen wir von der Stadt. Ohne den Einsatz von Stadträtin Julia Schönfeld-Knor sowie dem Kulturreferat wäre all der Wahnsinn nicht möglich." Der 26-Jährige hat mehrere Stammplätze in Aussicht, und für einen brennt er ganz besonders: "Wenn wir den bekommen, dann werden wir etwas Fantastisches schaffen."

© SZ vom 21.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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