Sie war eine Dame bis zuletzt: Noch vor wenigen Jahren empfing sie Reporter in ihrer kleinen Wohnung am Viktualienmarkt mit der Frage: "Darf ich Ihnen einen Cognac anbieten?" Und zwar egal, zu welcher Tageszeit. Gisela Jonas-Dialer, die "Schwabinger Gisela", war eine Münchner Institution aus einer Zeit, als München das Großstadtsein noch üben musste.
1929 im niederrheinischen Moers geboren, hatte sie schon früh das ungewöhnliche Berufsziel Motorradrennfahrerin und begann sogar eine Lehre in einer Autowerkstatt. Anschließend studierte sie Ausdruckstanz an der berühmten Essener Folkwang-Schule und arbeitete einige Zeit auch im Garmischer Hotel einer Verwandten. "Gläserspülen habe ich dort wirklich perfekt gelernt", sagte sie später lachend über diese Zeit.
"Schwabinger Laterne"
Schließlich verschlug es sie über Umwege nach München, wo sie unter anderem im Schwabinger Mutti-Bräu allerlei Aushilfsjobs hatte. Dort sang sie auch gelegentlich Chansons von Zarah Leander, deren düster-rauer Stimme sie recht nahe kam. Eine Studentenkapelle schrieb gar eigene Lieder für sie, unter anderem die berühmte "Schwabinger Laterne", die als nachgebautes, etwas windschiefes Modell später zum Wahrzeichen ihres eigenen Lokals werden sollte. Erste Auftritte als Sängerin folgten in der Lach- und Schießgesellschaft, Sammy Drechsel hatte sie im Mutti-Bräu gehört und mochte ihre Stimme sehr. 1952 eröffnete sie schließlich ihr eigenes Lokal in der Occamstraße 8: "Bei Gisela".
Heute würde man dahinter einen Stehausschank vermuten, damals aber war "Bei Gisela" das verruchteste Nachtclub der Stadt. Denn die Schwabinger Gisela sang mit ihrer dunklen, rauchigen Stimme auch Chansons mit leicht schlüpfrigen Texten. Am Klavier wurde sie von jungen Männern begleitet, die zum Beispiel Udo Jürgens hießen oder später auch Konstantin Wecker, und die für eine warme Gulaschsuppe spielten. Die Suppe wiederum kochte in der kleinen Küche ein gewisser Gerd Käfer.
Wegen des Klavierspiels und wegen der Küche kam aber niemand zur Gisela. In den Fünfzigerjahren gab es nicht viele Möglichkeiten, in München länger auszugehen. Allein deshalb war die Schwabinger Gisela eine Attraktion. Viele internationale Berühmtheiten kamen zu ihr: der amerikanische Senator Edward Kennedy ebenso wie der russische Kosmonaut Jurij Gagarin, Leonard Bernstein war öfter mal da, Orson Welles, Ava Gardner und Kirk Douglas schauten vorbei, wenn sie in München waren. Man kann also sagen: Wenn der internationale Jetset tatsächlich mal in München war, dann war er auch bei der Schwabinger Gisela. Ihn lockte wohl die in der Stadt sonst kaum vorhandene Nachtclub-Atmo.