Nachruf auf Gisela Jonas:Mit Charme und Chansons

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Mit rauchiger Stimme und leicht schlüpfrigen Liedtexten zog sie Berühmtheiten wie den Kosmonauten Jurij Gagarin oder Leonard Bernstein an. In den Fünfzigerjahren war die "Schwabinger Gisela" in die Occamstraße eine echte Institution. Nun ist die schillernde Wirtin Gisela Jonas gestorben.

Von Franz Kotteder

Sie war eine Dame bis zuletzt: Noch vor wenigen Jahren empfing sie Reporter in ihrer kleinen Wohnung am Viktualienmarkt mit der Frage: "Darf ich Ihnen einen Cognac anbieten?" Und zwar egal, zu welcher Tageszeit. Gisela Jonas-Dialer, die "Schwabinger Gisela", war eine Münchner Institution aus einer Zeit, als München das Großstadtsein noch üben musste.

1929 im niederrheinischen Moers geboren, hatte sie schon früh das ungewöhnliche Berufsziel Motorradrennfahrerin und begann sogar eine Lehre in einer Autowerkstatt. Anschließend studierte sie Ausdruckstanz an der berühmten Essener Folkwang-Schule und arbeitete einige Zeit auch im Garmischer Hotel einer Verwandten. "Gläserspülen habe ich dort wirklich perfekt gelernt", sagte sie später lachend über diese Zeit.

"Schwabinger Laterne"

Schließlich verschlug es sie über Umwege nach München, wo sie unter anderem im Schwabinger Mutti-Bräu allerlei Aushilfsjobs hatte. Dort sang sie auch gelegentlich Chansons von Zarah Leander, deren düster-rauer Stimme sie recht nahe kam. Eine Studentenkapelle schrieb gar eigene Lieder für sie, unter anderem die berühmte "Schwabinger Laterne", die als nachgebautes, etwas windschiefes Modell später zum Wahrzeichen ihres eigenen Lokals werden sollte. Erste Auftritte als Sängerin folgten in der Lach- und Schießgesellschaft, Sammy Drechsel hatte sie im Mutti-Bräu gehört und mochte ihre Stimme sehr. 1952 eröffnete sie schließlich ihr eigenes Lokal in der Occamstraße 8: "Bei Gisela".

Heute würde man dahinter einen Stehausschank vermuten, damals aber war "Bei Gisela" das verruchteste Nachtclub der Stadt. Denn die Schwabinger Gisela sang mit ihrer dunklen, rauchigen Stimme auch Chansons mit leicht schlüpfrigen Texten. Am Klavier wurde sie von jungen Männern begleitet, die zum Beispiel Udo Jürgens hießen oder später auch Konstantin Wecker, und die für eine warme Gulaschsuppe spielten. Die Suppe wiederum kochte in der kleinen Küche ein gewisser Gerd Käfer.

Wegen des Klavierspiels und wegen der Küche kam aber niemand zur Gisela. In den Fünfzigerjahren gab es nicht viele Möglichkeiten, in München länger auszugehen. Allein deshalb war die Schwabinger Gisela eine Attraktion. Viele internationale Berühmtheiten kamen zu ihr: der amerikanische Senator Edward Kennedy ebenso wie der russische Kosmonaut Jurij Gagarin, Leonard Bernstein war öfter mal da, Orson Welles, Ava Gardner und Kirk Douglas schauten vorbei, wenn sie in München waren. Man kann also sagen: Wenn der internationale Jetset tatsächlich mal in München war, dann war er auch bei der Schwabinger Gisela. Ihn lockte wohl die in der Stadt sonst kaum vorhandene Nachtclub-Atmo.

Andere, einheimische Gäste waren mehr an Giselas Sangeskunst interessiert, respektive an ihren oftmals leicht unanständigen Texten. Die gefielen offenkundig nicht nur Künstlerkollegen, sondern auch Persönlichkeiten aus der hohen Politik. Manche, wie zum Beispiel Franz Josef Strauß, der auf seine Virilität eh nichts kommen ließ, kamen ganz offen. Andere wollten lieber unerkannt bleiben - das ging damals noch, selbst in Schwabing.

Für manche wäre es auch äußerst unangenehm geworden, hätte man sie erkannt. Gisela Dialer-Jonas erzählte vor wenigen Jahren erst die Geschichte, wie sie einem Nachbarn einmal ein Fotoalbum mit alten Aufnahmen aus ihrem Lokal zeigte. Bei einem Bild sei er dann aber blass geworden. Er hatte seinen Vater darauf entdeckt. Es handelte sich um Alois Hundhammer, jenen erzkonservativen Bayerischen Kultusminister von der CSU, der für einen der größten Theaterskandale der Nachkriegszeit steht. Er hatte nämlich 1948 eine Aufführung von Werner Egks "Abraxas" an der Bayerischen Staatsoper verboten, wegen Unzüchtigkeit.

"Der Nowak lässt mich nicht verkommen"

Da hätte er eigentlich später auch nicht bei der Gisela sitzen dürfen, denn die galt als ausgesprochen freizügig - nur was ihre Liedtexte anging, aber immerhin. "Der Nowak lässt mich nicht verkommen", sang sie zum Beispiel, das war ihr größter Erfolg und machte sie allein schon deshalb bekannt, weil sie deswegen gleich dreimal vor Gericht erscheinen musste.

Es gab nämlich immer wieder neue Versionen des Textes, die recht geschickt mit dem Tatbestand des Geschlechtlichen spielten und mehr die Fantasie anregten, als sie verrieten. Die Schallplatte, die Gisela aufnahm, aber stand mit den frivolen Nowak-Versen in den prüden Fünfzigerjahren unter dem Verdacht, die Jugend zu verderben. Einer ihrer Richter charakterisierte sie mit den schönen Worten, sie sei "eine gebildete Dame mit stark unzüchtigem Charakter". Das gefiel ihr offensichtlich, sie wählte das Zitat dann später als Titel für ihre Autobiografie.

1974 hatte sie genug von den langen Nächten in ihrem Lokal. Sie heiratete, zog nach Tirol und kam in den Neunzigerjahren, nach dem Tod ihres Mannes, wieder zurück nach München. In ihren letzten Lebensjahren wurde sie noch einmal zur Berühmtheit. Im "Vereinsheim", wie ihr ehemaliges Lokal heute heißt, wurde 2011 gar ein Musical über ihr Leben aufgeführt, dessen Premiere sie höchst gerührt mitverfolgte. Der Schwabinger Kleinkunstveranstalter Till Hofmann hatte sie wiederentdeckt, seine Frau Michaela Hohl hat dann auch die Revue über ihr Leben mitverfasst.

Witz, Humor und Feierlaune hat sie sich bis ins späte Alter bewahrt. Noch am 24. Januar dieses Jahres feierte halb Schwabing in der Galerie Roucka am Feilitzschplatz ihren 85. Geburtstag. Ein letztes Mal sang sie dort ihren berühmten "Nowak". Fast genau ein halbes Jahr später ist sie nun an diesem Freitag gestorben.

© SZ vom 26.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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