Ingolstadt:"Das ist eine andere Liga von Museum"

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Theres Rohde, Leiterin des Museums für Konkrete Kunst Ingolstadt, freut sich auf das neue Domizil. (Foto: Christine Olma)

Der Neubau des Museums für Konkrete Kunst und Design in Ingolstadt nähert sich nach vielen Verzögerungen der Vollendung. Direktorin Theres Rohde ist bereits die dritte Chefin, die auf das neue Haus hofft. Welche Ziele sie hat.

Von Sabine Reithmaier, Ingolstadt

Noch ist der Neubau des künftigen Museums für Kunst und Design (MKKD) in Ingolstadt eine gigantische Baustelle. Doch Direktorin Theres Rohde gerät ins Schwärmen, wenn sie von ihren künftigen Ausstellungsmöglichkeiten in dem Haus erzählt, das gerade unter der alten Backsteinhalle der ehemaligen Königlich Bayerischen Geschützgießerei entsteht. Vor ihr liegt eine Mammutaufgabe. Weniger wegen des Umzugs, den sie aller Voraussicht nach im Jahr 2024 binnen weniger Monate managen muss. Mehr Kraft wird es kosten, das Museum, wie gewünscht, zu einem kulturellen Aushängeschild für die Stadt zu entwickeln.

"Ich habe keine Angst, aber großen Respekt vor der Aufgabe", sagt Rohde, die das Haus seit knapp eineinhalb Jahren leitet. 2000 Quadratmeter Ausstellungsfläche stehen ihr im neuen Quartier zur Verfügung, am alten Standort in der ehemaligen Kaserne an der Tränktorstraße sind es gerade mal 700, viel zu wenig, um die große Sammlung zeigen zu können. Die Räume werden auch höher sein, waren es bislang maximal 2,60 Meter, werden es künftig knapp fünf Meter sein.

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"Das ist einfach eine andere Liga von Museum", sagt Rohde nüchtern, die mit der Eröffnungsausstellung die gesamte Fläche bespielen will. Das Museum unterteilt sich unterirdisch in verschiedene Zonen, eine für die Dauerausstellung, die es bislang nicht gibt, eine andere für Design, weitere für große und kleine Sonderausstellungen.

Der Wechsel erfolgt zirkulierend. Die kleinen Ausstellungen wechseln alle vier Monate, die große Sonderschau halbjährlich, nur selten die Dauerausstellung. "Am Ende haben wir alle zwei Monate eine Eröffnung, aber wir bespielen kleinere Flächen", erläutert Rohde ihr Konzept. Nur so könne es das 15-köpfige Team - viele arbeiten in Teilzeit - auch bewältigen. "Und wir müssen nie schließen", freut sich die Chefin, anders als im alten Haus, das während eines Ausstellungsumbaus immer zusperren muss. Die oberirdische Halle, ein Industriedenkmal, bleibt frei zugänglich. Erst wer nach unten zur Kunst will, zahlt.

Der Neubau hat sich mehrfach verzögert, die Kosten liegen mit 50 Millionen Euro doppelt so hoch wie geplant

Rohde ist nach Tobias Hoffmann und Simone Schimpf, die 2021 an das Neue Museum in Nürnberg wechselte, bereits die dritte Chefin, die darauf hofft, das neue Haus eröffnen zu können. "Aber so nah dran wie ich war noch keiner", sagt sie. Das stimmt zweifellos, zumal es schon eine ganze Weile keine schlechten Nachrichten von der technisch extrem komplizierten Baustelle gibt. Seit 2019, als die Ausgaben durch Komplikationen bei der Fundamentierung des Tiefbaus in die Höhe schossen, ist es ruhig geworden. Mindestens 50 Millionen Euro wird das neue Haus kosten, das Doppelte der Summe, mit der die Stadt vor acht Jahren noch kalkulierte. Und wer weiß, ob die explodierenden Baukosten das Werk nicht nochmal teurer machen werden.

"Ich fühle schon eine große Verantwortung der Stadt gegenüber", sagt Rohde. In Zeiten wie diesen noch einen so teuren Kulturbau zu erhalten, sei keine Selbstverständlichkeit. Sie mag nicht mehr darüber nachdenken, wie oft der Umzug, ursprünglich für 2019 geplant, schon verschoben wurde. Sie hat auch keine Lust, von "letzten Ausstellungen" im alten Haus zu sprechen. Es gab schon viele letzte, "daher bin ich vorsichtig", sagt sie. "Jede muss so gut sein, dass sie die letzte sein könnte."

Heinz Macks "Paravent für Nanette" aus dem Jahr 1971 in der Ausstellung "Reflections" im Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt. (Foto: Hubert P. Klotzeck/BILDFLÄCHE; VG Bild-Kunst, Bonn 2022)
Auch Timo Nasseris Arbeit "Glance #9" von 2022 ist in der Ausstellung "Reflections" zu sehen. (Foto: Hubert P. Klotzeck/BILDFLÄCHE; VG Bild-Kunst, Bonn 2022)
Gerold Tagwerkers "multiple.spy" von 2007 (rechts) im Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt. (Foto: Hubert P. Klotzeck/BILDFLÄCHE)

Ihre Begeisterung für Konkrete Kunst ist jedenfalls ansteckend, die aktuelle Schau "Reflections/Spiegelwelten", kuratiert von Mathias Listl, sehr unterhaltsam. Spürt sie doch mit Witz und Ironie der Auseinandersetzung nach, die sich Künstler mit glänzenden, spiegelnden und reflektierenden Kunststoffen, Metallen oder Gläsern liefern. Das kann ein traditioneller Spiegel sein, zumindest im ersten Augenblick.

Doch Peter Vogels interaktive "Erscheinung" erlaubt mittels elektronischer Sensoren einen Blick in die eigene Zukunft. Da wartet irgendwann der Tod. Witzig sein "Spiegelfolienporträt", für das er sein Gesicht zwölfmal auf einer stark verzerrenden Spiegelfolie ablichtet. Spiegeln kann sich der Besucher auch in Hubertus Hamms "Porträt IV", jedenfalls wenn er sich hinter eine schlichte rechteckige Holzwand zwängt. Dahinter verbirgt sich eine Platte aus massivem Gold, die das eigene Abbild unscharf wiedergibt.

Eine grandiose Wirkung hat der "Paravent für Nanette" von Heinz Mack, dem Mitbegründer der Gruppe Zero. Der große silbrige Raumteiler scheint zu schweben, doch die scheinbare Beweglichkeit verdankt er dem reflektierenden Aluminium, dessen Oberfläche sich je nach Lichteinfall unentwegt verändert. An totale Überwachung erinnern die in alle Richtungen weisenden Rundspiegel von Gerold Tagwerkers "multiply.spy", während Julia Schewalies "Disk-white", zusammengesetzt aus CD-Rohlingen, wie Perlmutt schimmert.

Und Jan Schmidts gläsernes "Parkett" ist eine echte Fleißarbeit. 30 000 gläserne Plättchen, 7,6 auf 2,6 Zentimeter groß, bislang bekannt als Objektträger beim Mikroskopieren, hat er im Fischgrätmuster verlegt und einen ganzen Raum damit gestaltet, perfekt bis ins kleinste Detail. Sechs Tage und acht Stunden habe er daran gearbeitet, berichtet Rohde. Das Ergebnis ist eine sanft schimmernde Fläche, die mal an ein unruhiges Wasser erinnert, dann wieder an eine mondbeschiene Landschaft. Die Arbeit zeugt von einem langen Atem des Künstlers, was gut zur Entstehungsgeschichte des neuen Museums passt, die von vielen Rückschlägen geprägt ist.

Eine Holz-Arbeit von Jan Schmidt konnte nur mit Hilfe eines privaten Sponsors angekauft werden

Als Rohde freilich zur Eröffnung den Ankauf einer anderen Schmidt-Arbeit, gefertigt aus dem Holz der früheren Museumsbuche, durchsetzen wollte, stieß sie auf Widerstand. "Damit hatte ich nicht gerechnet", sagt sie, schließlich sollte das Werk aus dem Budget des Museums finanziert werden. "Es war kein Extrawunsch von uns." Der Finanzausschuss diffamierte die Arbeit als "Nicht-Kunst" und lehnte ab. Zum Glück fand sich ein privater Sponsor, der die Hälfte der Kosten für die "Sägearbeit#7" übernahm, der Stadtrat stimmte zu. So werden die Besucher dem Künstler während der Eröffnungstage zusehen können, wie auch diese Arbeit in einem langwierigen Prozess entsteht. "Aber so eine Auseinandersetzung kostet viel Kraft", sagt Rohde.

Die "Reflections" werden noch bis März laufen, dann knüpft das Museum mit einer retrospektiven Schau an seine Anfänge an. In deren Mittelpunkt steht die Sammlung Gomringer, vor 30 Jahren der Anlass, das Museum zu gründen. 50 Werke besaß es am Anfang, inzwischen ist der Bestand auf 15 000 Objekte angewachsen. Auf große Jubiläumsfeierlichkeiten hat das MKKD heuer verzichtet, "wir konzentrieren uns lieber auf den Neubau." Schließen wird das Haus im Herbst, dann kann sich das Team endlich ganz auf den Umzug konzentrieren. "Wenn die Baustelle so läuft wie geplant, ist das Museum zum Jahreswechsel 23/24 fertig und kann hoffentlich im Sommer 2024 eröffnet werden", sagt Rohde.

Das Ingolstädter Museum ist übrigens deutschlandweit das einzige, das sich der Konkreten Kunst widmet, andere Häuser begnügen sich mit Sammlungen. Kein Wunder, dass Rohde ein klares Ziel vor Augen hat: Wer künftig den Namen Ingolstadt hört, soll sofort an das MKKD denken, nicht nur an Audi. "So weit ist es zwar noch nicht, aber da möchten wir hin."

Reflections / Spiegelwelten, bis 5. März, Museum für Konkrete Kunst, Tränktorstraße 6-8, Ingolstadt

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Von Thomas Balbierer (Text und digitale Umsetzung)

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