Mutmaßliche rechte Terrorzelle:Mit gekreuzten Äxten und radikaler Gesinnung

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  • Am Freitag haben Einsatzkräfte der Polizei ein führendes Mitglied der rechtsextremistischen Bürgerwehr "Wodans Erben Germanien" in dessen Laimer Wohnung festgenommen.
  • Der Generalbundesanwalt wirft dem Münchner Frank H. die Unterstützung einer rechtsterroristischen Vereinigung vor.
  • Ziel der "Gruppe S.", wie die Terrorzelle von Ermittlern genannt wird, soll es gewesen sein, durch koordinierte Anschläge auf Politiker, Flüchtlinge und Moscheen einen Bürgerkrieg auszulösen.

Von Martin Bernstein, München

Er nannte sich "Sergeant at Arms" - in Rockerclubs ist man mit diesem Titel zuständig für Disziplin in der Truppe. Doch seine "Rocker" fahren nicht auf Motorrädern, sie sind mit "Heil!"-Grüßen, "WhitePower"-Tattoo und "Landser"-Kapuzenshirt auf dem Weg zurück in die Vergangenheit. Am Freitag haben Einsatzkräfte der Polizei ein führendes Mitglied der rechtsextremistischen Bürgerwehr "Wodans Erben Germanien" in dessen Wohnung im Münchner Stadtteil Laim festgenommen. Der Generalbundesanwalt wirft dem Münchner Frank H. die Unterstützung einer rechtsterroristischen Vereinigung vor.

Der "harte Kern" der mutmaßlichen Terrorbande und mindestens acht Unterstützer hatten sich nach Angaben der Ermittler zunächst im Internet in Chatgruppen ausgetauscht, im September und im Februar dann im württembergischen Alfdorf und im westfälischen Minden getroffen. Ob der Münchner Frank H. bei diesen Treffen dabei war, blieb zunächst offen. Kopf der Gruppe ist nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft ein Mann aus Mickhausen bei Augsburg gewesen. Auch er soll in der Vergangenheit Kontakt in die rechte Münchner Szene gehabt haben. Nach Informationen des Spiegel tauchte sein Name vor Jahren auf einer internen Interessentenliste der NPD München auf. Ein weiterer mutmaßlicher Terror-Unterstützer wurde nördlich von München festgenommen.

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Ziel der "Gruppe S.", wie die Terrorzelle von Ermittlern genannt wird, soll es gewesen sein, durch koordinierte Anschläge auf Politiker, Flüchtlinge und Moscheen einen Bürgerkrieg auszulösen. Man könne bis zu 2000 Bewaffnete mobilisieren, soll einer der Männer geprahlt haben. Waffen sollen bei der Festnahme in Laim nicht gefunden worden sein. Ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe erließ am Samstag Haftbefehl gegen zwölf Männer, darunter auch Frank H. "Die acht mutmaßlichen Unterstützer sollen ... zugesagt haben, die Vereinigung finanziell zu unterstützen, Waffen zu beschaffen oder an zukünftigen Anschlägen mitzuwirken", beschreibt die Bundesanwaltschaft die Rolle der Unterstützer.

An Flüchtlingsunterkünften, vor der Münchner Synagoge und an Orten der NS-Gewaltherrschaft traten die von Frank H. angeführten Wodanserben vergangenes Jahr auf. Die Rechtsextremisten versetzten Flüchtlinge in Angst und Schrecken, als sie in geschlossener Formation in eine Moosacher Asylbewerberunterkunft eindrangen. Sie marschierten mit Fackeln zum ehemaligen NS-Reichsparteitagsgelände in Nürnberg und zu den historischen Nazibauten in der Maxvorstadt: "Der Balkon wo Adolf Hitler stand, um seine Parade abzunehmen. An den Tag wo Er Reichkanzler wurde", schrieben sie darüber.

Nach einem Treffen an der Bogenhausener Odinstatue im März holten Polizisten sechs Teilnehmer aus der Straßenbahn und erstatten Anzeige wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Im Juli stoppte und kontrollierte die Münchner Polizei die Gruppe vor der Synagoge am Jakobsplatz, auf Facebook forderten Wodans Erben: "Boycott Israel!" Im Oktober gingen die Rechtsextremisten in einer Tram auf einen Fotografen los. Im November versuchten sie, während eines linken Kongresses vor dem DGB-Haus zu provozieren. Zuletzt wurden "Wodans Erben" in ihren uniformähnlichen Jacken mit dem Wikingerhelm und den gekreuzten Äxten bei der "Fridays gegen Altersarmut"-Kundgebung im Januar auf dem Marienplatz gesehen. Fast immer dabei: Frank H., der zwischenzeitlich sogar als "Präsident" der Gruppierung in Bayern aufgetreten sein soll.

Die aus der rechtsextremen Bürgerwehr "Soldiers of Odin" hervorgegangene Gruppe zeigte ihre Auftritte zunächst gerne in Youtube-Filmchen. Zu erkennen waren so auch die personellen Verbindungen in die rechte Szene - Reichsbürger sowie Mitglieder der NPD und der ebenfalls rechtsextremistischen "Pegida München" liefen mit. Der bayerische Verfassungsschutz konnte bereits vor einem Jahr "eine grundsätzliche Affinität der Gruppierungen zu Gewalt erkennen". Damals zeigte die Gruppe auf ihrer Facebook-Seite unter der Überschrift "Sicher ist sicher ..." eine Toilette mit griffbereit daneben platzierter Pistole. Und kurz darauf den Spruch: "Der Tag, an dem ich aufgebe, ist der Tag, an dem ich sterbe. Ich bin Deutscher!"

© SZ vom 18.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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